1. Startseite
  2. Kultur

Für eine Hand voll Euro

KommentareDrucken

Nur noch Standardware: die deutsche Synchronbranche.
Nur noch Standardware: die deutsche Synchronbranche. © ddp

Seit dem Zusammenbruch des Leo-Kirch-Imperiums geht es bergab: Synchronstudios kämpfen mit Dumping-Preisen ums Überleben. Von Tilmann P.Gangloff

Von TILMANN P. GANGLOFF

Synchronisation, hat ein Hollywood-Regisseur angeblich mal gesagt, "ist die Rache der Deutschen an den Alliierten". Tatsächlich gibt es kaum ein Land, das Importe so konsequent ins Deutsche überträgt.Auch wenn Synchrongegner den Verlust von Atmosphäre und Dialekt beklagen und eine gewisse Nivellierung bemängeln: Zwischenzeitlich hat das Handwerk ein Qualitätsniveau entwickelt, das international seinesgleichen sucht.

Seltsamerweise ist über die Branche fast nichts bekannt. Statistische Erhebungen wurden nie vorgenommen; die genaue Anzahl der Unternehmen ist unbekannt. Es gibt einige wenige Marktführer, ein Mittelfeld von zwei Dutzend Unternehmen und schließlich geschätzte dreißig Klein- und Kleinstbetriebe.

Im Unterschied zu früher, als Synchronsprecher, Autoren und Regisseure mit einzelnen Firmen fest verbunden waren, werden die kreativen Kräfte heute von Fall zu Fall verpflichtet. Es genügt, eine gewisse Marktkenntnis zu besitzen; selbst Tonstudios lassen sich mieten.

Und noch etwas hat sich geändert: Früher, sagt Oliver Fay, Geschäftsführer der Kölner Splendid Synchron GmbH, fühlten sich Entscheidungsträger bei Filmverleihern oder Fernsehsendern, "mehr den kreativen Aspekten verbunden, heute drängen sich finanzielle Überlegungen in den Vordergrund".

Kommerz statt Kunst: Spätestens seit der Medienkrise in Folge der Kirch-Insolvenz herrschen rigide Sparzwänge. Der Zusammenbruch des Imperiums von Leo Kirch im Jahr 2001 war für die Synchronbranche ein Schlüsselereignis. Seither erleben die Firmen einen enormen wirtschaftlichen Niedergang.

Selbst langjährige Geschäftsbeziehungen zwischen Studio und Sender sind keine Garantie für eine Zusammenarbeit; die Entscheidung fällt meist einzig über den Preis. Das hatte prompt zur Folge, dass einige Firmen mit Dumping-Angeboten operierten. Mittlerweile gibt es einen regelrechten Preiskrieg. Die Kosten sind in den letzten fünf Jahren um bis zu 25 Prozent gefallen. Gespart wird beispielsweise am Dialogbuch: In der Regel gibt es eine Rohübersetzung, die keine Rücksicht auf Lippensynchronität nimmt und daher von einem Synchronautor den Feinschliff für die Sprecher erhält. Dieser Zwischenschritt wird bei Billigproduktionen schon mal übersprungen.

Um überhaupt noch profitabel arbeiten zu können, wird an den Produktionsbedingungen und am Personal gespart. Alle Beteiligten wissen, dass die Qualität einer "Synchro" darunter leidet. Sorgen bereitet dies offenbar nur den Produzenten. Auf Seiten der Auftraggeber, etwa der Fernsehsender, sieht man keinen Handlungsbedarf. Da Qualitätsunterschiede für den Laien nur schwer erkennbar sind, wird die Frage, ob eine aufwändigere Synchronisation auch nur einen Zuschauer mehr bringe, im Sinne der Sparsamkeit beantwortet. In Sprecherkreisen kursiert ein von den Sendern energisch dementierter Ausspruch, mit dem ein Sendervertreter angeblich die Qualitätsdiskussion rund um eine TV-Serie beendet hat: "Hauptsache deutsch".

Um das Niveau einer Synchronisation fundiert beurteilen zu können, müsste man Drehbuch und Dialogbuch miteinander vergleichen. Aus Zuschauersicht gilt: So lange die Übersetzung nicht negativ auffällt, ist sie gut. Da man das Original in der Regel nicht kennt, stolpert man vor allem über offensichtliche Fehler (wenn etwa aus dem englischen "billion" eine deutsche Billion geworden ist). Gerade bei Comedy-Filmen und -Serien zeigt sich, wie schwer das Geschäft ist; viele Wortspiele und Anspielungen lassen sich einfach nicht ins Deutsche übertragen.

Es gibt allerdings auch rühmliche Ausnahmen, etwa die Serie "Ally McBeal" (Vox); die deutsche Fassung wurde für die vorbildliche Übertragung mit dem Deutschen Synchronpreis ausgezeichnet. Selbst Auszeichnungen sind aber kein Garant für volle Auftragsbücher. Schon ein paar hundert Euro können den Unterschied machen. Dabei sind die Summen, um die es geht, alles andere als astronomisch. Die Synchronisation eines durchschnittlichen "TV-Movies" kostet im Schnitt rund 250 Euro pro Minute.

Die aktuellen Ereignisse dürften den enormen Druck, der ohnehin auf der Branche lastet, noch verschärfen: "Der Markt wird enger, der Kuchen noch kleiner, aber die Zahl der Anbieter nimmt nicht ab. Die Firmen werden auf Teufel komm raus versuchen, Aufträge an Land zu ziehen", glaubt der Geschäftsführer des Synchronisations-Studios Interopa, Thomas Braune. Keinerlei Einschnitte gibt es bislang beim Kinofilm und bei wichtigen amerikanischen Fernsehserien. In diesen Bereichen "haben die Autoren zum Glück noch Zeit zum Recherchieren. Hier wird so akribisch gearbeitet wie nie zuvor, die Synchronbücher werden bis ins letzte Wort überprüft." Aber das dürfte nur ein Zwischenhoch sein. Ein Insider wird deutlich: "Was da teilweise zusammengestochert wird, kann man dem Publikum eigentlich nicht mehr zumuten, aber das scheint vielen Kunden egal zu sein".

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.

Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!