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Finale in Sevilla: Der Zauber des Moments

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Das große Europa-League-Finale zwischen Eintracht Frankfurt und den Glasgow Rangers sprengt alle Dimensionen.

Frankfurt/Sevilla – Ein solches Fußballspiel hat Sevilla, hat Andalusien, ja ganz Spanien wohl noch nie erlebt. Wobei es gar nicht um das Spiel als solches geht, das da am Mittwoch, 18. Mai, im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán ausgetragen wird. Klar, es ist das Europa-League-Finale, das gerade für den Gastgeber FC Sevilla etwas Besonderes ist, weil der stolze Traditionsverein den Wettbewerb in den vergangenen zehn Jahren gefühlt elfmal gewonnen hat. Aber ein Endspiel zwischen den Glasgow Rangers und Eintracht Frankfurt haut in Südeuropa erst einmal niemand von den Socken.

Natürlich sind es zwei große, starke, alte Klubs mit bewegter Geschichte, zwei, die zeitweise Mal in der Versenkung verschwunden waren, die Eintracht stieg viermal ab und wieder auf, die Rangers waren vor zehn Jahren gar pleite und wurden in die vierte Klasse herabgestuft. Nun sind beide in ganzer Pracht auferstanden und haben für Fußballfeste auf der grell ausgeleuchteten europäischen Bühne gesorgt, die Eintracht hat es gar geschafft, den glorreichen FC Barcelona im legendären Camp Nou auf dem Feld und vor allem auf den Rängen zu demütigen. Aber sie sind eben nicht die Big Player, nicht die Schwergewichte, nicht Real oder Barca, nicht Bayern oder City, nicht Juve oder Liverpool, nicht PSG oder ManUnited. Also fußballerisch nicht. Emotional sind sie weit drüber.

Europa-League-Finale: Ein Finale für die Geschichtsbücher

Und genau deshalb wird dieses Finale schon vor dem Finale in die Geschichtsbücher eingehen, deshalb wird dieser Showdown mit seinen Begleitumständen etwas Einzigartiges, Gigantisches, ja Monumentales. Es wird ein Aufeinandertreffen, wie es die Fußballwelt auf dem alten Kontinent nur selten erlebt hat.

Fans - so weit das Auge reicht. Foto: dpa
Fans – so weit das Auge reicht. © dpa

Denn mit Glasgow und der Eintracht werden die beiden wohl wuchtigsten Fangruppen aufeinandertreffen, die ihren Verein voller Hingabe unterstützen und denen kein Weg zu weit und kein Trip zu strapaziös ist. Bedingungslose Unterstützung, in einer fremden, wunderschönen Stadt, unten im Süden Spaniens. Temperatur am Spieltag: 34 Grad, 11,1 Sonnenstunden.

Eintracht Frankfurt und Glasgow Rangers reisen mit 100.000 Fans nach Sevilla

In Sevilla rechnen sie mit einem nie dagewesenen Ansturm, der tatsächlich einsetzen wird. Nicht ausgeschlossen, dass mehr als 100 000 Fans beider Klubs in der Hauptstadt Andalusiens aufschlagen werden – dabei darf nur ein Bruchteil hinein ins Stadion, je 10 000 Tickets gingen nach Frankfurt und Glasgow. In Frankfurt hatten sich mehr als 100 000 Menschen um Einlass beworben. Die Chancen, vor Ort an Tickets zu kommen, sind verschwindend gering. Selbst auf dem Schwarzmarkt werden utopische Summen verlangt, fast 2000 Euro. Großer Unmut regt sich auch deshalb, weil die Uefa das Spiel in die kleinere Arena des FC Sevilla gegeben hat, das Estadio Ramón Sánchez Pizjuán bietet nur rund 43 000 Zuschauenden Platz. Doch ändern lässt sich daran sowieso nichts mehr.

Doch viele wollen auch ohne Eintrittskarte dabei sein in der Stadt (690 000 Einwohner), wollen die Energie, den Zauber und die Kraft des Moments spüren, wollen teilhaben an diesem Ereignis von historischer Dimension. Und sei es beim Public Viewing. Oder in der Kneipe. Die Fans aus Schottland und Deutschland scheuen dabei keine Kosten und Mühen, die Reise ist anspruchsvoll, von der Logistik her, viele fliegen über Faro, Malaga oder Paris, andere reisen mit dem Zug, dem Auto oder dem Bus an, 2300 Kilometer. Und der Trip ist kostspielig, extrem kostspielig. In Sevilla werden Mondpreise aufgerufen. Die Flüge und Hotels sind ausgebucht oder völlig überteuert, dem Wucher ist Tür und Tor geöffnet. Eine Übernachtung im Hotel ist mehr als zehnmal so teuer wie an einem x-beliebigen Tag, Preise von 1000 Euro keine Seltenheit, eher Standard.

Für zwei Urlaubstage: Angestellte drohen Chef mit Kündigung

Ein, zwei Tage unter der Sonne Spaniens können insgesamt schon mal 2500, 3000 Euro kosten. Das muss man erst mal aufbringen. Und auch die Zeit haben. Es ist in diesen verdrehten Zeiten schon vorgekommen, dass Mitarbeiter ihren Chefs mit der Kündigung drohten, wenn nicht zwei Tage Urlaub genehmigt würden. Die ganze Geschichte ist außer Rand und Band, hat völlig irrwitzige Züge angenommen.

Sollte es für die Eintracht zum Triumph reichen, würde die Stadt im Herzen von Europa anderntags aus allen Nähten platzen. Viele Hunderttausende würden ihren Helden die Aufwartung machen, die 200 000 Menschen, die es damals, 2018 nach dem Pokalsieg gegen die Bayern, in die City rund um den Römer verschlugen, wären nun eher die Vorhut. Im Vergleich zu einem Europapokaltriumph, orakelte Vorstandssprecher Axel Hellmann schon vor dem Barcelona-Spiel im FR-Interview, sei die Party rund um den Pokalgewinn „ein Kindergeburtstag“.

Europa-League-Finale: Alle eint die Hoffnung, bei Historischem dabei sein zu dürfen

Im Stadtwald herrscht seit dem Finaleinzug Ausnahmezustand, es sind fordernde und anstrengende Tage, die Mitarbeiter arbeiten am Anschlag, 19-, 20-Stunden-Tage sind keine Seltenheit. Und doch sind alle mit Feuereifer dabei, elektrisiert von dem bevorstehenden Ereignis, alle spüren die Schwingungen, das Knistern, alle eint die Hoffnung darauf, bei etwas Einmaligem, ja Historischem dabei sein zu dürfen oder mitgewirkt zu haben.

Die Chance auf den Pott, auf die Champions League, auf Ruhm und Ehre, ist intakt, sie ist auch nicht besonders klein, es ist kein Wunder nötig, um Glasgow zu schlagen. Aber es wird auch nicht im Vorbeigehen gelingen, kein Selbstläufer, ganz im Gegenteil, es wird ein ungemein hartes Stück Arbeit. Denn über eines sind sie sich in Frankfurt, und auch in Glasgow, alle bewusst: Dieses Spiel ist ausgeglichen, es wird eine Fifty-Fifty-Angelegenheit, da gewinnt der mit dem größeren Willen, der höheren Leidensfähigkeit oder der besseren Tagesform. An Adrenalin und Feuer wird es nicht mangeln in sechs Tagen in Sevilla – in der Stadt, auf den Rängen und auf dem Platz. Der Countdown läuft. (Ingo Durstewitz)

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