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Weirich am Montag: Edelreservist auf der Reservebank

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von Prof. Dr. Dieter Weirich
von Prof. Dr. Dieter Weirich © Eric Richard (priv.)

Im Fußball gibt es sogenannte „Edelreservisten“, also Auswechselspieler, die mit ihrer Durchschlagskraft ein schon verloren geglaubtes Spiel noch drehen können. Jetzt hat auch die Politik einen Edelreservisten, auf dessen Einwechslung viele in der Union hoffen.

Friedrich Merz sieht sich nach seiner knappen Niederlage um den CDU-Parteivorsitz gegen Annegret Kramp-Karrenbauer selbst auf der Wartebank. Er traue sich angesichts seiner „Erfahrungen in Wirtschaft und Politik ein Ministeramt“ zu, ließ er öffentlich wissen.

Die Hoffnungen manch eingefleischter „Merkelianer“, der ehemalige Bundestagsfraktionschef werde sich nach seinem hauchdünnen Scheitern wieder auf seine Aufgaben in der Wirtschaft zurückziehen, dürften sich nicht erfüllen. Merz, ein „political animal“, hat Blut geleckt. Mit ihm ist wieder zu rechnen.

Er spürt den starken Rückenwind in der Partei, die dringend wieder ein personelles Angebot mit Wirtschaftskompetenz benötigt.

Zwar ließ die Kanzlerin spröde verlauten, sie plane keine Kabinettsumbildung und ihre Vertraute Kramp-Karrenbauer ergänzte mit einem Anflug von Häme, sie habe beim letzten Kabinettsfrühstück die Vollzähligkeit der Ministermannschaft festgestellt, doch wird die Einheit der Partei und die Verbesserung ihrer Ausstrahlung nur mit einer engen Einbindung von Merz in die Führung der Union und in die Regierungsverantwortung zu erreichen sein.

Will Kramp-Karrenbauer Merkels Nachfolge als Kanzlerin antreten, sollte sie auf einen Wechsel an der Spitze der Regierung noch vor der Europawahl am 26.Mai dieses Jahres drängen und Merz als Zugewinn für eine neue Mannschaft präsentieren. Nur so wäre auch garantiert, dass sie mit einem Kanzlerinnen-Bonus in die Bundestagswahl 2021 geht. Der Zeitpunkt wäre auch deswegen günstig, weil ohnehin personelle Veränderungen im Kabinett anstehen.

Die SPD dürfte angesichts ihres Umfragetiefs kein Interesse an Neuwahlen haben und murrend einen Wechsel im Kanzleramt mittragen.

Ein eingebundener Merz ist für Kramp-Karrenbauer auch weit ungefährlicher als ein ihr im Nacken sitzender Freigeist, der nach ersten Wahlniederlagen in dem besonders schwierigen Jahr 2019 als neuer Heilsbringer gefordert würde. Noch längst ist nämlich nicht entschieden, wer die Unionsparteien in den nächsten Bundestagswahlkampf führt.

Das mit dem CDU-Vorsitz verbundene „erste Zugriffsrecht“ hält Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble nur für eine „gestanzte Formulierung“, EU-Kommissar Günther Oettinger sieht in Friedrich Merz weiterhin einen möglichen Kanzlerkandidaten und auch für CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus ist noch gar nichts entschieden.

Auch die CSU wird dabei noch ein Wörtchen mitzureden haben.

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