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Rudi Hurzlmeier: Caricatura in Frankfurt präsentiert die schräge Welt des Malers

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Da sitzt er, der Rudi Hurzlmeier, macht mal Pause und denkt sich wahrscheinlich dabei gerade schon wieder eine neue komische Bildergeschichte aus.
Da sitzt er, der Rudi Hurzlmeier, macht mal Pause und denkt sich wahrscheinlich dabei gerade schon wieder eine neue komische Bildergeschichte aus. © Renate Hoyer

Vom 2. Dezember 2021 an ist in der Caricatura die neue Ausstellung „Hurzlmeier Malerei“ zu sehen. Aber Obacht: Man kommt leicht rein, aber nur schwer wieder raus.

Frankfurt - Wir brauchen alle mal ’ne Pause. Die Menschheit verwildert ja bereits zusehends. Das ist auch am Dienstagmorgen (30.11.2021) im Caricatura-Museum zu beobachten. Dem Künstler Rudi Hurzlmeier steht auf der eigenen Pressekonferenz die verbliebene Kopfbehaarung so spektakulär zu Berge, wie man das letztmals in der Drei-Wetter-Taft-Werbung gesehen hat.

Neben ihm sitzt Museumsleiter Achim Frenz und guckt so griesgrämig, als habe er soeben nur den Trostpreis beim Holländer-Michel-Lookalike-Contest gewonnen. Die Presseleute präsentieren sich ähnlich durchnässt, verfroren und motiviert wie Napoleons Truppen auf dem Rückweg von Moskau. Wir brauchen alle mal ’ne Pause.

So eine friedvolle Landschaft. Aber unten wartet schon der Baseballer auf den Skisprinter.
So eine friedvolle Landschaft. Aber unten wartet schon der Baseballer auf den Skisprinter. © Renate Hoyer

Caricatura in Frankfurt: „Hurzlmeier Malerei“ zu sehen

Da trifft es sich gut, dass in der Caricatura in Frankfurt in den kommenden Monaten „Hurzlmeier Malerei“ zu sehen ist. Dabei handelt es sich um eine ganz eigene Kunstrichtung, der Frenz mit „Hurzlmeierei“ auch einen ganz eigenen Namen gibt. Wie die funktioniert, zeigt das hervorragend ausgewählte Ausstellungsplakat.

Zu sehen ist dort der Künstler selbst. Er sitzt in einem goldfarbenen, bonbonförmigen Raumgleiter und fliegt durch einen Himmel voller ungesunder Farben, im Hintergrund eine postapokalyptische Gebirgslandschaft. Die Haare stehen ihm zu Berge (ist vielleicht angeboren) und verfolgt – oder begleitet – wird er von einem riesigen Insekt. Das alles wirkt auf den ersten Blick recht knuffig, aber je länger man sich in dem Bild verliert und dessen Welt betritt, desto stärker erfasst einen auch ein unbestimmtes Grauen. Vor dem laut Frenz „Seltsamen und Abgründigen“, das Hurzelmeiers Werk durchzieht.

„Slowfood“ nennt der Künstler listig diese Zeichnung.
„Slowfood“ nennt der Künstler listig diese Zeichnung. © Renate Hoyer

Caricatura in Frankfurt: Hurzlmeiers besondere Welt

Des Künstlers Leidenschaft gilt nach eigenen Angaben Sujets, die „aus der modernen Kunst verbannt worden sind“, weil sie zu „kitschig“ seien, vor allem der Gebirgs-, Pferde- und Aktmalerei. Sie sind oft opulent und prächtig, und oft merkt der Betrachter nicht, dass da was faul ist in Hurzlmeiers Welt.

Das friedlich grasende Pferd etwa, das bei genauerer Betrachtung seinen soeben abgeworfenen Reiter frisst. Oder eine prächtige Gebirgslandschaft, die Caspar David Friedrich alle Ehre gemacht hätte – nur dass bei CDF keine bösartigen Gurken moränenartig aus Felsspalten lugen und Ungutes im Schilde führen. Manchmal ist das Grauen auch gar nicht versteckt.

Und je länger man sich in diesem Bild verliert und dessen Welt
betritt, desto stärker erfasst einen auch ein unbestimmtes Grauen.
Und je länger man sich in diesem Bild verliert und dessen Welt betritt, desto stärker erfasst einen auch ein unbestimmtes Grauen. © Renate Hoyer

Auf dem Bild „Lurchi überquert die Isar unbemerkt bei Unterföhring“ etwa überquert ein wohl mehrere Hundert Meter großes, sichtlich gutgelauntes godzillaartiges Ungetüm die Isar, ohne dass die durch die Idylle lustwandelnden Unterföhringer davon etwas bemerken. „Flieht, ihr Narren!“, möchte man ihnen zurufen, „Lurchi überquert die Isar!“. Aber dann wäre man wohl mittendrin in Hurzlmeiers Welt. Und findet vielleicht nie mehr hinaus.

Rudi Hurzlmeier in der Caricatura in Frankfurt

Wie alle großen Künstler hat auch Rudi Hurzlmeier einen schwer zu katalogisierenden Dachschaden. Kein Wunder: Er wurde 1952 im Klostersanatorium der Armen Franziskanerinnen zu Mallersdorf (Niederbayern) geboren, hat aber das Beste daraus gemacht.

