Reform des Urheberrechts :
Uploadfilter sorgen für Proteststurm über Parteigrenzen hinweg

Von Hendrik Wieduwilt, Berlin
Lesezeit: 3 Min.
Lassen sich einige Inhalte demnächst gar nicht mehr ins Netz hochladen?
Vorbereitung zur Zensur oder notwendige Sicherheitsmaßnahme? Uploadfilter spalten Rechts- und Digitalpolitiker. Und zwar über Parteigrenzen hinweg. Mit einem Brief kommt es nun zum Eklat.

Die umstrittenen Pläne der EU-Kommission für Inhaltsfilter im Internet spalten die Regierungsparteien. Mehrere Politiker aus CDU, CSU, SPD und FDP, darunter auch die Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU), warnen in einem der F.A.Z. vorliegenden Brief an die deutschen Europaabgeordneten (hier zu lesen) vor den Gefahren für die Meinungsfreiheit. Damit bricht offener Streit unter und innerhalb der Regierungsparteien aus. Eine SPD-Digitalpolitikerin fordert sogar die Entlassung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).

Bei dem Konflikt geht es um so genannte Uploadfilter und ein neues Recht für Presseverlage. Am Donnerstag steht dazu eine weichenstellende Abstimmung im Europaparlament an. Plattformen wie Google oder Facebook werden durch die vorgeschlagenen Maßnahmen gedrängt, automatisiert geschützte Inhalte zu entdecken und zu blockieren. Bürgerrechtsparteien, Verbände, Verbraucherschützer und die Wikipedia-Betreiber warnen seit Wochen vor ungewollten Blockaden und einer „Zensurinfrastruktur”. Internetanbieter wie Google und Facebook scheuen die Kosten. Das neue Verlagsrecht wiederum soll Internetgiganten wie Google und Facebook zu einer höheren Vergütung für journalistische Inhalte drängen. Kritiker befürchten Haftung für Links und Hürden für Start-ups in Europa.

Die Unterzeichner bitten die Abgeordneten um ein Votum gegen die geplante Urheberrechtsreform. Sie repräsentieren die Vereine CNetz, CSUnet, D64 und Load, den jeweiligen Parteien nahestehende Organisationen, die sich mit Digitalpolitik auseinandersetzen. Viele, aber nicht alle Mitglieder sind auch Mitglied der jeweiligen Partei.

Mit den Regeln würden Filtermechanismen eingeführt, die für die Allgemeinheit nicht nachvollziehbar seien und mit denen „missliebige Meinungsäußerungen unerkannt aus den Plattformen verbannt werden können“, heißt es in dem Brief. Der Schutz des Urheberrechts und eine Ertragsbeteiligung von Journalisten seien „wichtige Anliegen“, allerdings würden Instrumente wie Uploadfilter und Leistungsschutzrecht „diese Ziele nicht nur verfehlen, sondern zudem enorme Kollateralschäden mit sich bringen, vor denen wir nachdrücklich warnen“. Riedel warnt, die Maßnahmen würden nicht nur die Meinungsfreiheit einschränken, sondern „auch dem Verdruss auf Europa immensen Vorschub leisten“.

Die Große Koalition „hält sich nicht an den Koalitionsvertrag”, meint der FDP-Digitalpolitiker Jimmy Schulz. Dort hatte die Koalition Uploadfilter als „unverhältnismäßig“ abgelehnt. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hatte diese Haltung allerdings kürzlich relativiert: Die Bundesregierung sei bereit, über Uploadfilter zu sprechen, wenn diese „erforderlich und verhältnismäßig” seien, sagte eine Sprecherin kürzlich.

Für Empörung sorgt nun auch ein Teil der Abschlusserklärung des EU-Gipfels zur Asylpolitik vom Donnerstag: In diese habe das Bundesinnenministerium entgegen der Beschlusslage im Koalitionsvertrag einen Passus verhandelt, der die Filtermaßnahmen befürworte, sagt Thomas Jarzombek (CDU). Ihn mache das „fassungslos“. „Der Koalitionsvertrag gilt, daran müssen sich alle beteiligten Stellen halten”, sagt der Politiker der F.A.Z.: „Dass Regierungsvertreter solche Dinge durchgehen lassen, ist inakzeptabel.“

Harsche Kritik übt auch die SPD: Die Digitalpolitikerin Saskia Esken schreibt: „Einen Minister, der auf EU-Ebene entgegen des Koalitionsvertrags handelt, muss die Bundeskanzlerin entlassen.“ Hintergrund der umstrittenen Passage ist allerdings nicht das Urheberrecht, sondern eine Vorlage der EU-Kommission zur Bekämpfung von terroristischen Inhalten, für die allerdings ebenfalls Uploadfilter eingesetzt werden. In der Erklärung „begrüßt“ die Bundesregierung die Vorschläge der Kommission, um „Hass und Terrorattentaten“ zu entdecken und zu entfernen.

Die Digitalpolitik und insbesondere das Urheberrecht spalten seit vielen Jahren die klassischen Parteien. Rechtspolitiker vor allem aus der CDU befürworten die von der EU-Kommission geplante Urheberrechtsreform. Ihnen weht nun der Wind auch aus den eigenen Reihen entgegen.