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Kein Militäreinsatz am Golf ohne Exit-Option

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USA bitten Deutschland um Beteiligung an Hormus-Mission.
USA bitten Deutschland um Beteiligung an Hormus-Mission. © dpa

Vor einem Einsatz der Bundeswehr am Golf muss klar sein, was dieser tatsächlich bewirken kann – und unter welchen Bedingungen er wieder beendet wird.

Angesichts der potenziellen Gefahren des Konflikts über das iranische Atomprogramm zeugt die deutsche Debatte über eine Beteiligung an einer Marinemission in der Straße von Hormus von einem erschreckend verengten Blick. Bei einer Eskalation der Krise dürften wir es im Nachhinein als höchst nebensächlich betrachten, ob ein deutscher Seeeinsatz am Golf für das Standing einer Teilstreitkraft der Bundeswehr vorteilhaft gewesen wäre oder nicht.

Und wenn wir bedenken, dass vom Ausgang des Konflikts abhängen dürfte, für wie erstrebenswert isolierte Regime künftig die Beschaffung von Atomwaffen halten, relativiert das erheblich die Bedeutung der von manchen außenpolitischen Thinktanks in der Debatte vorgebrachten These, der Einsatz würde zum Test für Deutschlands „außenpolitischen Gestaltungsanspruch“.

US-Navy ist nicht auf Unterstützung angewiesen

Der potenziellen Gefährlichkeit der Situation wird auch nicht gerecht, wer die Entscheidung über den Einsatz der Marine als Mittel zur Verbesserung der Beziehungen zur US-Regierung darstellt. Es ist schon erstaunlich, wie so manche, eigentlich in kühler Argumentation geübte militärpolitische Denkerinnen und Denker dem naiven Glauben verfallen, mit der Verlegung von zwei bis drei deutschen Fregatten oder Korvetten würde der unberechenbare Dealmaker Donald Trump zu einem verlässlichen Unterstützer internationaler Institutionen.

Militärisch können die US-Streitkräfte auf ihre deutschen Kollegen ohnehin verzichten. Die US-Streitkräfte spielen auch auf See schlicht in einer anderen Liga, auf Unterstützung ist die US-Navy nicht angewiesen.

Erwünscht ist eine deutsche Beteiligung bestenfalls, um die Mission politisch abzusichern. Außenpolitisch hätte sich die US-Regierung für den Fall einer Eskalation damit eines Kritikers entledigt. Innenpolitisch, und das ist entscheidend, könnte Trump damit seiner an Weltpolitik wenig interessierten Anhängerschaft stolz verkünden, er habe einen Teil der Kosten und der Verantwortung auf andere Staaten abgewälzt.

Militärische Begründung notwendig

Wer eine militärische Entscheidung trifft, muss dies nicht nur politisch, sondern auch militärisch begründen können. Vor einer Entscheidung über eine deutsche Beteiligung sollten daher ganz banale Fragen stehen: ob der Einsatz die gesetzten Ziele erreichen kann, welche anderen militärpolitischen Ziele der Einsatz möglicherweise gefährdet und wie die Bundeswehr aus dem Einsatz im Zweifelsfall wieder aussteigen kann.

Auch völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Debatten und Entscheidungen sind selbstredend notwendig, hinreichend sind sie aber nicht. Am Ende muss immer die Ansage stehen, was genau die Bundeswehr in dem Krisengebiet bewirken soll – und vor allem was sie erreichen kann.

Mehr zur Bundeswehr: Britische "Times" lässt deutsche Wehrmacht auferstehen

Im konkreten Fall scheint weder klar, welche Schiffe nach welchen Kriterien im Zweifelsfall mit Waffengewalt beschützt werden sollen, noch scheint ersichtlich, wie dies geschehen kann, ohne dabei die Navigation in der engen Durchfahrt durch die Straße von Hormus zu gefährden oder die Schiffe zu unautorisierter Fahrt durch Hoheitsgewässer zu verleiten.

