Abgerissen
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Abgerissen

Abgerissen
„Abgerissen“ // Deutschland-Start: 29. November 2019 (DVD/Blu-ray)

Fünf Freunde, die gemeinsam zu Silvester die Idee gefasst haben das neue Jahr auf dem Gipfel eines Berges zu verbringen, machen sich bestens ausgerüstet mit Sekt, Raketen und einem Weihnachtsbaum auf den Weg mit einer Seilbahn zur Bergspitze zu fahren. Angekommen im Maschinenhaus, kann es für die Fünf gleich losgehen, doch vermisst einer von ihnen plötzlich seine Tasche. Nach einigen Diskussionen über die Wichtigkeit dieser beschließen die vier Anderen, einfach ohne ihn loszufahren, um keine weitere Zeit zu vertrödeln. Ein Glück für den allein Zurückgelassenen, denn auf halbem Weg gibt es plötzlich einen Stromausfall und die Gondel kommt zum Stehen. In der Hoffnung auf baldige Hilfe, lassen sich die Vier ihren Silvesterabend dadurch nicht vermiesen und beginnen ihre Jahreswechselfeier schon auf engstem Raum. Nachdem sie jedoch die gesamte Nacht in der kalten Gondel verbringen mussten, steigt die Unsicherheit und Angst, da ihre Rettung weiter auf sich warten lässt. Je länger sie warten müssen, je angespannter wird die Situation. Wird die Hilfe rechtzeitig eintreffen oder müssen sie elendig erfrieren? Und warum sucht eigentlich niemand nach ihnen?

Unwissenheit als wesentlicher Erfolgsfaktor
Nach Filmen wie Seilbahn in den Tod und Frozen – Eiskalter Abgrund erscheint nun Abgerissen als russische Antwort auf diese amerikanischen Produktionen. Mit einem ausgesprochen kleinen Team hat Debütregisseur Tigran Sahakyan dieses Projekt realisieren können. Doch nicht nur für ihn sind Langfilme ein neues Spektrum in der persönlichen Vita, auch die wenigen Darsteller haben bisher kaum bis gar keine Vorerfahrung sammeln können. Dafür jedoch können alle Beteiligten mit Unvoreingenommenheit und cineastischer Unschuld aufwarten, was nicht unbedingt ein Nachteil sein muss, da dadurch neue und kreative Ideen sowie frischer Wind in ein langweiliges, alteingesessenes Genre gebracht werden kann.

In diesem Fall trifft dies auch tatsächlich zu, denn obwohl schon von der ersten Sekunde der gesamte Plot klar zu sein scheint, liefert Abgerissen doch immer wieder kleinere Überraschungen. Während viele vergleichbare Katastrophenfilme immer wieder ein Resultat unlogischer Handlungen oder irrsinniger Begebenheiten sind, versucht sich dieses Werk tatsächlich in den meisten Szenen ernst zu nehmen und die unterschiedlichsten Ereignisse simpel, aber eben auch sinnvoll zu erläutern. Sowohl die Taten der Figuren sind im Wesentlichen schlüssig als auch die unvorhersehbaren Naturereignisse und Unfälle. Und nicht nur, dass merkbar ist, dass sich jemand Gedanken gemacht hat, man hat sich auch Mühe gegeben, mit einfachsten und kostengünstigsten Mitteln ein glaubhaftes Setting zu kreieren. Selbst amateurhaft gestaltete Effekte hinterlassen immer noch einen deutlich ansehnlicheren Eindruck als zuletzt viele der großen Hollywood-Blockbuster.

Unerwartete Tiefgründigkeit
Neben der wenig überraschenden Hauptstory, die eindeutig dem klassischen Katastrophenfilm zuzuordnen ist, entwickelt sich vor allem zum Ende hin ein wirklich spannender Part. Während die Kombination aus enormer Kälte, eingesperrt sein auf engstem Raum, Nahrungsmangel und Ungewissheit, wie es weiter gehen soll, stetig mehr an den Freunden nagt, ist der baldige Eklat vorprogrammiert und liefert nur wenige Überraschungen. Spätestens hier werden auch die laienhaften Darsteller entlarvt, die sehr unterschiedlich stark die aufkommende Konfliktsituation präsentieren. Nachdem diese jedoch schon ungewöhnlich früh im Film auftritt, überrascht der Film mit einer enormen Kehrtwende und einer tiefgründigen Charakterstudie, die gefühlt die Hälfte der gesamten Spielzeit ausmacht. Diese hätte zwar noch deutlich vertieft werden können, doch erkannte hier das Produktionsteam wohl auch die eigenen Grenzen der persönlichen Fähigkeiten und beschloss völlig zurecht an einem gewissen Punkt, die Handlung doch lieber frühzeitig zu beenden, bevor man sich in den völligen Trash verrennt.

Gleich dreifach nimmt Abgerissen die amerikanische Art Katastrophenfilme zu produzieren aufs Korn und provoziert geschickt mit typischen hollywoodartigen Twists, die kurz darauf gekonnt aufgelöst werden und somit gerade noch den Bogen schaffen, die derzeitig entwickelte Begeisterung für den Film beim Zuschauer beizubehalten.



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Ganz ohne Frage ist „Abgerissen“ kein Meisterwerk seiner Kunst. Deutlich merkt man den Darstellern die fehlende Souveränität an, trotz charmanter Ideen ist und bleibt dies ein Katastrophenfilm, der als solcher schon die Realitätsgrenzen sehr ausreizt. Doch das Wichtigste ist wohl, dass es das gesamte Team geschafft hat auch in dieser Sparte einmal zu überraschen und mit viel Engagement die richtigen Töne zu treffen.
6
von 10