Energiepolitik der EU :
Die Kunst des Möglichen

Gerald Braunberger
Ein Kommentar von Gerald Braunberger
Lesezeit: 2 Min.
Verspätete Lieferung der Führung: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
Die Bundesregierung musste in Brüssel Kritik, aber keine Brüskierung fürchten. Berechtigte Einwände gegen den Gaspreisdeckel bleiben.

Politik sei die Kunst des Möglichen, sagte einmal Otto von Bismarck. In der aktuellen Situation war auf dem EU-Gipfel vermutlich nicht mehr möglich als ein Scheinkompromiss, den alle Beteiligten erst einmal als Erfolg verkaufen, indem er wichtige Entscheidungen vertagt.

Wieder einmal entsteht jedoch der Eindruck, dass Deutschland hinhaltenden Widerstand gegen Entscheidungen leistet, deren wirtschaftliche Folgen Europa nicht zugutekommen werden. Bundeskanzler Olaf Scholz musste auf dem Gipfel von den Partnern Deutschlands zwar Kritik erwarten, aber dennoch keine völlige Brüskierung. Von einem offenkundigen Bild der Zerrissenheit in der Europäischen Union hätte allenfalls Russlands Staatspräsident Wladimir Putin profitiert.

Angebot und Nachfrage

An der Lage hat sich jedoch nichts geändert: Die unter anderem durch die stark gestiegenen Energiepreise getriebene Inflation belastet viele Menschen, deren Unmut die Politik zu spüren bekommt. Dem würden viele Politiker, denen politische Entscheidungen viel, Marktmechanismen aber wenig bedeuten, gerne mit einer Deckelung des Gaspreises begegnen.

Aber auch wenn die Versorgungslage für den laufenden Winter besser aussieht als vor einigen Wochen und der Großhandelspreis für Gas seit einiger Zeit wieder fällt, empfehlen sich spätestens mit dem Blick auf den Winter 2023/2024 weitere Einsparungen. Doch sinkt der Anreiz zu Einsparungen umso mehr, je stärker der Preis gedeckelt wird. Ebenso wird sich das Angebot an Gas umso mehr Abnehmer außerhalb Europas suchen, je stärker Europa den Preis deckelt.

Appelle an Drittländer, sie sollten den Europäern Gas zu Vorzugspreisen zur Verfügung stellen, eignen sich nicht einmal als Aushilfe. Das Gesetz von Angebot und Nachfrage setzt kein EU-Politiker außer Kraft.

Naiv wäre es zu glauben, auf Gipfeln gehe es allein um die Kraft von Sachargumenten. Wenn der Bundesregierung mehr Verständnis der Partner etwas wert sein sollte, könnte sie es mit einer kohärenteren Politik im eigenen Land und einem diplomatischeren Vorgehen in Europa versuchen. Dann wären vielleicht auch bessere Gipfelergebnisse möglich.