John MIlius wird achtzig :
Es lebe die Revolution!

Lesezeit: 3 Min.
John Milius im Jahr 1997.
Er nennt sich einen Zen-Anarchisten, feiert Waffen und Männlichkeit. Er hat Filme wie „Red Dawn“ und „Conan, der Barbar“ inszeniert. Und „Big Wednesday“, den besten aller Surferfilme. Niemand in Hollywood ist so umstritten wie John Milius. Jetzt wird er achtzig

Der Regisseur John Milius, den, als es losging mit New Hollywood, die Kenner und Kollegen für den begabtesten Filmautor seiner Generation hielten, einen jungen Mann, in dessen Kopf eine profunde Bildung und eine geradezu barbarische Kraft miteinander um die Vorherrschaft zu ringen schienen, dieser John Milius hat seit dreißig Jahren keinen Film mehr gedreht – und wenn er, was häufig geschieht, gefragt wird, was die Ursache sei, kommt immer die gleiche Antwort: Er stehe auf einer schwarzen Liste; das linksliberale Establishment von Hollywood könne einen wie ihn, den Konservativen, obrigkeitsfeindlichen, waffenverliebten, männlichkeitsverherrlichenden „Zen-Anarchisten“ (der „Zen-Faschist“, wie er sich auch einmal nannte, war wohl ein Ausrutscher), einfach nicht verkraften. Zwanzig Filme, mindestens, hätte er gedreht, wenn man ihn gelassen hätte.

Weil die Verfasser schwarzer Listen immer auch die Leugner schwarzer Listen sind, müssen die gegenteiligen Beteuerungen von Studios und Produzenten einen nicht interessieren. Aber in dem Porträtfilm „Milius. Man. Myth. Legend“ traten vor zehn Jahren auch Steven Spielberg, George Lucas und Martin Scorsese auf. Und jeder pries Milius als einzigartigen Könner.

Er selbst hat einmal gesagt, jeder Feinsinn beim Inszenieren, das ganze Getue um visuelle Metaphern und bedeutsame Kadrierungen seien ihm völlig fremd. Er wolle nur erzählen. Was, einerseits, schon deshalb Quatsch ist, weil Milius unter den Regisseuren, die, mit beweglicher Kamera und sparsam eingesetzten Effekten, am liebsten auf der Höhe der Augen und des Bewusstseins ihrer Charaktere inszenieren, einer der sensibelsten ist. Und zugleich hat Milius recht: weil er das Erzählen als das kategorische Gegenteil zum Formulieren von Meinungen, Thesen, ästhetischen Statements versteht – wer das Erzählen beherrscht, kann es sich leisten, sich auf das Unverstandene und Nichtverständliche, auf Widersprüche und Unauflösbarkeiten einzulassen. Er ist kein Moralist: Deshalb leben seine Drehbücher und Filme vom Aufeinanderkrachen unvereinbarer moralischer Prinzipien. Er ist konservativ, deshalb kommt er mit der Unvereinbarkeit zurecht.

Ist Krieg noch besser als Kino?

Milius wollte Pilot bei der U.S. Navy werden; wegen seines Asthmas haben sie ihn nicht genommen. Und es war wohl eine Retrospektive der Filme von Akira Kurosawa, die ihn zu der Erkenntnis brachte, dass Filmregisseur immerhin die zweitbeste Berufswahl sei. Im Jahr 1984 wurde vor deutschen Kinos gegen Milius demonstriert: Drinnen lief „Red Dawn“, sein Film, der von der Invasion der Sowjets und Kubaner erzählte und von Amerikanern, die sich wehren. Die Demons­tranten hatten den Film nicht gesehen, sonst wäre ihnen aufgefallen, dass es nicht um Antikommunismus ging, sondern um eine Feier der Revolution, der Guerilla. Und der Jugend, die an einem mächtigen Gegner ihre Jugendlichkeit erprobt. „Red Dawn“ lief aufs Lob der Militanz heraus.

„Bei uns in Chicago ist man jung, bis man erwachsen wird. Hier in Kalifornien sind alle jung“, sagt Patti D’Arbanville in „Big Wednesday“, Milius’ schönstem Film und größtem Flop, dem Surfer-Melodram über die Freundschaft, das Rauschen und den Rausch des Ozeans, in dem die Gefühle so groß wie die Wellen sind: beides kaum bezwingbare Naturgewalten. Wer den Rausch beim Surfen erlebt hat, ist für den festen Boden der gegebenen Verhältnisse fast schon verloren, das ist die Tragik seiner Helden. Wer im Kino sitzt, wird von diesem Rausch erfasst: Das ist das Genie seines Regisseurs.

Dem Drehbuchautor Milius verdankt das Kino „Apocalypse Now“ und die besten Szenen aus „Hardcore“ und „Dirty Harry“. Sein Genie fehlt dem Kino, und weil John Milius keine Symptome von Altersmilde zeigt, möchte man ihm zum Geburtstag endlich die fehlenden zwanzig Projekte wünschen.