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  4. Kohlekonzern versprach Seenlandschaften - doch es blieben nur halbvolle Tümpel

Dieser Beitrag erschien durch Kooperation mit CORRECTIV
Teil 2 der großen Kohle-Recherche: Kohlekonzern versprach Seenlandschaften - doch es blieben nur halbvolle Tümpel
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Ehemaliger Braunkohletagebau in der Lausitz.
Getty Images/iStockphoto Ehemaliger Braunkohletagebau in der Lausitz.
Mittwoch, 20.12.2023, 11:38

Geheime Daten, Netzwerke in Wissenschaft und Politik und überforderte Behörden: Der Kohlekonzern Leag schafft es, sich Wasser für sein Geschäftsmodell zu sichern. Der Einfluss der Firma auf die Wasserversorgung der Region ist weit größer als der von Tesla. Lesen Sie hier Teil 2 der großen Kohle-Recherche.

In Teil 1 lasen Sie, welche Schritte der Kohlekonzern Leag unternimmt, um Wasser für seine Kohlegruben zu entnehmen - auf Kosten der Trinkwasserversorgung. Das geschieht unter anderem so:

  • Die Leag hat das Monopol über die erhobenen Daten zur Trinkwasserversorgung, weil sie immer wieder die gleichen Gutachter bestellen - Betroffene und Anwohner haben also kaum eine Chance nachzuweisen, dass ihr Trink- und Grundwasser verunreinigt ist.
  • Leag entnimmt außerdem mehr Wasser als eigentlich erlaubt ist - und das zuständige Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) kann nur zusehen. So ist ein Deifzit von sieben Milliarden Kubikmetern Wasser entstanden.
 

3. Das Netzwerk

Zu Hilfe kommt dem Leag-Konzern immer wieder ein Netzwerk aus Männern, das mit der Leag eng verflochten ist. Viele Protagonisten der Region treffen sich im Verein „Wasser-Cluster-Lausitz e.V.“. Dieser will sich laut eigener Aussage in die „Problemlösungen für die Lausitzer Wasserwirtschaft einbringen“. Gefördert wird das „Wasser-Cluster“ laut Website unter anderem vom LBGR. Vor allem aber dominiert hier ein Konzern: die Leag.

Im Wasser-Cluster ist zum Beispiel Thomas Koch Mitglied. Er ist Leiter des Geschäftsbereichs Ingenieurleistungen der GMB GmbH, einem 100-prozentigen Tochterunternehmen der Leag. Erster Vorsitzender des Vorstandes ist Ingolf Arnold. Er leitete bis 2020 die Abteilung Geotechnik bei der Leag.

Gegenüber CORRECTIV schreibt er, dass er die nötige Distanz zwischen Bergbaubetreiber, Politik, Behörden und Gutachtern gewahrt sieht, „schon allein deshalb, weil es den hier genannten Personen um die Sache geht und nicht darum, politisch zu punkten oder aber in den Medien gefeiert zu werden.“

Gutachter stellte Auswirkungen des Klimawandels in Frage

Neben den Beschäftigten der Leag sind beim „Wasser-Cluster Lausitz“ auch Gutachter vertreten, die im Auftrag der Leag den Lausitzer Datenschatz anhäufen. Da ist zum Beispiel Christoph Gerstgraser, der nicht nur an einem umstrittenen Bericht für das Umweltbundesamt mitarbeitete, sondern auf seiner Website auch die Leag als Auftraggeber aufführt. Seine Person ist doppelt auffällig: Bei einer Fachtagung 2021 stellte Gerstgraser die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels in Frage. Das ist besonders heikel für jemanden, der auch die Folgen der Klimakrise in seinen Berechnungen berücksichtigen muss. Auf CORRECTIV Anfrage wollte sich Gerstgraser nicht äußern. 

Ein weiterer Protagonist im „Wasser-Cluster“ ist Wilfried Uhlmann. Uhlmann betreibt in Dresden ein Ingenieurbüro, das Institut für Wasser und Boden. Seit Jahren erstellt er Gutachten zum Einfluss des Bergbaus auf die Wasserversorgung in der Lausitz. Er arbeitet sowohl für die Kontrollbehörde LBGR als auch für Leag und deren Vorgänger Vattenfall. Das ist in etwa so, als würde er Gutachten für den Tesla-Konzern und die Wasserbehörden gleichzeitig erstellen. Er sei aber, so versichert Uhlmann schriftlich, seinem „Berufsethos nach objektiv und unabhängig.“ Der Vorwurf der Befangenheit sei „abstrus“. 

Offene Braunkohlemine in der Niederlausitz.
Getty Images/fStop Offene Braunkohlemine in der Niederlausitz.

