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Baerbock in Portugal: Darum ist die internationale Klimapolitik jetzt Aufgabe des Außenministeriums 

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Annalena Baerbock besuchte das Ozeanarium von Lissabon
Annalena Baerbock besuchte das Ozeanarium von Lissabon, Europas größtes Indoor-Aquarium, das nicht nur als Besucher:innenmagnet, sondern auch für seine bedeutende Meeresforschung bekannt ist © Christophe Gateau/dpa

Das Herz der internationalen Klimapolitik schlägt jetzt im Auswärtigen Amt. Annalena Baerbock hat die Zuständigkeiten in ihr Ministerium geholt. Erstmals. In Lissabon zeigt sich, wieso.

Lissabon – Direkt zu Amtsantritt der Ampel-Regierung hatte Annalena Baerbock die internationale Klimapolitik zur Diplomatinnensache erklärt. Medial weitgehend unbeachtet stellte das einen Umbau des Auswärtigen Amtes dar und erhöhte den Stellenwert der Klimapolitik in der Bundesregierung. Gleichzeitig beschnitt dieser Schritt die Kompetenzen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz von Grünen-Parteifreundin Steffi Lemke. Gleich vier Minister:innen teilen sich nun die Rolle: Auswärtiges Amt, Umweltministerium, Wirtschaftsministerium und Entwicklungshilfeministerium. Ein kompliziertes Potpourri an Kompetenzen, das die Komplexität und ressortübergreifende Bedeutung der Klimakrise widerspiegelt.

Und Baerbock wäre nicht Baerbock, wenn sie nicht voranpreschen würde. Bereits als Kanzlerkandidatin versprach sie, den Kampf gegen die Klimakrise ganz oben auf die Agenda zu setzen. Jetzt tut sie das eben im Außenministerium. Als oberste Verhandlerin vertritt sie die Bundesrepublik bei UN-Klimakonferenzen und sendet routiniert Bilder wie vom Inselstaat Palau, der durch den steigenden Meeresspiegel massiv von der Klimakrise betroffen ist. Auch während ihres 24-stündigen Aufenthaltes in Lissabon, ihrer ersten Auslandsreise 2023, steht die internationale Klimapolitik im Scheinwerferlicht. Portugal verfolgt entschlossen das Ziel der Klimaneutralität – und ist selbst schwer von der Klimakrise betroffen. Das Land wird immer trockener und heißer.

Baerbock in Portugal: Grüne holte internationale Klimapolitik erstmals in das Auswärtige Amt

Doch damals bei ihrem Amtsantritt, als sie die internationale Klimapolitik in ihr Haus holte, konnte sie kaum ahnen, welche anderen Krisenherde sie in Beschlag nehmen würden. Manche kritisierten den Schritt daher nachträglich, denn gerade die Klimakrise kann keinen weiteren Aufschub vertragen. „Kaum Zeit für die Klimakrise“, titelte die Tagesschau kürzlich im Zusammenhang mit Baerbock.

Dem Eindruck, nicht genug Kapazitäten fürs Klima zu haben, versuchte Baerbock in Lissabon nun noch einmal besonders bewusst entgegenzutreten. Vor dem Abflug aus Berlin verkündete die Grünen-Politikerin, dass der neue Beauftragte der Bundesregierung für Meeresschutz, Sebastian Unger, sie begleiten werde: „Portugal stellt sich mit seiner ambitionierten Klima- und Energiepolitik der Realität immer trockenerer und heißerer Sommer. Zudem hat Portugal früh erkannt, welche Schlüsselrolle die Weltmeere für das Klima und unsere Ernährungssicherheit spielen.“

Grünen-Politikerin besucht Ozeanarium in Lissabon

Auch in ihrer Rede bei einer Konferenz der Leiter:innen der portugiesischen Auslandsvertretungen am Mittwoch in Lissabon stellte sie klar: „Die Klimakrise ist eines der größten Sicherheitsrisiken unserer Zeit“. Das Ziel, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, sei wichtiger denn je.

Um zu verstehen, dass das Thema drängt, muss man nicht mehr in die Südsee reisen. Portugal verzeichnete vergangenes Jahr an der Algarve erstmals 44,6 Grad. Auch deswegen besuchte Baerbock das Ozeanarium von Lissabon, Europas größtes Indoor-Aquarium, das nicht nur als Besucher:innenmagnet, sondern auch für seine bedeutende Meeresforschung bekannt ist. „Klimaschutz ist Meeresschutz“, sagte Baerbock bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem portugiesischen Amtskollegen João Gomes Cravinho. Die grüne Transition sei nicht ohne die blaue möglich. Portugal nehme dabei eine Vorreiterrolle ein, unter anderem mit dem größten Meeresschutzgebiet Europas rund um die Selvagens-Inseln.

Weltweite Krisen: Russlands Krieg in der Ukraine, Iran und Westbalkan überdecken Klimakrise

Realität ist dennoch, dass Annalena Baerbocks Zeit für Klimapolitik angesichts multipler globaler Krisenherde tatsächlich begrenzt ist. Ihr erstes Jahr als Außenministerin war bestimmt von Russlands Krieg in der Ukraine, der Energiekrise, den Menschenrechtsverstößen in Iran, und – ganz aktuell – den steigenden Spannungen auf dem Westbalkan. Das ändert nichts daran, dass sich das Fenster für einen erfolgreichen Kampf gegen die Klimaerwärmung immer weiter schließt. Zeit ist eine knappe Ressource, für Baerbock als Außenministerin, aber auch generell im Umgang mit der Klimakrise.

Trotzdem wird insbesondere in Portugal klar, dass das Herz der Grünen-Politikerin für die internationale Klimapolitik schlägt. Auch, oder gerade als Außenministerin. Hunger, Kriege, Energiekrise, Fluchtbewegungen und Klimawandel sind eng miteinander verzahnt – das dürfte künftig nur noch mehr werden. Klimapolitik ist daher Außenpolitik.

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