Neu Delhis Neutralität :
Die EU will Indien von Russland loseisen

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Indiens Premierminister Narendra Modi am Montag in Neu  Delhi
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnt in Indien die Demokratien Asiens. Sie sagt: „Was in der Ukraine passiert, hat Auswirkungen auf den Indopazifik.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in Indien, der bevölkerungsreichsten Demokratie der Welt, vor wachsenden Bedrohungen für offene und freie Gesellschaften in Europa und Asien gewarnt. Die Welt befinde sich in einem entscheidenden Moment. „Unsere heutige Antwort auf Russlands Aggression wird die Zukunft sowohl des internationalen Systems als auch der globalen Wirtschaft entscheiden. Wird abscheuliche Verwüstung siegen oder sich die Menschlichkeit durchsetzen?“, fragte von der Leyen am Montag in einer Rede in Neu Delhi. Dabei erinnerte sie an die Massengräber und Leichen auf den Straßen in Butscha, die sie während ihres Besuchs vor zwei Wochen in der Ukraine gesehen habe.

Die Warnung dürfte als indirekter Appell an die indische Regierung zu verstehen sein, ihre „neutrale“ Haltung mit Bezug auf den russischen Angriffskrieg zu überdenken. Indien fordert zwar einen Waffenstillstand und hat auch das Massaker von Butscha verurteilt. Jedoch hat Neu Delhi Russland bisher nicht als Aggressor benannt. Berichten zufolge wollen die Europäer nun ihre Waffenlieferungen erhöhen, um Indien unabhängiger von russischen Importen zu machen. Mit dem Blick auf Sanktionen sagte von der Leyen, die EU rufe alle Mitglieder der internationalen Gemeinschaft auf, die Friedensbemühungen zu unterstützen.

Kürzlich erst war Johnson zu Besuch

Von der Leyen trat auch dem Eindruck entgegen, wonach der Krieg Asien nicht betreffe. Die Kernprinzipien, auf denen Frieden und der Sicherheit weltweit beruhten, seien in Asien ebenso wie in Europa bedroht. Sie verwies auf die Kooperation Russlands mit China, das sich in Himalaja mit Indien im Konflikt um den Verlauf der gemeinsamen Grenze befindet. Moskau und Peking hätten im Februar ihre „grenzenlose Freundschaft“ erklärt: „Danach folgte die Invasion der Ukraine.“ Sie verwies auf steigende Preise für Getreide, Energie und Dünger als Folgen des Krieges auch in Asien. „Was in der Ukraine passiert, hat Auswirkungen auf den indopazifischen Raum“, sagte von der Leyen.

Der zweitägige Besuch gehört zu den Bemühungen des Westens, Indien durch Kooperation von Russland zu lösen. Kurz zuvor hatte der britische Premierminister Boris Johnson Neu Delhi besucht. Anfang Mai wird Modi mit Bundeskanzler Olaf Scholz die deutsch-indischen Regierungskonsultationen leiten. In Indien vereinbarte von der Leyen mit Modi die Gründung eines Handels- und Technologierats, durch den die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der EU zu Indien gestärkt werden. Wie von der Leyen zu Beginn ihres Gesprächs mit Modi erklärte, gibt es einen solchen Rat bisher nur zwischen der EU und den USA.