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Aufstieg der Rechtspopulisten: FOCUS online besucht AfD-Wähler - was sie uns erzählen, sollte Berlin aufrütteln
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„AfD“Björn Höcke, Fraktionschef der AfD Thüringen und Gründer des rechtsextremen AfD-Flügels
dpa Björn Höcke, AfD-Fraktionschef in Thüringen und Gründer des mittlerweile verbotenen rechtsextremen "AfD-Flügels"
  • FOCUS-online-Chefreporter

Die „Alternative für Deutschland“ feiert ein Umfragehoch nach dem anderen. Wie ist der Aufstieg der Rechtsaußen-Partei zu erklären? Welchen Anteil hat die Ampel am AfD-Erfolg? FOCUS online hörte sich im Land um. Besonders im Osten ist die Stimmung desaströs.

Zehn Jahre nach ihrer Gründung ist die „Alternative für Deutschland“ aus der politischen Landschaft nicht mehr wegzudenken. Im Bundestag bildet die AfD die zweitstärkste Oppositionskraft. Sie ist in 14 von 16 Landtagen vertreten (nur nicht in Bremen und Schleswig-Holstein) und sitzt in etlichen Kommunalparlamenten.

Mit Robert Sesselmann brachte die Partei kürzlich im thüringischen Sonneberg ihren ersten Landrat ins Amt, in Sachsen-Anhalt den ersten hauptamtlichen Bürgermeister. Aktuelle Umfragen sehen die AfD bundesweit bei 21 Prozent.

 
 
 

Neueste Umfragen sehen die AfD bundesweit bei 21 Prozent

Geht man – wie bei der letzten Bundestagswahl 2021 – von rund 61 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland aus, heißt das übersetzt:  Mehr als 12 Millionen Menschen würden der AfD derzeit ihre Stimme geben.

Der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg der Rechtsaußen-Partei scheint viele zu überraschen und, in noch größerem Maße, zu beunruhigen. Nach Sonneberg war von einem „Dammbruch“ die Rede, von einer „Zäsur“.

Auf die anhaltenden Erfolge der Partei um ihre Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla reagiert der politische Gegner meist nach dem gleichen Muster: mit Wählerbeschimpfungen, mit Verweisen auf das rassistische, antidemokratische, rechtsextremistische Wesen der Partei, mit Aus- und Abgrenzung, wo immer es geht.Nächster AfD-Landrat? Höcke-Vertrauter will mit knallhartem Asylkurs an die Macht

Stichwahl des Landrats im Landkreis Sonneberg
Martin Schutt/dpa Thüringens AfD-Chef Björn Höcke (links) und der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla gratulieren ihrem Parteifreund Robert Sesselmann nach dessen Wahl zum Landrat von Sonneberg.

Dass sie möglicherweise mitverantwortlich sind für den Höhenflug der AfD, kommt vielen Verantwortlichen der regierenden Ampel aus SPD, Grünen und FDP, aber auch der Union nicht in den Sinn.

Ausländer-, islam- und verfassungsfeindliche Einstellungen

Was klar auf der Hand liegt:

  • Die AfD ist mindestens in Teilen eine zutiefst menschenverachtende Partei, in der ausländer-, islam- und verfassungsfeindliche Einstellungen verankert sind und in der Hass und Hetze einen festen Platz haben.
  • Eine Partei, in der es laut Verfassungsschutz Kräfte gibt, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung überwinden wollen.
  • Eine Partei, in der mit Björn Höcke ein Mann die Strippen zieht, den man laut einem Gerichtsentscheid als „Faschist“ bezeichnen darf und dessen Immunität als Landtagsabgeordneter in Thüringen kürzlich aufgehoben wurde, weil ihm eine Anklage wegen möglicher Volksverhetzung droht.

Offensichtlich ist aber auch, dass die AfD viel Zustimmung erfährt, besonders im Osten, aber nicht nur dort. Glaubt man den Umfragen, schafft sie es, immer mehr Menschen für sich zu gewinnen.

FOCUS-online-Schwerpunkt „AfD“

Ob in Umfragen oder bei Wahlen wie zuletzt im thüringischen Sonneberg – die „Alternative für Deutschland“ eilt von Erfolg zu Erfolg. Besonders stark ist die AfD im Osten, wo viele Menschen das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren haben. Wenn sich die Stimmung nicht bald grundlegend ändert, wird die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextremistische Partei weitere Triumphe feiern. Für unseren Schwerpunkt „AfD“ sind wir durchs Land gefahren und haben nach den Ursachen für die Entwicklung gesucht, die vielen Menschen Sorgen bereitet - dazu gibt es Analysen, Faktenchecks, Kommentare und Experteninterviews.

Alle gegen AfD, doch Rechtsaußenpartei wird immer stärker

Die Partei wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie wird von der großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Sie wird auf allen Ebenen bekämpft, in der Politik, in Medien, in der Zivilgesellschaft.

All das hat der AfD bislang nicht nachhaltig geschadet, geschweige denn sie zerstört. Und auch bei vielen Wählern verfangen die Warnungen vor einem weiteren Erstarken der rechtspopulistischen und in Teilen rechtsextremistischen Partei nicht.

