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Machtübernahme in Afghanistan: Wer sind die Anführer der Taliban

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Kämpfer der Taliban in Herat, Afghanistan
Kämpfer der Taliban in Herat: Die radikal-islamistische Bewegung hat die Macht in Afghanistan übernommen. © AFP

Die Taliban haben Afghanistan unter ihre Kontrolle gebracht. Wer die führenden Köpfe hinter der radikal-islamistischen Bewegung sind.

Kabul – Nach ihrem schnellen militärischen Vormarsch nahmen die Taliban am 15. August 2021 den Präsidentenpalast in Kabul ein und verkündeten ihren Sieg. „Unser Land wurde befreit und die Mudschaheddin haben in Afghanistan gesiegt“, sagte ein islamistischer Kämpfer dem TV-Sender Al Jazeera. Präsident Aschraf Ghani verließ das Land. Die Macht über Afghanistan liegt nun in den Händen der radikal-islamistischen Bewegung.

Laut eigener Aussage wollen die Taliban in Afghanistan eine „wahre islamische Herrschaft“ im Rahmen des Scharia-Rechts aufbauen, nach der sich auch Frauen richten sollen. Die Bewegung sagte, dass man Frauen bestimmte Rechte gewähren würde, anders als noch vor 2001. Die Taliban erklärten, sie seien ganz auf Afghanistan konzentriert und wollen nicht nach außen agieren.

Anführer der TalibanRolle
Mullah Haibatullah AchundsadaOberster Anführer (seit 2016)
Mullah JakubChef der Militärkommission
Siradschuddin HakkaniStellvertretender Anführer; Leiter des Hakkani-Netzwerks
Mullah Abdul Ghani BaradarCo-Gründer; Politischer Anführer
Sher Mohammad Abbas StanikzaiLeiter des politischen Büros in Katar
Abdul Hakim HakkaniLeiter des Verhandlungsteams

Taliban: Radikal-islamistische Bewegung in Afghanistan

Die Vorläufer der Taliban waren die Mudschaheddin-Kämpfer, die in den 1980er-Jahren – aufgerüstet, ausgebildet und finanziert von den USA und Pakistan – gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan kämpften. Die Taliban entstanden Anfang der 90er-Jahre aus afghanischen Islamisten, die aus Pakistan zurückgekehrt waren.

Nach dem Abzug der Sowjets kam es zum Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Mudschaheddin-Gruppierungen, bei dem die Taliban weite Teile Afghanistans eroberten. Radikalen Islamisten aus aller Welt wurde Zuflucht gewährt, wie beispielsweise Osama bin Laden. Nach den Anschlägen in New York am 11. September 2001 weigerten sich die Taliban, bin Laden auszuliefern. Die USA griffen Afghanistan an und stürzten die Taliban, die von da an die neue afghanische Regierung und die internationalen Truppen von Pakistan aus bekämpften. Wer sind heute die Anführer der Taliban?

Mullah Haibatullah Achundsada: Seit 2016 Anführer der Taliban

Als „Anführer der Gläubigen“ bekannt, ist Haibatullah Achundsada oberster Anführer der Taliban. In allen politischen, religiösen und militärischen Entscheidungen hat der islamische Gelehrte und Prediger das letzte Wort. Mullah Achundsada übernahm die Rolle 2016, als sein Vorgänger Mullah Mansur Achtar bei einem US-Drohnenangriff getötet wurde. Seine Ernennung wurde als Zeichen dafür gewertet, dass er vor allem als ideologische Führungsfigur und weniger als militärischer Kommandeur der Taliban dienen sollte. Nach Achtars Tod hatte es bei den Taliban zunächst einen Machtkampf auf Führungsebene gegeben.

Haibatullah Achundsada soll etwa 60 Jahre alt sein. Sein Aufenthaltsort sei Angaben von Al Jazeera zufolge unbekannt. Aiman al-Sawahiri, Anführer des Terrornetzwerks Al-Kaida, hatte Achundsada 2016 zum „Emir der Gläubigen“ erklärt, was zentral für die Sicherung seiner Macht über die Taliban gewertet wird.

Mullah Haibatullah Achundsada
Mullah Haibatullah Achundsada führt die Taliban seit 2016 an. © AGB Photo/Imago

Mullah Jakub: Sohn des Taliban-Gründers

Im Rahmen des Machtkampfs wurde Mullah Jakub, Sohn des Gründers Mullah Omar, als oberster Anführer der Taliban vorgeschlagen. Er soll sich dann allerdings für Haibatullah Achundsada eingesetzt haben, weil er selbst noch zu jung sei und nicht über genügend Erfahrung im Kampf verfüge, berichtet Al Jazeera unter Berufung auf einen Taliban-Kommandeur.

