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Eine zweite Amtszeit für Trump wäre wohl das Ende der USA

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Je mehr über Donald Trumps politische Pläne für seine mögliche zweite Amtszeit als US-Präsident bekannt wird, desto düsterer werden die Aussichten - rotz der juristischen Anklagen gegen ihn. (ara/Robert F. Bukaty/dpa)
Je mehr über Donald Trumps politische Pläne für seine mögliche zweite Amtszeit als US-Präsident bekannt wird, desto düsterer werden die Aussichten - trotz der juristischen Anklagen gegen ihn. © dpa

Nicht weniger als die Zukunft der US-Demokratie wird sich daran entscheiden, ob Trump und seine engsten Verbündeten kriminell handelten. Die Kolumne von Paul Mason.

Frankfurt - Jack Smith hat diesen Tausend-Meilen-Blick eines Veteranen. Kommt doch seine juristische Reputation aus der Zeit in Manhattan, als er sexualisierte Gewalt verfolgte. Und danach Kriegsverbrechen im Kosovo. Sein bohrender Blick dürfte also bereits tief ins Herz der Finsternis vorgedrungen sein. Als Staatsanwalt im Fall Donald Trump dringt er in noch viel dunklere Abgründe vor.

Smiths Ermittlungen wegen des versuchten Umsturzes durch den abgewählten Präsidenten haben vier Anschuldigungen gezeitigt. Trump, so gibt er an, habe sich mit anderen Personen verschworen, die Zusammenkunft der Wahlleute zu behindern und Betrüger in die Versammlung einzuschleusen. Er und andere behinderten sodann die Bestätigung des Votums der Wahlleute. Auch wurde unter seiner Führung versucht, Wahlberechtigte an der Stimmabgabe zu hindern.

Ein verurteilter Trump kann auch vom Gefängnis aus Wahlkampf machen

Nicht weniger als die Zukunft der US-Demokratie wird sich daran entscheiden, ob Trump und seine engsten Verbündeten – die Rechtsanwälte Rudy Guiliani, John Eastman und Sydney Powell – kriminell handelten. Als sie einen Mob aufwiegelten, gefälschte Rechtsgutachten vorbrachten, mit denen die tatsächliche Evidenz zurückgewiesen werden sollte, und Wahlbeamte nötigten, Tausende von Trump-Voten zu „finden“. Das alles steht übrigens nicht in Zweifel. Das sind Fakten.

Trump wird deswegen Rede und Antwort stehen müssen. Das bedeutet aber nicht, dass er dann auch dessen für schuldig befunden wird. Unglücklicherweise kann er sogar den Prozess gewinnen: Zum einen können die Geschworenen annehmen, dass all sein Tun durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Die Rechte in den USA ist ja drauf und dran, jedwede wirtschaftliche Unternehmung als „Äußerung“ zu definieren, damit die jenseits aller Regeln und Gesetze vonstatten gehen kann.

Ein überführter und verurteilter Trump kann aber auch vom Gefängnis aus Wahlkampf machen – und später sich selbst begnadigen. Was dann auf Kosten der US-Demokratie an sich geschehen würde.

Denn dann geht es nicht mehr um ein paar Randalierer vorm Kapitol wie 2021. Dann wird der ganze Wahlkampf 2024 zu einem einzigen Aufstand, in dem es nur noch darum geht, alles zu rechtfertigen, was zum Putschversuch vom 6. Januar führte. In den sozialen Medien wird schon kräftig agitiert, dass die US-Justiz an sich eine Verschwörung gegen den „Willen des Volkes“ sei.

Das nach 1968 Erreichte könnte hinweggefegt werden

Um zu erahnen, was danach kommt, muss man erkennen, dass zwei Interessensgruppen die Kontrolle über das Trump-Phänomen verloren haben: der Kreml nach 2016 und seit 2021 der libertäre Teil der US-Wirtschaft. Diese „neoliberalen Nationalisten“ wollen eine totale Deregulierung des Marktes innerhalb der USA, nicht global. Es gibt da aber auch Superreiche, die aus der reinen Lust am Zerstören die USA zu einem „failed state“ werden lassen wollen.

Und ganz real bedeutet das dann, dass damit das nach 1968 Erreichte hinweggefegt wird: die Rechte für Frauen, für Schwarze und für alle anderen unterdrückten gesellschaftlichen Gruppen. Eine derart machtlos gewordene Bundesregierung könnte kaum noch irgendeine Rechtssicherheit garantieren.

Dass Trump das alles nicht kümmert, wird zu einem existenziellen Problem für den US-amerikanischen Konservatismus werden. Leute wie Mike Pence distanzieren sich deshalb von Trump. Diese elitären Kreise müssen sich also ernsthaft fragen, ob sie sich wirklich an jemanden ketten wollen, der nur überleben kann, indem er die Demokratie zerstört.

Das ist meine größte Sorge: Wie im Herbst 2020, als Trumps Vorbereitungen für einen Putsch für alle offensichtlich wurden, so fehlt auch jetzt der Koalition aus Mitte und Links Führungsfiguren, Strategien und Überzeugungskraft.

Paul Mason ist Autor und Journalist.

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