Sitzungen und Statements der Bundestagsfraktionen
Kay Nietfeld/dpa Führungsduo der AfD: Alice Weidel und Tino Chrupalla

2018 strebte CDU-Chef Friedrich Merz eine „Halbierung“ der AfD-Werte an, jetzt haben sie sich verdoppelt. Ganz offensichtlich ist die bisherige Strategie der etablierten Parteien im Umgang mit der Konkurrenz von ganz rechts gescheitert.

Die „Brandmauern“ gegen die AfD haben nicht den gewünschten Erfolg  gebracht und bei vielen Wählern vielleicht sogar das Gegenteil dessen erreicht, was sie bewirken sollten. Das gilt auch für die „Einheitsfront“ aller anderen Parteien, wenn sie einen AfD-Erfolg unbedingt verhindern wollen wie jüngst in Sonneberg. Dieser Schuss ging nach hinten los.

AfD-Landrat Sesselmann: „Als Volkspartei angekommen“

Der neue Landrat Robert Sesselmann sagte nach seiner Wahl: „Die AfD ist nunmehr als Volkspartei hier im Kommunalbereich in Thüringen und auch in der Bundesrepublik angekommen.“

Auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen, auch wenn ihnen die Vorstellung absolut zuwider ist, sollten sie sich fragen: Könnte der Mann recht haben? Müssen sich auch die härtesten AfD-Gegner nicht langsam eingestehen, dass die Partei zur Normalität gehört, ob es ihnen nun passt oder nicht?

Wie „normal“ die AfD mittlerweile ist, haben FOCUS-online-Reporter in den letzten Tagen auf ihrer Reise durch Ostdeutschland erlebt.

Bürgermeisterwahlen in Raguhn
Sebastian Willnow/dpa Hannes Loth wurde in Raguhn-Jeßnitz (Sachsen-Anhalt) zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister der AfD gewählt

Ob im thüringischen Saale-Orla-Kreis, wo der nächste AfD-Politiker zum Landrat gewählt werden könnte, oder im sächsischen Görlitz – bei vielen Bürgern haben die Rechtsaußen einen guten Stand. Auch in den Parlamenten sind sie keineswegs so isoliert wie man glauben könnte. Die AfD organisiert Mehrheiten, bringt eigene Anträge durch und arbeitet pragmatisch mit Vertretern anderer Parteien zusammen.

Auf kommunaler Ebene, wenn über Radwege, Schülerbeförderung oder Konzepte gegen den Ärztemangel entschieden werden muss, haben die „Brandmauern“ gegen die AfD längst Risse bekommen.

Heizung, Klima, Zuwanderung: Ampelpolitik stärkt die AfD

Eines wurde bei den Recherchen deutlich: Viele Menschen treibt die Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung zur AfD. Das Heizungs-Chaos, die Klimapolitik, der Umgang mit Zuwanderern, das Gefühl, von denen „da oben“ nicht beachtet zu werden, solche Dinge regen die Leute auf.  

Etliche haben das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren. Die seien lange genug am Ruder gewesen und hätten es trotzdem nicht geschafft, die wirklichen Probleme des Landes in den Griff zu bekommen, heißt es. Jetzt müssten mal andere ran.

Auch wenn die AfD in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen keine vernünftigen Konzepte zu bieten hat und statt auf Lösungen meist auf Krawall und pauschale Schuldzuweisungen setzt – vielen gilt sie als einzige Alternative. Als Vehikel, ihrem Frust, ihrer Enttäuschung über die aktuelle Politik Ausdruck zu verleihen.

Bei den Regierenden in Berlin sollten die Alarmglocken schrillen.

Mehr aus dem AfD-Schwerpunkt:

 

Im nächsten Jahr werden in Thüringen, Sachsen und Brandenburg neue Landtage gewählt, außerdem stehen Kommunalwahlen unter anderem in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern an. Wenn es im Osten nicht zu einem dramatischen Stimmungswechsel komme, könnten die Wahlen „zu einem Triumphzug der AfD werden“, glaubt der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer.

Die neueste Meinungsumfrage des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) kann als Vorbote einer solchen Entwicklung gewertet werden. Demnach kommt die AfD in Thüringen aktuell auf 34 Prozent.

Anti-AfD-Parolen an einer Plakatwand im thüringischen Gera
Göran Schattauer / Fol Anti-AfD-Parolen an einer Plakatwand im thüringischen Gera

Mit Sicherheit finden sich unter AfD-Anhängern auch stramme Neonazis, Reichsbürger, Demokratiehasser und Verschwörungstheoretiker. Die gesamte Wählerschaft der Partei auf diese Gruppe zu reduzieren, wäre jedoch fatal. Wer dies tut, begeht einen schweren Fehler.

„Ich wähle die AfD. Aber deswegen bin ich doch nicht rechtsradikal“, sagte uns eine Rentnerin aus dem ostthüringischen Oettersdorf. Sie mache ihr Kreuz bei der Partei, weil die sich „mehr für die Bevölkerung einsetzt“ als andere. So wie sie denken viele.

Die Stimmungsberichte aus der ostdeutschen Provinz und anderen Regionen können Sie ab heute in einem „Schwerpunkt AfD“ lesen. Dazu Analysen, Faktenchecks, Kommentare und Experteninterviews – unter anderem mit einem Top-Ökonom. Er spricht über Gefahren für die Wirtschaft und unseren Wohlstand, falls die AfD weitere Wahlerfolge erzielen sollte.

Weiterführende Fragen und Experteninhalte zum Thema:

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Thomas Jäger

Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln

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