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Wetterau: Party Rent verbucht Riesenverluste – „Es geht ums Überleben“

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Unmittelbar an der A5 hat sich 2009 die Firma Party Rent angesiedelt. Nach einer Phase stetigen Wachstums ist das Unternehmen durch Corona in eine tiefe Krise gestürzt worden.
Unmittelbar an der A5 hat sich 2009 die Firma Party Rent angesiedelt. Nach einer Phase stetigen Wachstums ist das Unternehmen durch Corona in eine tiefe Krise gestürzt worden. © Nicole Merz

Normalerweise läuft das Geschäft der Party Rent GmbH in Ober-Mörlen auf Hochtouren. Doch in Corona-Zeiten sieht die wirtschaftliche Lage extrem düster aus. Es geht ums Überleben.

Ober-Mörlen - Seit Christian Eichenberger vor 15 Jahren die Party Rent Frankfurt GmbH gegründet hat, ging es für das Unternehmen stets bergauf. Der Chef berichtet von 10- bis 15-prozentigen Wachstumsraten pro Jahr. »Unsere Gruppe ist mit Abstand der größte Veranstaltungsausstatter in Deutschland, vermutlich der größte in Europa. Weltwirtschaftsgipfel, Weltklimagipfel, Eurovision Song Contest, Frankfurter Buchmesse oder DTM - all diese Events beliefern wir«, sagt der Manager. Doch im März 2020 flog die heile Firmenwelt plötzlich auseinander, wegen Corona hagelte es Stornierungen, die Erlöse schrumpften rasant: »Als hätte jemand den Stecker gezogen.«

2020 musste Party Rent einen Umsatzverlust von gut 85 Prozent verkraften, im gerade abgelaufenen Jahr waren es 75 Prozent. Nach Pandemie-Beginn legte Eichenbergers Team einen Krisenplan auf. »Wir haben die Lkw-Flotte stillgelegt, Versicherungen abgemeldet und die Heizung ausgestellt. Dadurch wurden die monatlichen Fixkosten von 1 Million Euro halbiert.« Für alle Beschäftigten wurde Kurzarbeit angemeldet. Glücklicherweise hatte der Geschäftsführer Geld zurückgelegt, auf das die Firma zurückgreifen kann. »Ohne Rücklagen gäbe es uns längst nicht mehr«, betont Eichenberger. Zwei große Konkurrenten hätten wegen Corona aufgeben müssen.

Party Rent Ober-Mörlen (Wetterau): Monatelang kaum staatliche Unterstützung

Auf nennenswerte staatliche Hilfe musste die Veranstaltungsbranche - immerhin der sechstgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland - lange warten. Laut Eichenberger flossen für Party Rent bis in den Spätherbst 2020 nur 50.000 Euro im Monat. Seitdem trägt der Bund 70 Prozent der Fixkosten. Im Frühsommer 2021 schien es endlich aufwärts zu gehen. Erste Messen, Kongresse und andere Großevents, mit denen Party Rent den Großteil seines Umsatzes macht, konnten mit 3G-Regeln starten. Beim Unternehmen angestellte Experten für Hygiene im Veranstaltungswesen entwickelten maßgeschneiderte Konzepte. Doch als sich die Delta-Variante durchsetzte, war das kurze Hoch vorbei.

»2G- oder 2G plus-Regeln sind ein faktisches Verbot großer Veranstaltungen«, sagt der Eventmanager. Gerade zu Messen oder Kongressen reisten Teilnehmer aus aller Herren Länder an. Diese ausländischen Geschäftsleute oder Künstler seien aber oft nicht mit in der EU zugelassenen Impfstoffen immunisiert und blieben deshalb daheim. Erneut seien zahlreiche Events abgesagt worden. Wieder seien umfangreiche Vorbereitungsarbeiten von Party Rent umsonst erledigt worden. Eichenberger: »Gesundheitsminister Spahn hat Großveranstaltungen pauschal als Superspreader-Events stigmatisiert.«

Veranstaltungsausstatter Party Rent in Ober-Mörlen (Wetterau): Belegschaft halbiert

Das Veranstaltungswesen leide am längsten und härtesten unter Corona, habe zum Schutz der Bevölkerung auf Millionen-Umsätze verzichtet. Angesichts dieser enormen Belastung drohe diese deutsche Branche ihre Position an der Weltspitze zu verlieren. Neben Party Rent gebe es in der Wetterau andere führende Firmen, die betroffen seien.