Seit 2020 ist Mullah Jakub Chef der einflussreichen Militärkommission der Taliban, die das Netzwerk der Milizen steuert. Doch seine genaue Rolle in den Rängen der Taliban ist unklar. Durch seinen Namen wird ihm eine einigende Wirkung der weitverzweigten Taliban-Bewegung nachgesagt. Andererseits könnte seine Ernennung zum Chef der Militärkommission lediglich symbolische Gründe gehabt haben, mutmaßen Fachleute. Mullah Jakub soll in seinen 30er Jahren sein.

Siradschuddin Hakkani: Stellvertretender Anführer der Taliban und Leiter des Hakkani-Netzwerks

Siradschuddin Hakkani führt das Hakkani-Netzwerk an, das für zahlreiche Terroranschläge in Afghanistan verantwortlich gemacht wird und das Vermögen sowie militärische Mittel der Taliban jenseits der Grenze zu Pakistan überwacht. Die Organisation gilt als Bestandteil der Taliban. Siradschuddin ist der Sohn des berüchtigten Dschihadisten Dschalaluddin Hakkani und zudem stellvertretender Chef der Taliban.

TalibanRadikal-islamistische Bewegung
Gegründet1994 in Kandahar, Afghanistan
KommandeurMullah Haibatullah Achundsada
StandortQuetta, Pakistan; Peshawar, Pakistan

Die USA stufen das Hakkani-Netzwerk als Terrororganisation ein. Die Gruppe soll hinter einigen der größten Anschläge in Kabul der vergangenen Jahre, Attentaten auf afghanische Regierungsbeamte und Entführungen westlicher Bürgerinnen und Bürger stecken. Dem Hakkani-Netzwerk wird ein taktisches Geschick in Kämpfen und geschäftlichen Vereinbarungen nachgesagt. Es soll die Einsätze im gebirgigen Osten Afghanistans steuern und großen Einfluss in den Führungsgremien der Taliban besitzen.

Gründer und politischer Kopf der Taliban: Mullah Abdul Ghani Baradar

In Kandahar aufgewachsen, trat Abdul Ghani Baradar Ende der 70er-Jahre erstmals als Aufständischer in Erscheinung, während der Invasion durch die Sowjetunion. Inmitten des Bürgerkriegs in Afghanistan, der der Besatzung folgte, gründeten er und Mullah Omar Anfang der 90er-Jahre die Taliban.

Nach der US-geführten Invasion und dem Sieg über die Taliban 2001 gehörte Mullah Baradar mutmaßlich zu einer kleinen Gruppe innerhalb der Miliz, die dem afghanischen Interimspräsidenten Hamid Karsai eine Vereinbarung vorschlugen, die eine Anerkennung der Regierung in Kabul durch die Taliban vorgesehen hätte.

2010 wurde Baradar in Pakistan verhaftet. 2018 wurde er auf Druck der USA freigelassen und nach Katar überführt. Dort steht Baradar dem politischen Büro der Taliban vor, für das er im Februar 2020 die Unterzeichnung des unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump verhandelte Abkommens von Doha verantwortete.

Mullah Abdul Ghani Baradar, Co-Gründer der Taliban, bei der Unterzeichnung eines Abkommens mit den USA in Katar 2020.
Mullah Abdul Ghani Baradar, Co-Gründer der Taliban, bei der Unterzeichnung eines Abkommens mit den USA in Katar 2020. © Karim Jaafar/AFP

Sher Mohammad Abbas Stanikzai: Leiter des politischen Büros der Taliban in Katar

In den 90er-Jahren war Sher Mohammad Abbas Stanikzai stellvertretender Minister der Taliban-Regierung von Afghanistan. Er nahm regelmäßig an Verhandlungen mit der afghanischen Regierung Teil und hat die Taliban bei mehreren Auslandsreisen diplomatisch vertreten. Seit 2015 lebt er als Kopf des politischen Büros der Taliban in Katar in Doha.

Abdul Hakim Hakkani bei den Taliban für Verhandlungen zuständig

Das Verhandlungsteam der Taliban wird seit September 2020 von Abdul Hakim Hakkani angeführt. In Afghanistan war er einst politisch für die Taliban in einer Justiz-Rolle aktiv, heute ist Hakim Hakkani Kopf ihres Rats der religiösen Gelehrten. Ihm schenkt der oberste Taliban-Anführer Haibatullah Achundsada offenbar das meiste Vertrauen. Seit 2001 hält sich Hakim Hakkani zurückgezogen in Pakistan auf, wo er eine islamische Schule geleitet haben soll. (lrg/afp)

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