Zu der Überschätzung militärischer Macht für den hier deklarierten Zweck kommt das Fehlen einer glaubwürdigen Exit-Strategie. Deutschland muss aussteigen können, wenn sich der Einsatz entweder militärisch oder politisch von seinem deklarierten Ziel entfernt.

Diese Lage gab es mehr als einmal in den gut zwei Jahrzehnten deutscher Auslandseinsätze, und fast immer war man darauf weder militärisch noch politisch vorbereitet. Neu wäre solch eine Situation auch für die Marine nicht.

Gefährliche Eigendynamik

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 entsandte die damalige rot-grüne Bundesregierung ebenfalls Schiffe in den Mittleren Osten, vorgeblich um am Horn von Afrika Terrorangriffe abzuwenden. Auch damals war vom Schutz der Handelswege die Rede. Erst sehr viel später legte das Bundesverteidigungsministerium Zahlen, Namen und Funktionen der eskortieren Schiffe vor. Demnach galt der Einsatz der Bundeswehr in den Jahren 2002 und 2003 ganz überwiegend der Begleitung US-amerikanischer und britischer Kriegsschiffe, die offenkundig in Vorbereitung der geplanten Irak-Invasion in Richtung Golf unterwegs waren. Die Bundeswehr musste folglich einen Einsatz unterstützen, den die Bundesregierung offiziell vehement abgelehnte.

Diesmal wäre solch ein Ausstieg tendenziell noch schwieriger. Die Invasion von 2003 war mehrfach angekündigt, der Beginn der Invasion fast bis auf den Tag genau vorhersehbar. Das ist heute anders. Trumps Basis steht Interventionen unter dem Label der Demokratisierung und Stabilisierung eher ablehnend gegenüber. Doch die US-Regierung ist auch hier unberechenbar. Wenn Trumps Wahlkampf einen neuen externen Feind braucht, dann würden sich am Golf stets Gelegenheiten bieten, den Konflikt eskalieren zu lassen. Aber selbst ohne solch ein Szenario ist offensichtlich, dass eine massive Militärpräsenz in der Straße von Hormus eine Eigendynamik entwickeln kann, bei der aus einem Konflikt ein Krieg wird.

Eric Chauvistré ist militärpolitischer Journalist, Autor des Buches „Wir Gutkrieger“ und Professor am Institut für Journalismus der Hochschule Magdeburg-Stendal. Twitter: @chauvistre
Eric Chauvistré ist militärpolitischer Journalist, Autor des Buches „Wir Gutkrieger“ und Professor am Institut für Journalismus der Hochschule Magdeburg-Stendal. Twitter: @chauvistre © Privat

Das Ausstiegsproblem würde für die Bundeswehr übrigens unabhängig davon bestehen, ob der Einsatz als „US-geführt“ oder „EU-geführt“ betitelt wird. Für den Einsatz vor Ort, für dessen Wirksamkeit oder Unwirksamkeit und seinen Beitrag zur Eindämmung oder zur Eskalation des Konfliktes ist der Markenname irrelevant. Auch ein als EU-Mission titulierter Einsatz liefe nicht isoliert von dem der US-Streitkräfte. Beide Missionen liefen eng koordiniert, würden Daten austauschen und zuweilen in Sichtweite agieren.

Ohne Exit-Strategie droht Deutschland Kriegspartei zu werden

Für den Fall einer dann tatsächlich auftretenden militärischen Eskalation stünde Deutschland auch im Rahmen einer EU-Mission irgendwann vor der heiklen politischen wie militärischen Frage, ob es sich weiter beteiligt oder die Bundeswehr umgehend in Richtung Horn von Afrika oder Mittelmeer zurückbeordert wird. Ohne eine klare Exit-Strategie könnte Deutschland dann ungeplant zu einer Kriegspartei mit dem Iran als Gegner werden.

Dann aber fiele die Bundesregierung als dringend gebrauchter diplomatischer Akteur in dem eigentlichen Konflikt um das iranische Atomprogramm wohl langfristig aus.

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