Verschlossene Dokumente der Leag: „Es gibt keine Veröffentlichungspflicht“

An Uhlmanns Arbeit vorbei zu kommen, ist in der Lausitz kaum möglich. In seiner schriftlichen Replik auf die CORRECTIV-Anfrage bezeugt Uhlmann seine Nähe zu den Behörden – er verweist auf Antworten des Umweltbundesamtes (UBA) und einer weiteren Behörde. Antworten aus dem direkten Schriftverkehr zwischen CORRECTIV und den Behörden, die er eigentlich nicht kennen dürfte. Offenbar hat ihn das staatliche UBA über die Presseanfrage auf dem Laufenden gehalten.

Diese Nähe zwischen Kontrollbehörden und Gutachtern ist typisch für den Kohlekonzern in der Lausitz. Immer wieder beziehen sich Genehmigungen und neuerliche Gutachten auf dieselben Berechnungen von Uhlmann. Weil er sie teilweise im Auftrag der Kohlekonzerne erstellte, sind nicht alle davon öffentlich einsehbar. Uhlmann findet die verschlossenen Dokumente und Daten der Leag nicht verwerflich. Es gebe keine Veröffentlichungspflicht. Es wäre das Gleiche, Journalistinnen aufzufordern, Informationen zu Blutdruck, Urinanalysen und psychischem Zustand zu veröffentlichen.

Die Kohle-Netzwerke in der Lausitz machen es Wissenschaftlern wie dem Forscherteam um Frei extrem schwer, sich ein unabhängiges Bild vom Wasserhaushalt in der Lausitz zu machen. Zum Vorteil der Leag.

4. Falsche Versprechen

Der Konzern ist so mächtig, dass er seit Jahren auch seine eigenen Versprechen brechen kann, ohne dafür belangt zu werden. Vor den Toren von Cottbus, dort, wo früher einmal im Tagebau Cottbus Nord nach Braunkohle gebaggert wurde, sollte schon längst der größte künstlich angelegte See Deutschlands entstehen. Info-Tafeln am Rande des Ufers, aber auch hauswandgroße Bilder in Cottbus versprechen eine Hafenlandschaft und Hotels mit Seenblick. Schon Mitte der 2020er-Jahre sollte er befüllt sein. Nun heißt es neuerdings, der Ostsee solle erst bis 2030 volllaufen. Ein Blick hinunter vom Aussichtsturm Merzdorf auf den Cottbuser Ostsee zeigt: Die ehemalige Grube ist lange nicht voll, die Flutung mit Spreewasser wurde mehrfach gestoppt – wegen Sanierungsarbeiten und weil das Wasserdefizit in der Region zu groß ist. 

Es ist nicht das einzige Versprechen: Auch in Welzow Süd und Nochten sollen quadratkilometergroße Löcher der ehemaligen Tagebaue der Leag mit Grundwasser gefüllt sein.

Schwierige Zukunft für die Wasserversorgung

Die Tage der Braunkohle in der Lausitz sind gezählt. Spätestens 2038 darf der fossile Brennstoff nicht mehr abgebaut werden. Neben leeren Grundwasserspeichern hinterlässt der Kohleabbau in der Region kilometerweite Gruben und verschmutztes Wasser. In den Trockenjahren 2018, 2019 und 2022 mussten die Wasserverluste in den Bergbaufolgeseen, also denen mit Wasser aufgefüllten Tagebau-Gruben, wegen hoher Verdunstung durch Wasser aus der Spree und Lausitzer Neiße ausgeglichen werden.Den Wasserhaushalt wieder so herzustellen, wie er vor dem Kohlebergbau war, wird lange dauern. Wenn es überhaupt gelingt. Lange heißt nicht nur wenige Jahre oder Jahrzehnte; in einem Planungsdokument zu dem Leag-Tagebau Nochten ist von technischen Nachsorgemaßnahmen im Wasserhaushalt bis ins Jahr 2150 die Rede.

 

Jeden Tag verliert Berlins Trinkwasserquelle vier Kubikmeter Wasser pro Sekunde

„Die Flutung der Kohlegruben wünscht sich vor allem der Bergbaubetreiber, denn es ist die billigste Art, die Flächen wieder zu renaturieren“, sagt Hannelore Wodtke. Seit 16 Jahren wohnt die Rentnerin neben dem Tagebau Welzow Süd. Als sie in die Kleinstadt in der Lausitz zog, konnte sie von ihrem Grundstück aus auf einen kleinen Tümpel schauen, in dem die Jungs aus ihrem Dorf angelten. Nun tut sich wenige hundert Meter von ihrem Haus entfernt der Schlund des Tagebaus auf. Wodtke hat Teile ihrer Familie umsiedeln sehen, Nachbardörfer verschwanden, Friedhöfe wurden abgebaggert.

