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„Hannah und ihre Schwestern“ in Mainz – Und gelegentliche Schwindelanfälle

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Hannah(Mitte) und ihre Schwestern Lee und Holly. Andreas Etter
Hannah(Mitte) und ihre Schwestern Lee und Holly. Andreas Etter © Andreas Etter

Woody Allens „Hannah und ihre Schwestern“, in Mainz munter und stilecht auf die Bühne gebracht

Auf der Bühne des Kleinen Hauses in Mainz werden Best Ager jetzt nicht nur daran erinnert, was sie einst für Filme liebten, sondern auch, was sie damals im Kino (und anderswo) anhatten: Schlaghosen, klar, Cordanzüge, Samtjacketts, Dufflecoat, Strickjacken mit Zopfmuster für den Herrn, Latzhosen für die junge Frau. Und die Frisuren: Haare in Menge und Länge, soweit einem das möglich war. Das Mainzer Ensemble spielt allerdings in einem bis auf Klavier und öffentliches Telefon eher symbolischen Bühnenbild, die Ausstatterinnen Anette Hachmann und Elisa Limberg lassen weiße Wolken über einer Spielzeughaus-Fassade hängen, das Mobiliar besteht zum größten Teil aus Schaumstoff, ein Draußen-Bereich ist von Schaumstoff-Felsen umrahmt, ein Schild warnt vor Seitenwind.

Dieser etwas unwirtliche Ort muss eigentlich im Central Park liegen, denn Premiere hatte in einer munteren, mit Pause zweieinhalbstündigen Inszenierung von Christian Brey jetzt Woody Allens 1986 herausgekommene, in New York spielende Komödie „Hannah und ihre Schwestern“. Mia Farrow war damals die patente, sich um alle sorgende, als Schauspielerin gefragte Titelfigur. Im Mainz ist Kruna Savic das warmherzige Zentrum; man gönnt ihr den Erfolg (als Nora und Desdemona) und das Happy-end vielleicht mehr als allen anderen.

Die Zeit vergeht rasch zwischen einem Thanksgiving im Familienkreis und dem nächsten und übernächsten; die Zeit heilt nicht alle, aber doch die meisten Wunden. Und Woody Allen lässt auch die Möglichkeit zu, dass es manchmal besser ist, von einer Verletzung, (in diesem Fall) einem Betrug nicht zu wissen: Hannahs Mann Elliot, Vincent Doddema, versteht ja am Ende selbst nicht, warum er meinte, nicht ohne Lee, Lisa Eder, leben zu können. Seine Affäre mit der Schwester seiner Frau ist so schnell vorbei wie sie angefangen hatte. Und außer den beiden Beteiligten hat es keiner gemerkt.

Hingetupft, impressionistisch erzählt Woody Allen und erzählt auch Christian Brey in schnell wechselnden Szenen. Bisweilen werde zu Beginn ein paar Worte eingeblendet, etwa von E. E. Cummings die Gedichtzeile „nicht einmal der Regen hat so kleine Hände“ – Elliot himmelt Lee via Cummings an. Oder auch „Der Hypochonder“ und später „Der Abgrund“, wenn Comedy-Autor und Jazz-Liebhaber Mickey, Henner Momann, auftritt – im Film war das selbstverständlich die Rolle, die Woody Allen sich auf den Leib schrieb. Die lustigsten Zeilen und Momente sind auch in Mainz interessanterweise die, in denen Mickey einen Ausweg aus dem Grauen sucht, dass auch er irgendwann sterben muss. Katholisch werden? Hare Krishna singen? Joggen gehen, wie all die anderen? Und warum sind die anderen, etwa seine Eltern, angesichts des sicheren Todes nicht in Panik? Und warum Schwindelanfälle? Ein Hirntumor!

Die typische Allen-Schar, neurotische Intellektuelle und Liebesverwirrte, macht in Mainz (sich leicht nostalgisch anfühlende) Freude. Arbeitslose Schauspielerinnen – Holly (Maike Elena Schmidt) und ihre Freundin April (Carlotta Hein) – konkurrieren um Engagements und um den Architekten David (David T. Meyer), der gern mehr als ein Eisen im Feuer hat. Elliot schleppt Rockstar Dusty zu Künstler Frederick (Denis Larisch, Klaus Köhler), auf dass Lees Lebensgefährte Geld verdient. Aber ein Mensch, der Bilder nach der Farbe aussucht, ist unter Fredericks Würde.

Leichtfüßig, aber nicht ohne Gewicht und ein wenig Melancholie sind die Komödien Woody Allens. Musik der 80er Jahre, von „Sisters Are Doin It For Themselves“ über „Take My Breath Away“ bis „Another One Bites the Dust“, lässt die Mainzer Aufführung noch beschwingter werden. Und wann hätte man zuletzt so selbstironisch über den Tod lachen können?

Staatstheater Mainz: 25., 31. Dezember, 13., 20. Januar, 2. Februar. www.staatstheater-mainz.com

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