Ausstellung in Düsseldorf :
Die Stadt schreibt das Große ganz groß

Patrick Bahners
Ein Kommentar von Patrick Bahners
Lesezeit: 2 Min.
Die Besucher bewegen sich, sind nicht von Duane Hanson: Ein Raum mit Arbeiten von Beate Höing, Gudrun Kemsa und Kris Scholz.
Eine mehr als einhundertjährige Tradition reklamiert Düsseldorf für seine „Große Kunstausstellung“. Aber die Sperenzchen des Marketings zeigen, dass die Marke so gut eingeführt gar nicht ist.

Noch vor kurzem wurde die Kunst hier kleingeschrieben. Als das Kunstmuseum der Stadt Düsseldorf 2001 im Zeichen einer damals als zukunftsträchtig geltenden Kooperation mit einem Energiekonzern wiedereröffnet wurde, firmierte es als „museum kunst palast“. Unter dem Direktor Felix Krämer heißt das Museum jetzt nicht mehr Museum, sondern nur noch „Kunstpalast“ – und damit wieder genauso wie das zugunsten des Neubaus von Oswald Mathias Ungers abgerissene Gebäude aus dem Jahr 1902.

Der alte Kunstpalast war als Ausstellungshaus des Vereins zur Veranstaltung von Kunstausstellungen errichtet worden. Den Verein gibt es noch, er veranstaltet derzeit für fünf Sommerwochen im Kunstpalast eine Ausstellung, die einfach „Die große Kunstausstellung“ heißt beziehungsweise im Wortlaut ihres Werbematerials nicht ganz so einfach „DIE GROSSE Kunstausstellung NRW Düsseldorf“ oder wieder ganz einfach „DIE GROSSE“. Ganz groß geschrieben wird also das Große. Wir sind in Düsseldorf, die Kunst kann hier auch unter den Tisch fallen, wenn es dem Marketing dient.

Auch die Grammatik ist unter den Opfern. Wie der Katalog mitteilt, ist die Matthias-Claudius-Grundschule „Kooperationspartner der DIE GROSSE“. Stammeln statt flektieren: Vielleicht soll dieser Lerneffekt verbürgen, dass man den Schock des Neuen erlebt, dass die am Ehrenhof ausgestellte Kunst echt modern ist. Ein Eigenname, der nicht gebeugt werden darf: Der rhetorische Kniff übertreibt die Kontinuität der Marke.

Ein Schirmherr namens Hindenburg

In den Anfangsjahren waren die „großen“ Ausstellungen ein Hort des Traditionalismus. Aus Gründen des Stadtmarketings führte die Stadtverwaltung 1928 eine Spaltung des Vereins herbei; für den avantgardistischen Neustart gewann sie bizarrerweise den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg als Schirmherrn. Die Direktion des Museums erreichte, dass Otto Dix seinen 1927 gemalten „Straßenkampf“ zurückzog, um Hindenburg nicht zu provozieren.

Heutige Politiker wird vielleicht eher provozieren, wie unpolitisch das Angebot von „DIE GROSSE“ ist, die als Verkaufsausstellung nach dem Prinzip eines Salons organisiert ist: Künstler bewerben sich mit ihrer aktuellen Produktion. Von 799 Bewerbungen wurden 121 berücksichtigt. Geworben wird damit, dass Kollegen die Jury bilden: Wenn die Damen und Herren Künstler sagen, es ist etwas Besonderes, dann wird’s schon etwas Besonderes sein.

Eine einzige Teilnehmerin beschäftigt sich mit der Politik des Tages: Stacey Blatt, eine in Duisburg lebende Amerikanerin, radiert in einem Video die Unterschrift von Donald Trump aus. Die meisten anderen Arbeiten sind nicht so leicht zu datieren. Überall Reprisen, von Farbfeldmalerei, Minimalismus, Informel, Op-Art und August Sander. Dass die Kunstinstitutionen neuerdings so häufig ihre Namen ändern, hat wohl auch damit zu tun, dass die Kunst ihr Versprechen des permanent Neuen nicht mehr hält. Im Ex-Museum Kunstpalast wandert der Besucher durch ein temporäres Museum der Stile.