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In Heinz Schenks Allerheiligstem

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Autogrammkarten, Fotos, ein Nummernschild, eine Single und andere Erinnerungsstücke liegen auf einem Haufen.
Autogrammkarten, Fotos, ein Nummernschild, eine Single und andere Erinnerungsstücke liegen auf einem Haufen. © Andreas Arnold (dpa)

Hunderte kamen zur Versteigerung im Privathaus des "Blauen Bock"-Moderators - wir waren dabei, als der Nachlass des babbelnden Kellners unter den Hammer kam.

Der Kaffee ist fertig. Ein paar Stufen hoch, nach rechts, und man steht in der Küche von Heinz Schenk. Kaffeegeruch, eine geöffnete Milchtüte neben der eingeschalteten Kaffeemaschine, daneben Kaffeetasse, Spülmittel, Handtuch. Geschirr. Auf dem Boden Kartons voller Küchengeräte und hessischer Kochbücher.

Es sieht nach Umzug aus – aber kein Bewohner ist da. Dafür 300, 400 andere Menschen, die Schenk nicht eingeladen hat. Eine Rentnerin schaut sich um: „Also schön gewohnt hat er ja schon – muss man sagen.“ Das haben sie sehen wollen, das Haus vom Moderator des „Blauen Bocks“. Letzte Gelegenheit, dem Show-Hessen nachzuspüren. Dass Schenk verfügt hat, dass nach seinem Ableben alles zugunsten einer Stiftung für junge Unterhaltungskünstler versteigert werden soll, findet die Dame gut. Aber ob die Versteigerung unbedingt hier im Privathaus in Wiesbaden-Naurod sein müsse? Trotzdem ist sie da.

hr-Moderator Holger Weinert kann sich kaum vorstellen, dass die Auktion im Privathaus in Schenks Sinne gewesen wäre, „gerade weil er ja Leute, die er nicht gut kannte, nur sehr ungern in sein Haus gelassen hat“. Schenk würde sich vermutlich wenige Meter entfernt auf dem Friedhof im Grabe herumdrehen, wenn er davon wüsste.

Nur Barzahlung

Aber die Strategie des Auktionators geht auf. Die Gelegenheit, Einblick in die Privatsphäre Schenks zu nehmen, lassen sich viele nicht entgehen. Und viele besorgen sich dann doch noch ein Bieterkärtchen für 10 Euro, die ursprünglich gar nichts erstehen wollten. In der Durchreiche der Küche steht jetzt eine elektronische Kasse. Zahlung nur bar. An den Wänden des Hauses kleben Aufkleber vom Auktionator, daneben Werbezettel vom Caterer, der im Garten ein Buffet mit Mozzarella-Tomaten und Fingerfood aufbaut: „Genuss nach Maß.“ In der Bibliothek zieht ein Mann ein Buch aus der Schrankwand und liest laut den Titel vor: „Das sexuelle Erleben der Frau.“ In der Essecke auf dem Tisch liegen die Taschenuhren, die Schenk gesammelt hat, aufgefädelt auf einem Drahtseil, eine Security-Frau in Schwarz wacht darüber.

„Ich habe in der Zeitung gelesen, dass auch private Fotoalben ersteigert werden. Also ich weiß ja nicht ...“, raunt eine Frau ihrem Mann zu. 4000 Euro werden am Ende alleine für Fotokisten bezahlt. Notenblätter und private Unterlagen stapeln sich in Plastikkisten. Aus einer steht ein Textblatt hervor überschrieben mit „Aus dem Wunderland der Märchen“. Daneben hat Schenk einen Stempel gesetzt: „Persönliche Information – nicht zur Veröffentlichung.“

Im Schwimmbad bewundert ein Fliesenleger die Mosaik-Arbeit: „Das ist schon was.“ Sauna, Dusche, Solarium, Wandfön. „Also, dass der so was hier hat, das hätte ich nicht gedacht“, platzt es aus einer Frau heraus. Davor stehen auch lauter Dinge, die jetzt unter den Hammer kommen. Zwei Pilotenkoffer mit Aufklebern aus aller Welt erzählen von Schenks Reisen. Daneben der Rollstuhl erzählt von Altern und Krankheit.