Zwischen altmeisterlicher Malweise und komischen Motiven, hier „Tarzan und Isolde“ .
Zwischen altmeisterlicher Malweise und komischen Motiven, hier „Tarzan und Isolde“ . © Renate Hoyer

Viermal von der Kunstakademie abgelehnt, malte er trotzdem drauflos, machte so seltsame Sachen wie Illustrationen von Wirtschafts- und Spionagethemen für das P.M.-Magazin und schickte schließlich eine Bewerbungszeichnung an die Titanic, die dem großen Robert Gernhardt unter die Augen kam. „Der Zeichner könnte zu uns passen“, entschied der Unfehlbare. Gernhardt locuta, causa finita.

Heute zeichnet Hurzlmeier für Gott und die Welt, für Medien mit zweifelhaftem Leumund wie Die Zeit, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung oder Spiegel online, aber auch für seriöse Zeitschriften wie das Penthouse Magazin.

Nach der Auferstehung betreibt der gerade frisch reanimierte Jesus erstmal Mundhygiene.
Nach der Auferstehung betreibt der gerade frisch reanimierte Jesus erstmal Mundhygiene. © Renate Hoyer

„Hurzlmeiers Malerei“ in der Caricatura in Frankfurt: Keine Nervtötereien

Ein wenig gleichen Hurzlmeiers Bilder den Filmen von David Lynch: Hinter der bürgerlichen Fassade lauert immer das Grauen. Der Unterschied ist, dass bei Hurzlmeier die Fassade klar als Karikatur erkennbar ist. Was seine Kunst umso gefährlicher macht. Vor allem in der Weihnachtszeit.

Hurzlmeiers Bilder sind die idealen Gaslighting-Präsente für Menschen, denen man Übles will. „Hach, wie niedlich!“, freut sich der Beschenkte, hängt das Bild über sein Bett – und wenige Wochen später sitzt die Zielperson „Lurchi kommt!“-schreiend in der Gummizelle und keiner weiß warum.


Natürlich finden sich in der Ausstellung auch so manche Schenkelklopfer, bei denen man richtig in sich hinein kichern kann.
Natürlich finden sich in der Ausstellung auch so manche Schenkelklopfer, bei denen man richtig in sich hinein kichern kann. © Renate Hoyer

Bilder, die Corona oder andere aktuelle Nervtötereien thematisieren, finden sich in der Ausstellung nicht. Das ist vom Künstler auch so gewollt. Weil wir alle mal ’ne Pause bräuchten. Und die Ausstellung auch als Oase gedacht sei „für alle, die dem mal entkommen wollen. Und die werden sich nachher viel sicherer fühlen.“ So spricht Hurzlmeier und guckt dabei lauernd wie die Muränengurke aus der Felsspalte, immer auf der Suche nach verkostbaren arglosen Wanderern.

Caricatura in Frankfurt: Sicherer wird sich nach dem Besuch von „Hurzlmeiers Malerei“ niemand fühlen

Denn sicherer wird sich nach dem Besuch dieser Ausstellung niemand fühlen. Natürlich ist dort auch der ein oder andere Schenkelklopfer zu finden, etwa die Zeichnung „Nach der Auferstehung“, in der sich ein frisch reanimierter Jesus erst mal Zahnpasta auf die Bürste schmiert – und der Betrachter sich wundert, dass er noch nie selbst darauf gekommen ist, dass nach drei Tagen Totsein Mundhygiene vermutlich das Dringlichste ist. Aber das ist nur Mimikry, nur ein Türöffner für die wundersame und furchtbare Hurzlmeierwelt, und am Ende des Weges lauert immer Lurchi.

Die Schau

„Hurzlmeier Malerei“ ist vom 2. Dezember bis zum 18. April 2022 in der Caricatura, Weckmarkt 17, zu sehen.

Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, montags Lockdown. Die ursprünglich für heute geplante feierliche Eröffnung fällt wegen Corona aus. Die Ausstellung nicht.

Die Ausstellung präsentiert 100 Werke auf Leinwand und Papier, die sämtlich in der „Titanic“ veröffentlicht wurden. Die Werkkategorien wurden von Hurzlmeier selbst bestimmt: „Große Pferdebilder“, „Moderne Hochgebirgsmalerei“, „Seestücke“, „Schwarzmalerei“ und „Heiligenbilder“. 13 Plastiken sind auch dabei.

Der Katalog zur Ausstellung kommt vom Verlag Antje Kunstmann, kostet 25 Euro, ist 220 Seiten dick, im Museumsshop erhältlich und wie üblich sehr wohlgeraten. skb

Wer ihm aber entkommen kann, der fühlt sich anschließend vielleicht wirklich besser und sicherer in der realen Welt. Gegen Viren hilft die Impfung. Gegen Regen hilft ein Schirm. Gegen Depression helfen Pillen. Gegen garstige Gurken und fleischfressende Pferde aber ist bislang noch kein Kraut gewachsen. Und frei nach Colonel Kurtz kann der entronnene Besucher auf dem Heimweg vor sich hinmurmeln: „Ich habe das Grauen gesehen … das Grauen. War eigentlich ganz komisch.“ (Stefan Behr)

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