Sie haben den Dreh raus
Text von BIRGIT OCHSFotos von MARIA IRL
23. Juli 2021 · Niki und Günter Hermans sind Keramiker. Seit fast 50 Jahren. Die Fotografin Maria Irl hat sie auf ihrem Hof in Niederbayern besucht.
Habt Ihr es schön, das ist ja ein Paradies!“ Besucher, die zum ersten Mal nach Mitterskirchen zu Niki und Günter Hermans kommen, reagieren in der Regel so begeistert wie verblüfft: der alte Hof, auf dem sich Pfauen, Chinesische Muntjaks, zwei ungarische Zackelschafböcke tummeln, die so eigenwillig aussehen, wie sie heißen, dazu Enten und zahme Dohlen, ist allein wegen der tierischen Bewohner schon besonders. Herzstück ist jedoch die große Werkstatt der beiden Keramiker, die als Autodidakten in mehr als einem halben Jahrhundert weit in der Kunst des Töpferns gekommen sind. Angefangen hat alles auf 18 Quadratmetern in einem Schwabinger Keller, der bald zu klein wurde – für die Töpferkurse, mit denen die beiden anfangs ihr Geld verdienten, aber auch für den wachsenden Bestand an Keramik. Es habe eine Weile gedauert, bis sie auch vom Verkauf ihrer Arbeiten leben konnten, erzählt Günter Hermans. „Ohne Ausbildung dauert es, bis man den Dreh raus hat“, sagt der heute Achtzigjährige.
Das Fertigen der Gefäße mit Ton aus dem Westerwald ist das
eine, die Glasuren sind das andere. Wobei das Landleben die Arbeit beeinflusst:
Die Glasuren haben einen Bezug zur Umgebung – zum leuchtenden Blau des Himmels
zum Beispiel. Ende der siebziger Jahre haben die beiden der Millionenstadt den
Rücken gekehrt. Damals hätten die Behörden die Immobilienbesitzer aufgefordert,
die Kellerwerkstätten auf Vorkriegsniveau in einen zeitgemäßen Zustand zu
versetzen. Der Vermieter ihrer Werkstatt legte dem Ehepaar nahe, sich nach
einer neuen Bleibe umzusehen. Weil in Oberbayern die Mieten und Preise schon
damals hoch waren, verschlug es die Münchnerin und den gebürtigen Rheinländer
nach Niederbayern. Zunächst mieteten sie den Dreiseithof, später kauften sie
ihn. Die alte Scheune haben sie zu ihrer Werkstatt gemacht. Achtzehn Meter von
zuhause zum Arbeitsplatz, „herrlich“, sagt Günter Hermans. „Ja, es ist ein
Paradies, allerdings eins, in dem die Sieben-Tage-Woche gilt.“
Pause muss sein: Auf ihrem Hof arbeiten die Hermans rund um die Uhr. „Aber im Alter geht alles langsamer“, sagen die beiden. Bis 2019 haben sie ihre Keramik auch auf Märkten verkauft. „Davon haben wir uns schweren Herzens verabschiedet.“
Glücksgriff auf dem Land: Ende der siebziger Jahre wollten Niki und Günter Hermans von München nach Oberbayern ziehen. Doch Immobilien waren dort damals schon teuer. „Selbst für Häuser mit kaputtem Dach wurden verrückte Preise verlangt“, erinnert sich das Ehepaar.
Tierische Mitbewohner: Auf dem Hof der Keramikkünstler lebt nicht nur Dohle Caruso, die Günter aufgezogen hat. Unter anderem gehören auch zwei ungarische Zackelschafböcke und die Enten zum Hausstand.
Jahrzehntelange Erfahrung: Für die Gefäße verwenden die beiden Keramiker Ton aus dem Westerwald. Die Umgebung auf dem Land präge ihre Arbeit, sowohl die Formen als auch die Farben der Glasuren, sagen sie.
Am Ende stehen Kunstwerke: In der einstigen Scheune ihres Dreiseithofs haben die Hermans ihre ideale Werkstatt gefunden. Hier experimentieren sie seit Jahrzehnten mit der Ton- wie Glasurzusammensetzung. Das ist aufwändig und braucht Zeit. Der Lohn sind besondere Stücke.