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„Nennt mich Rembrandt“ im Städel: Das Amsterdamer Start-up

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„Selbstbildnis mit Samtbarett und Mantel mit Pelzkragen, 1634“:  Die Ausstellung „Nennt mich Rembrandt! Durchbruch in Amsterdam“ zeige vom 6. Oktober bis zum 30. Januar 2022 die Erfolgsgeschichte des Barockmeisters.
Auf dem „Selbstbildnis mit Samtbarett und Mantel mit Pelzkragen“ ist Rembrandt van Rijn etwa 28 Jahre alt. Die Ausstellung „Nennt mich Rembrandt! Durchbruch in Amsterdam“ zeige vom 6. Oktober bis zum 30. Januar 2022 die Erfolgsgeschichte des Barockmeisters im Frankfurter Städel. © Tim Wegner/epd

Sein Arbeiten in Amsterdam war eine einzige Erfolgsserie – zunächst. Das Städel Museum in Frankfurt zeigt, wie Rembrandt zur Marke wurde.

Frankfurt – Es gibt Ausstellungen, die öffnen einem die Augen. Nicht allein deshalb, weil sie so prachtvoll mit Meisterwerken bestückt, sondern vor allem, weil sie klug zusammengestellt sind und direkte Vergleichsmöglichkeiten bieten. Dass Rembrandt ein großer Meister war, ist bekannt, man sieht es ja gleich an den wunderbar effektvollen Kompositionen, den lebendigen Porträts, den raffiniert ins Bild gesetzten Details. Vieles davon hatten allerdings auch andere Maler der Zeit im Repertoire. Interessant ist in diesem Zusammenhang, wer was wie gelöst hat und warum.

Die Ausstellung „Nennt mich Rembrandt! Durchbruch in Amsterdam“, die das Frankfurter Städel Museum zeigt, gibt darauf schlüssige Antworten. Sie zeigt, wie aus Rembrandt Harmenszoon van Rijn, einem jungen Talent aus Leiden, einer der bedeutendsten niederländischen Barockkünstler wurde.

1631 war Rembrandt (1606-1669) aus seiner Heimatstadt Leiden nach Amsterdam gezogen, wo er sich in die Werkstatt des Kunsthändlers und Unternehmers Hendrick Uylenburgh eingekauft hatte und eine kometenhafte Karriere startete.

1631 hatte Rembrandt bereits einen Ruf

In der aufstrebenden Wirtschaftsmetropole boten sich dem Künstler eine Vielzahl an Möglichkeiten. Der Handel in der Weltstadt florierte, Kunst war enorm gefragt. Nicht nur reiche Kaufleute, sondern auch Handwerker und Seeleute leisteten sich Gemälde und Druckgrafiken. Und Rembrandt hatte bereits einen Ruf.

Er erhielt Aufträge für Porträts wohlhabender Bürger, bildete Künstler aus, tauschte sich mit Kollegen aus, handelte mit Kunst und entwickelte aus seinem Vornamen eine Signatur, die ihm Weltruhm brachte. Rembrandt wurde zur Marke. Schon nach kurzer Zeit war er der gefragteste Porträtmaler der Stadt. Das lag nicht nur an seinen Mal-, sondern vor allem an seinen Erfindungskünsten. So wie er die Menschen wiedergab - so natürlich, mit all ihren Eigenheiten -, hatte man es bis dahin noch nicht gesehen. Fast kommt es einem so vor, als blickten uns diese Menschen mit ihren Grübchen, geröteten Wangen und feinen Augenfältchen, mit ihren skeptischen, lässigen oder überraschten Ausdrucken geradewegs ins Gesicht - und das nach fast vierhundert Jahren.

Darauf muss man kommen: „Ganymed in den Fängen des Adlers“, 1635. Foto: Staatliche Kunstsammlungen Dresden/Foto: Elke Estel / Hans-Peter Klut
Darauf muss man kommen: „Ganymed in den Fängen des Adlers“, 1635. © Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Foto: Estel/ Klut

Dass Rembrandt die höfische Etikette bisweilen völlig schnurz war, führte schon mal dazu, dass ein Porträt zurückgewiesen wurde. In der Ausstellung ist das zum Beispiel das „Bildnis der Amalia von Solms“ (1632), die Rembrandt als bieder-brave Dame im Profil zeigt. Das Bild - das doch tatsächlich eine echte Frau, keine Dame von hohem Stand abzubilden scheint - missfiel. Der Kollege Gerard van Honthorst fertigte ein neues Porträt an, das die Statthalterin im üppigen Prachtkleid mit wallender Haarpracht idealisierte. Diese Version kam bei den Auftraggebern zweifellos besser an.