Schenk starb vor zwei Jahren, fünf Monate nach seiner Frau Gerti in demselben kleinen Zimmer im Erdgeschoss. Dort steht jetzt eine Frau und sinniert über die Verwendungsmöglichkeit einer Stehlampe, den Auktionskatalog auf der Hand.

„Ist das ein echter Dali“, fragt ein Mann und deutet auf den vierstelligen Gebotsvorschlag auf dem Klebezettel am Rahmen. Im Badezimmer nebendran mit dem breiten Spiegel über den beiden grünen Waschbecken bleibt niemand lange. Die meisten sind unsentimental. Aber hier, neben der Dusche mit Blick auf das Aftershave des Moderators und Entertainers wird vielen vielleicht doch wieder gegenwärtig, wo sie sich befinden. Der Spiegel, in dem man sich sieht, hat jahrzehntelang Morgen für Morgen das Bildnis von Heinz Schenk wiedergegeben.

In Keller ist das Allerheiligste. Im Partyraum stehen die blauen Bembel von unterschiedlichsten Shows. Nebenan das riesige Tonstudio mit Schneideplatz, Tausende von DVDs, CDs und Schallplatten, Fotos von prominenten Kollegen mit Widmung, ein großes Sofa. „Man darf sich hier draufsetzen, ich habe gefragt“, sagt eine betagte Dame, die im engen Gewühl nicht mehr stehen kann. Die Besucher forsten alles durch. Nur die beiden Bambis dürfen sie nicht anfassen, die Security muss immer wieder ermahnen. Fans beteuern vor laufenden Kameras und dicken Mikrofonen von Fernseh- und Radioteams, wie groß ihre Bewunderung für Schenk sei, und erzählen, was sie gerne ersteigern möchten: Platten, Bembel, Bilder, Autogrammkarten, die dunkle Massivholz-Küche – die am Ende für 200 Euro weggeht.

Die Wand im Gang ist gepflastert mit Fotografien von Schenk in unterschiedlichen Rollen: als Fernsehmoderator ebenso wie als Datterich. Von dort aus scheint Schenk jenen in den Nacken zu schauen, die die Türen der Schrankwand gegenüber öffnen, um festzustellen, dass nichts darin ist. Der Auktionator hat alles leer geräumt. Kleidung ist nirgends zu sehen.

Gebote aus dem Garten

Auf dem Dachboden das typische Bild: Regale, ausgediente Staubsauger, Lichterketten Weihnachtsdosen, Sparschwein, Insektenspray, Taucherbrille . . . Gegen 11 Uhr sammeln sich die Bieter im Wohnzimmer, wo Heinz Schenk und seine Gerti auf dem beigefarbenen Sofa gesessen und Fernsehen geschaut haben. Gleich werden dort die Versteigerungsobjekte auf der Mattscheibe eingeblendet. Menschen sitzen auf dem Perserteppich auf dem Boden. Es ist eng. Viele stehen draußen im Garten, bieten von dort aus mit. Eine Blondine steckt sich eine Zigarette an und ascht auf die Terrasse.

hr-Moderator Holger Weinert stimmt leise das Schenk-Lied an: „Es ist alles nur geliehen, hier auf dieser schönen Welt, es ist alles nur geliehen, aller Reichtum, alles Geld.“ Bis 18 Uhr dauert die Versteigerung, dann sind 80 000 Euro in der Kasse. Danach sind alle Dinge in alle Welt verstreut, auch nach Japan und Amerika, woher vorweg schon Gebote eingereicht worden waren. „Das Haus wird abgerissen“, sagte ein Mann und schüttelt den Kopf: „Da sieht man mal, was bleibt. Nix nämlich.“

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