Die seit 22 Monaten andauernde Krise hat enorme Auswirkungen auf die Belegschaft. In Ober-Mörlen beschäftigte die Firma bis Anfang 2020 etwa 250 Mitarbeiter, heute sind es noch knapp 120. »Viele sind zu mir gekommen, weil das Kurzarbeitergeld nicht reicht, um die Raten fürs Haus zu bezahlen. Sie haben sich neue Jobs gesucht, etwa in der Baubranche«, berichtet Eichenberger. Von der Krise betroffen seien auch Zuliefererbetriebe.

Corona in der Veranstaltungsbranche (Wetterau): Kein Vertrauen in die Zukunft mehr

Wer noch in der Branche tätig sei, verliere Vertrauen in die Zukunft, reagiere demoralisiert auf ständige Rückschläge. Der Party-Rent-Chef fordert deshalb eine langfristige Strategie der Politik und ein Ende der »Salami-Taktik«. Es bereite ihm schlaflose Nächte, wenn die Politik alle drei Monate neu über die Verlängerung von Kurzarbeitergeld und Hilfsprogrammen diskutiere.

Notwendig sei ein differenziertes Konzept mit 3G-Regeln (inklusive PCR-Tests), um Großveranstaltungen in der Pandemie zu ermöglichen. Grundrechtseingriffe wie in die Freiheit der Berufswahl oder das Privatvermögen könnten nicht endlos hingenommen werden.

Wie die Zukunft seiner Firma aussieht, kann Eichenberger im Augenblick nicht sagen. »Die Auftragslage für den Sommer und Herbst 2022 sieht sehr gut aus. Aber das ist alles auf Sand gebaut, weil niemand weiß, wie es mit Corona weitergeht.« (bk)

Forderung nach »Marshallplan«

Christian Eichenberger engagiert sich nicht nur für das Überleben seiner Party Rent Frankfurt GmbH in Ober-Mörlen, sondern darüber hinaus für das gesamte Veranstaltungswesen. Die Branche machte vor Corona einen Jahresumsatz von 81 Milliarden Euro, weitere Erlöse in Höhe von 50 Milliarden werden im Umfeld dieses Wirtschaftszweigs erzielt, etwa von Taxi-Firmen. Rund 1,1 Millionen Erwerbstätige sind direkt in den 240 000 mittelständisch geprägten Event-Unternehmen tätig, darunter viele Solo-Selbstständige. Insgesamt sind 2 Millionen Arbeitsplätze von der Branche abhängig.

Im Frühsommer 2020 gehörte Eichenberger zu den Gründern der Aktion »Alarmstufe Rot«, zu der sich 25 Berufsverbände des Veranstaltungswesens zusammengeschlossen haben. Die Öffentlichkeit wurde über die Nöte der Branche informiert, es kam zu Demonstrationen. Im Oktober 2020 wurde der Unternehmer aus Ober-Mörlen als einer der Sprecher von »Alarmstufe Rot« und der Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft vom damaligen Finanzminister Olaf Scholz zu einem längeren Gespräch empfangen. Danach beschlossen Bundesregierung und Ministerpräsidenten das große Hilfsprogramm für betroffene Unternehmen.

Diese Programme und das Kurzarbeitergeld müssen nach Ansicht von Eichenberger und seiner Kollegen sechs Monate über das Pandemie-Ende hinaus erhalten bleiben. Wenn die Corona-Restriktionen endgültig aufgehoben werden, dauere es nämlich geraume Zeit, bis erste Veranstaltungen angeboten werden könnten. Zudem müsse es zusätzliche finanzielle Hilfen für die Wiedereingliederung ehemaliger Mitarbeiter und für Beschäftigte in Kurzarbeit geben. Eichenberger: »Wir benötigen eine Art Marshallplan für die Veranstaltungswirtschaft

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