Rembrandt ging raffiniert zu Werk

Dennoch konnte sich Rembrandt vor Aufträgen zunächst kaum retten. Wie raffiniert er zu Werke ging, demonstriert in der Schau abermals ein Vergleich, diesmal sind es zwei lebensgroße Männerporträts. Während der unbekannte, offenbar höfische Herr bei Nicolaes Eliasz Pickenoy elegant, aber ein wenig steif zwischen Draperie und Tisch posiert, lehnt bei Rembrandt ein Herr (Andries de Graeff) in ganz ähnlicher Pose lässig und enorm souverän an einer Hauswand; ein Handschuh ist ihm aus der Hand auf den Boden gefallen - ganz wie im echten Leben.

Die Ausstellung

Städel Museum Frankfurt: bis 30. Januar 2022. www.staedelmuseum.de

„Auf dem Höhepunkt der Nachfrage muss Rembrandt (oder Uylenburgh) zu einigen der Produktionsmethoden übergegangen sein, die bei den Meistern großer Porträtwerkstätten (…) in Delft üblich waren“, schreibt Stephanie Dickey, Gastkuratorin an der National Gallery of Canada in Ottawa, die die Ausstellung zusammen mit Jochen Sander vom Städel Museum entwickelt hat. „Hierzu zählte, dass man Assistenten erlaubte, Teile der eigenen Kompositionen zu vollenden, und sogar Werke signierte, die größtenteils von anderen gemalt worden waren.“ Eine Gepflogenheit, die die Zuschreibung zuweilen erschwert.

Dies erklärt nicht nur den enormen Output des Künstlers, es erklärt auch, dass einige seiner Schüler später zu seinen schärfsten Konkurrenten wurden. Darunter Ferdinand Bol, dessen Bildfindungen, obwohl sie oft nah an denen seines Lehrers sind, dennoch nie abgekupfert wirken. Rembrandt erzielte mit den Arbeiten seiner Schüler zwar erhebliche Einnahmen, diese bekamen dafür aber auch eine formidable Ausbildung. Der Meister ermutigte sie darin - und das war neu -, seine Werke nicht nur zu kopieren, sondern auch zu variieren - eine Win-win-Situation, weil dadurch die Palette der Werkstatt erweitert und zugleich die Künstler auf eigenständige Karrieren vorbereitet wurden. Die Konkurrenz unter den Malern war riesig, was Rembrandt jedoch enorm beflügelt haben muss. Er musste sich von den Kollegen abheben und tat es. Und wie!

Rembrandt: Der Künstler bewies Mut

Seine Ideen waren nicht nur eigenwillig, sie waren auch ziemlich mutig. In der Schau kann man das besonders an zwei Hauptwerken sehen: „Die Blendung Simsons“ (1936, im Besitz des Museums) zeigt Rembrandts Erfindungsreichtum in einer hochtheatralischen Hell-Dunkel-Szene. Nie zuvor wurde das mythologische Thema auf so brutale, aber auch vielschichtige Weise verewigt: Ein Mann, dem das Auge ausgestochen wird und der dabei verzweifelt die Zehen kräuselt. Darauf muss man kommen. Der Blick der Delila, die das abgeschnittene Haar noch in der Hand hält, ist mysteriös. Triumphiert sie? Ist sie schockiert? Beides lässt sich ins Bild hineinlesen.

„Judith am Bankett des Holofernes“, 1634. Foto: Prado, Madrid
„Judith am Bankett des Holofernes“, 1634. © Museo Nacional del Prado

Ebenfalls eine Ikone: „Ganymed in den Fängen des Adlers“ (1635). In der griechischen Mythologie ist Ganymed „der Schönste der Sterblichen“, dass Rembrandt statt - wie etwa einst Michelangelo (auch in der Ausstellung) - einen bildhübschen Jüngling ein vor Schreck pinkelndes Kleinkind abbildet (das noch dazu nicht gerade sonderlich hübsch wirkt), zeigt seinen Sinn für Humor.

Derart originelle Bildfindungen für gängige Sujets waren Rembrandts Alleinstellungsmerkmal. Auch die enorme Vielfalt seiner Kunst - vom Historienbild über Genreszenen, Porträts und Landschaften bis hin zum Stillleben - hebt Rembrandt bis heute heraus.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere in den frühen 1640er-Jahren betrug sein Vermögen über 40 000 Gulden, doch irgendwann muss den Künstler der Geschäftssinn verlassen haben. Die Auftraggeber wandten sich anderen Malern zu. 1654 stand Rembrandt vor dem finanziellen Ruin. Zwei Jahre später meldete Rembrandt, das Genie, Insolvenz an. (Sandra Danicke)

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