Wodtke würde in Welzow gerne ein „Debakel wie beim Cottbuser Ostsee“ verhindern – aber nichts lässt darauf hoffen. Der See von Welzow könnte nach aktuellen Planungen sogar noch größer werden als der Ostsee. „Wo soll denn das ganze Wasser dafür herkommen?“, fragt Wodtke. Eine Antwort darauf gibt es nicht. Klar ist aber, dass aus der Spree, dieser für Berlins Trinkwasser so wichtige Fluss, aktuell knapp vier Kubikmeter Wasser pro Sekunde in den Cottbuser Ostsee fließt.

Und dass mit den zunehmend längeren Hitzeperioden durch die Klimakrise sehr viel Wasser aus den Seen unwiederbringlich verdunsten wird – und die Füllung möglicherweise nie vollendet werden kann. Die Leag räumt CORRECTIV gegenüber ein, dass sich „die Zeiträume für die Flutung der Bergbaufolgeseen im Falle häufig auftretender niedriger Wasserverfügbarkeit verlängern werden.“

5. Verdrehte Argumente

Nachdem der Bergbau der Leag und ihrer Vorgänger für ein Wasserdefizit von vier Milliarden Kubikmetern verantwortlich ist, soll die Hilfe nun von außen kommen.  Am besten mit Hilfe von Überleitern aus Flüssen wie der Oder, Neiße oder Spree. So schlägt es zumindest ein Bericht vor, der im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) erstellt wurde und im Juni 2023 erschien. Der Bericht heißt: „Wasserwirtschaftliche Folgen des Braunkohleausstiegs in der Lausitz“. Der BUND Sachsen und Brandenburger Umweltverbände kritisieren den Vorschlag einer Flussüberleitung im Bericht: Der Bau eines Überleiters würde weitere negative ökologische Folgen nach sich ziehen, außerdem seien die Folgen des Klimawandels bei der UBA-Studie nicht berücksichtigt worden.

Mitgeschrieben am Bericht hat unter anderem eine Tochterfirma der Leag, die GMB GmbH und Gutachter, die auch im „Wasser-Cluster-Lausitz“ auftauchen: Wilfried Uhlmann und Christoph Gerstgraser. Das Honorar für die Studie betrug laut UBA rund 435.000 Euro. Die Unabhängigkeit der Ergebnisse des Projektes, so das UBA weiter, sei durch die fachliche Begleitung im Umweltbundesamt selbst sichergestellt worden.

Der so wichtigen Frage darüber, wer die Kosten für die mögliche Flussüberleitung tragen soll, bleibt das Amt allerdings eine Antwort schuldig. Kosten und Kostentragung seien in der Studie nicht untersucht worden. Von einer möglichen Flussüberleitung könnte auch die Leag in Zukunft profitieren, aber auch „die gesamte Lausitz“. 

Wer für den Schaden aufkommt, ist unklar

Die Leag habe zu der Überleitung noch keine Planungen, teilt sie mit. Insofern weigern sich sowohl Behörden als auch der Kohlekonzern selbst, wichtige Zahlen für die Zukunft zu benennen: Wer trägt die Kosten für eine potenziell notwendige Leitung? Und wieviel Wasser wird die Leag künftig für ihre Kraftwerke nutzen wollen? Entscheidende Politiker der Region wollen offenbar, dass die Allgemeinheit die Kosten trägt.  Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Brandenburg, Wolfgang Roick, fände es „unfair“, wenn die Leag für die Leitung zahlen müsste. Immerhin sei der Kohleausstieg Wunsch der Gesellschaft gewesen. „Mit dem früheren Ausstieg berauben wir die Leag um mehrere Jahre, in der sie Gewinne hätte machen können“, sagt Roick gegenüber CORRECTIV. „Die Leag ist ein starkes Unternehmen vor Ort, ein lokaler Produzent.“ Laut Roick mache die Leag in puncto Sanierung  „was sie kann“. 

Nur aus der Grünen Partei kommen kritische Stimmen. Laut Bundestagsabgeordneten Bernhard Herrmann sei die größte Schadensbegrenzung letztendlich ein früherer Kohleausstieg. „Nach 2030 wird der Kohleabbau in Deutschland sowieso nicht mehr wirtschaftlich sein“, sagt er gegenüber CORRECTIV. „Je eher wir aus der Kohle aussteigen, desto kleiner wird auch der zu behebende Schaden im Wasserhaushalt sein.“ Ein früherer Kohleausstieg aber wird in keinem der Szenarien, in keinem der Gutachten besprochen.

Dieser Text ist Teil unserer Kooperation mit Correctiv. Den Originaltext lesen Sie hier .

Das Original zu diesem Beitrag "Kohlekonzern versprach Seenlandschaften - doch es blieben nur halbvolle Tümpel " stammt von CORRECTIV.

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