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Weil er morsche Bäume fällte: Gärtner muss sich mit Umweltamt herumärgern

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Die ersten Blüten sind aufgebrochen, die Bienen summen schon. Doch Richard Müller brummt der Kopf wegen des Ärgers mit der Unteren Naturschutzbehörde: Geht es nach ihr, müssen die Bienenkästen weg.
Die ersten Blüten sind aufgebrochen, die Bienen summen schon. Doch Richard Müller brummt der Kopf wegen des Ärgers mit der Unteren Naturschutzbehörde: Geht es nach ihr, müssen die Bienenkästen weg. © Maik Reuß

Weil er auf seiner gepflegten Streuobstwiese im Schwanheimer Unterfeld zwei morsche Obstbäume durch neue, artgerechte ersetzt und zwei Bienenkästen aufgestellt hat, muss sich der Schwanheimer Richard Müller mit dem Umweltamt herumärgern. Dort fühlt man sich aber für Bienen nicht zuständig und verweist auf das Schutzgebiet.

Richard Müller kann es nicht fassen. Das Schwanheimer Urgestein, „Bürgermeister“ der Schrimpegass’, ist schockiert. Der Mann, der seit Jahrzehnten im Schwanheimer Unterfeld eine große Streuobstwiese hegt und pflegt und selbst bei Rundgängen des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) als leuchtendes Beispiel hervorgehoben wird, hat wegen „Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz“ Post von der Unteren Naturschutzbehörde bekommen. Die sitzt im städtischen Umweltamt und wirft ihm vor, auf seiner Liegenschaft in der Feldgemarkung „Auf dem Bohnenweg“ zwei Bäume gefällt und zwei Bienenkästen aufgestellt zu haben: „Nach dem Bundesnaturschutzgesetz stellen solche Handlungen, die das Landschaftsbild dauerhaft nachhaltig negativ beeinträchtigen, sogenannte Eingriffe in Natur und Landschaft dar“, heißt es dazu aus dem Amt.

Es waren zwei alte, morsche Obstbäume, die Müller und sein Sohn gefällt haben. Ersatz haben sie besorgt: „Zur Pflege einer Streuobstwiese gehört es, dass man die Bäume erneuert, wenn sie morsch sind“, sagt er und schaut über die Baumreihen: Äpfel und Mirabellen wachsen auf dem Grundstück; bei den Äpfeln legt Müller wert auf alte Sorten wie den Rheinischen Bohnapfel oder die Schafsnase. Direkt angrenzend liegt ein Streifen städtische Streuobstwiese, die er drei, vier Mal im Jahr mäht – und damit pflegt, damit sein Grundstück nicht zuwuchert wie viele andere. Die meisten städtischen Grundstücke im Umfeld, die kein freundlicher Nachbar pflegt, sind längst von Brombeerhecken zugewuchert.

„Amtsschimmel wiehert“

Dass Müller zwei hölzerne Bienenkästen aufgestellt hat, damit die Blüten der Obstbäume bestäubt werden, sieht das Umweltamt als „Errichten einer baulichen Anlage“, was im Naturschutzgebiet einer Genehmigung bedürfe. Die Genehmigung, so heißt es, könne „nur erteilt werden, wenn die Maßnahme den Charakter des Gebietes nicht verändert, das Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird“. Müller schüttelt nur traurig den Kopf: „Da wiehert doch der Amtsschimmel . . .“

Das sieht man im Umweltamt natürlich anders. „Das Gebiet ist aus gutem Grund besonders geschützt“, sagt Sprecher Martin Müller über das Landschaftsschutzgebiet. Dies bedeute: Man dürfe erst einmal gar nichts. „Zur Baumfällung hätte er einen Antrag stellen müssen.“ Da dies nicht geschah, könne es nun ein Ordnungswidrigkeitsverfahren geben. Noch komplizierter wird es, wenn die Bienenkästen ins Spiel kommen. Dabei sei die Stadt nur ausführendes Organ des Regierungspräsidiums Darmstadt (RP). „Dort ist man zu dieser Einschätzung gekommen“, sagt Müller.

Arnold Weber, ehemaliger Stadtverordneter der SPD aus Schwanheim und regelmäßiger Fahrradfahrer im Unterfeld, kann es nicht fassen: „Das versteht kein normaler Mensch. Herr Müller hegt und pflegt sein Gelände im Schwanheimer Unterfeld wie kein anderer.“ Dass es Probleme mit Bienenkästen gibt, ist für ihn unverständlich. Jeder wisse, dass die Imker immer mehr Verluste bei ihren Bienenvölkern beklagten, die Zahl der Bienen wegen Erkrankungen immer weiter zurückgeht. „Eigentlich müsste Bienenzucht doch gefördert werden.“ Zumal die Kästen auf Müllers Grundstück einem registrierten Imker gehörten.

Bäume sterben ab

Dass Müller alte, abgestorbene Bäume fachgerecht gegen neue ersetzt, diene der Pflege des Landschaftsschutzgebiets: „Es ist zu sehen, dass viele Obstbäume im Unterfeld nicht mehr tragen und zunehmend absterben“, moniert Weber. Familie Müller habe bisher alle alten Bäume durch neue ersetzt. Das sei „ein unschätzbarer Beitrag zum Erhalt von Streuobstwiesen im Naturschutzgebiet.“

Müller hat beobachtet, dass sich mehr und mehr Grundstückseigentümer aus dem Unterfeld zurückgezogen haben, seit die angrenzende Schwanheimer Düne 1984 unter Naturschutz gestellt wurde. Seitdem habe auch niemand mehr einen Baum gepflanzt. Die Bestände auf den Streuobstwiesen seien überaltert: „Es ist vorauszusehen, dass das Naturschutzgebiet bald nur noch aus abgestorbenen Bäumen und Brombeerhecken besteht.“

Dass das Umweltamt nun ausgerechnet Richard Müller am Kanthaken hat, will Weber nicht akzeptieren: „Wenn es Leute gibt, die den Naturschutzgedanken hochhalten und das Schwanheimer Unterfeld schützen, dann ist es die Familie Müller. Gärten, die durch städtischen Beschluss einstmals geräumt werden mussten und Gelände, die der Stadt gehören, sind zu einem großen Teil verwahrlost und sogar vermüllt. Die einstigen Gärtner sorgten für ein ordentliches Landschaftsbild und achteten auch darauf, dass auch in der Nachbarschaft Unrat vermieden wurde.“

Farbmischer entdeckt

Er hat bei seinen Touren durchs Unterfeld viele Fotos von überwucherten Gärten, verwahrlosten Flächen und Müllablagerungen angefertigt. Nicht weit von der verlängerten Leunastraße hat er einen kompletten Farbmischer entdeckt, wie er im Baumarkt benutzt wird, um Farbe auf Kundenwunsch anzurühren. Weber ist sauer: „Natürlich weiß ich auch, dass die Untere Naturschutzbehörde dagegen kaum ankommt, aber man sollte nicht die Bürger wie die Müllers anmahnen, weil sie das Unterfeld so schützenswert halten wie die Untere Naturschutzbehörde selbst es tun sollte.“ Die Vermüllung sei offensichtlich weniger störend als zwei aufgestellte Bienenstöcke.

Der ehemalige Kommunalpolitiker hat seine aktiven Stadtverordneten-Kollegen aus der SPD angeschrieben und sie gebeten, die Verantwortlichen zu einer Ortsbegehung zu verpflichten: „Damit erkennbar wird, wo dem Naturschutzgedanken Rechnung getragen wird und wo er missachtet wird“, sagt Weber.

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