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„Ach du lieber Gott“: Doku über Deutschlands Feministin Nummer 1 - Alice Schwarzer

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Alice Schwarzer
Frauenrechtlerin Alice Schwarzer über ihren 80. Geburtstag: „Hoch befremdlich, komisch.“ © Henning Kaiser/dpa

Zum 80. Geburtstag der „Feministin Nr. 1“ in Deutschland strahlt Arte in Zusammenarbeit mit dem ZDF die Dokumentation „Alice Schwarzer - Sie kam und blieb“ von Sabine Derflinger aus.

In fast privaten Aufnahme läuft Alice Schwarzer durch die Ausstellung von Yayoi Kusama in Berlin. Doch das Konzept Privatheit gibt es bei ihr eigentlich nicht, denn seit 45 Jahren ist sie eine öffentliche Person. Noch schlimmer: eine öffentliche Feministin. Wobei Feminismus viele Facetten hat und einige zeitgemäße Positionen davon gerade sehr konträr zu ihren eigenen Überzeugungen stehen, – dessen ist sie sich bewusst. Doch den Diskurs hat sie ja noch nie gescheut.

In Fragmenten erzählt sie selbst ihren eher klassisch anmutenden Lebensweg: Über das Volontariat bei der Tageszeitung, in welchem das „Fräulein Schwarzer“ durch „extremes Strebertum“ auffällt. Es muss so gut „wie eben möglich“ sein. Da sie selbst aber einen „großen Teil der Presse“ nicht so recht ernst nehmen kann, gründet sie mit 35 Jahren kurzerhand die Zeitschrift „Emma“. Hier muss sie sich nicht unterordnen.

ZDF zeigt Doku über Alice Schwarzer: Schonmal „die Spielregeln verletzen“

Zuvor lagen bereits einige Jahre Studium der Psychologie und Soziologie an der Pariser Universität Vincennes sowie die Arbeit als politische Korrespondentin hinter ihr. Während Deutschland schon immer etwas schwerfälliger für Veränderungen war, haben sie die Jahre in Paris nach 1968 stark geprägt: Zwei fangen an, für die Rechte der Frauen auf die Straßen zu gehen und plötzlich kommen Hunderte, Tausende. Sie sehen sich früh in der Tradition der Frauenbewegungen, aber eine wirklich offizielle Bewegung wird es erst durch die Medien, die ihnen den Namen MLF (Mouvement de Libération des Femmes) geben.

Alice Schwarzer trifft dort langjährige Weggefährtinnen, – für die Freundinnen gibt es keine Alters- oder Klassenschranken. Sie klopfen auch bei Simone de Beauvoir an die Tür, deren Denken das Wirken der jungen Journalistin stark beeinflusst. Sie bekommt hier die Bestätigung, dass es richtig ist, sich immer wieder aufzulehnen, nicht anzupassen sowie auch schon mal „die Spielregeln zu verletzen.“

Mit den Diskussionen anderer Frauen wird ihr heute noch oft klar: „Es hat sich nichts Grundlegendes geändert.“ Wertgefüge verschieben sich mit der Zeit und die Vorstellungen der Gesellschaften ändern sich, werden anerkannt – oder eben nicht. Köln zu Silvester im Jahr 2015: übergriffiges Verhalten gegenüber Frauen. Es hat gesellschaftliche Gründe, warum es Marokkaner und Algerier waren, die auch in ihren Heimatländern die Frauen nicht gut behandeln, erklärt sie in einer Diskussionsrunde. Wenn die Realität benannt wird, ist das rassistisch? Ist es sinnvoll, die Menschen, die nach Deutschland kommen, zu hinterfragen: „Wie begegnest du mir? Wie schaust du mich an? Wie können wir zusammen leben?“

Doku über Alice Schwarzer: Es geht ihr um das wesentliche Hinterfragen gesellschaftlicher Normen

Immer wieder bekleidet sie souverän unbequeme Positionen. Testet den Widerstand aus und hinterfragt Werte sowie Toleranz von strukturellen Ordnungen. Interessant sind auch die kurzen Dokumente von 1979 zu den damaligen Protesten der Frauen im Iran. Auch hier war die Redaktion von Emma am Zeitgeschehen vor Ort live dabei.

Der Name Alice Schwarzer wird immer noch als männermordende Amazone oder unbequeme Hexe ins Lächerliche gezogen. Aber oft geht es bei ihrer Arbeit um das wesentliche Hinterfragen gesellschaftlicher Normen, – auch in der Dokumentation sind hier immer wieder feine Akzente zu spüren. Vielleicht in einer mittlerweile etwas veralteten Hülle und nicht mehr ganz so sehr im zeitgemäßen Rahmen gekleidet, – aber nichtsdestotrotz mit spannenden Themen für die nächsten Generationen weiblicher Personen weltweit, die ihre Lebenswirklichkeiten neu durchbrechen und zusammensetzen wollen und/oder müssen. (Von Tina Waldeck)

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