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LGBTQ-Bewegung in Russland: Druckmittel Denunziation

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Die LGBTQ-Bewegung gilt in Russland als extremistisch. Viele nutzen das für ihre Zwecke.

Jelena Godina, Beraterin des Frauen-Volleyballklubs Dynamo Moskau, kochte vor Wut, weil ihr Team im Halbfinale der russischen Superliga gegen Kaliningrad verloren hatte. „Nahaufnahmen in TV-Übertragungen zeigen ungeheuerliche Gesten, wie die Spielerinnen von Lokomotive Kaliningrad Geschlechtsverkehr imitieren, gleichgeschlechtliche Küsse auf die Lippen und andere Schweinereien veranstalten, die auf die Gegenmannschaft zielen“, schrieb sie am Montag auf dem Dynamo-Portal.

Aufnahme aus besseren Tagen: Pride Parade in St. Petersburg 2017.
Aufnahme aus besseren Tagen: Pride Parade in St. Petersburg 2017. © AFP

Der russische Volksmund nennt Denunziant:innen „Klopfer“, die frühere Volleyballweltmeisterin Godina beweist sich auch als meisterliche „Klopferin“. Sie mache sich die repressive Gesetzgebung zunutze, die die LGBTQ-Bewegung zur extremistischen Organisation erklärte, sagt Leo Veres, Moskauer Gayblogger. „Wenn erfolgreichere Konkurrenten den vor dir angestrebten Platz einnehmen, sind Denunziationen ein profitables Mittel, sie doch noch zu beseitigen.“

Die Anti-LGBTQ-Paragraphen seien aus Gummi, erlaubten es, jeden für homosexuell zu erklären. „LGBTQ-Klopfen“ ist groß in Mode. Im westsibirischen Nojarbsk denunzierten Eltern das Zweitklässler-Gedicht „Wenn ich ein kleines Mädchen wäre“, das Knaben zur Mitarbeit im Haushalt aufruft, als LGBTQ-Propaganda. Und erst vor wenigen Tagen beschuldigte der Duma-Abgeordnete Alexander Chintschejn den Jugendminister der Region Samara Sergej Burzew eines Liebesverhältnisses mit dessen Mitarbeiter Andrej Solotuchin.

Burzew dementierte, trat aber zurück. Obwohl Insider wie der LGBTQ-Aktivist Renat Dawletgildejew Chintschejn selbst als Kryptoschwulen bezeichnen. „Früher versuchte man politische Konkurrenten mittels Drogenskandalen zu beseitigen“, so Dawletgildejew gegenüber TV Doschd, „heute mittels ihrer sexuellen Orientierung.“ Offenbar „klopfe“ Chinschtejn, Mitautor mehrerer Anti-LGBTQ-Gesetze, auch, um von sich selbst abzulenken. Das versuchte ebenfalls der Nowosibirsker Blogger Wladislaw Puschkin. Er verlangte im Februar, die örtliche „Elton Bar“ zu schließen, dort würden „sich jede Nacht Männer als Frauen verkleiden, tanzen und trinken“.

Die Szene kontert

Eine entsprechende Videoanzeige schickte er per Telegram an Jekaterina Misulina, Chefin der „Liga für Internetsicherheit“, die systematisch Oppositionelle, Kulturschaffende und LGBTQler denunziert. Aber dann wurde er selbst geklopft, ein Video tauchte auf, wo er mit einem Freund tanzt und sich dabei mit den Beinen an ihn klammert. Auf Misulinas Telegramkanal klopfte es jetzt, Puschkin sei selbst häufig Gast der „Elton Bar“, um sich Partner für seine Ausschweifungen zu suchen. Das russische Netz wird zusehends zur Dreckschleuder.

Die Szene aber kontert. Auf der Spieleplattform Steam kam Ende März das Horrorspiel „Watch your Ass“ heraus, mit durchaus russischem Sujet: „Der Abgeordnete Oleg Misulin ist ein wütender Homophob. Mit seinem neuen Gesetz will er alle Gays der Welt verbieten. Aber dann kriegt er im Parkhaus Streit mit einem Schwulen, das Licht geht aus.“ Und sein muskelbepackter Widersacher wolle an seinen Hintern, schreibt der Entwickler Creepy-Huippe.

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