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Rüsselsheim: Schlammfresser für die Horlache

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Insgesamt 12000 Liter mit Mikroorganismen versetzte Flüssigkeit wurden in das Becken hinter der Haßlocher Feuerwache eingeleitet.
4000 Liter Flüssigkeit mit Bakterien und Enzymen flossen Mitte August schon in die Horlache. © Stadt Rüsselsheim

Die Stadt Rüsselsheim will mit einem neuartigem Verfahren die Verschlammung des Biotops Horlache verhindern. Bakterien und Enzyme sollen den Schlamm wegfressen.

Bakterien und Enzyme, die Schlamm fressen. Auf einen einfachen Nenner gebracht ist das die Methode, mit der die Stadt Rüsselsheim die Verschlammung der Horlache reduzieren will. Viel ist in den vergangenen Jahren schon unternommen worden, um den Lebensraum für zahlreiche Fischarten zu erhalten. Statt ständiger teurer Ausbaggerungen sollen es nun in einem Pilotprojekt Mikroorganismen richten. Die Kosten lägen nur halb so hoch wie bei der konventionellen Methode, erklärt das ausführende Unternehmen Blue Planet Germany GmbH.

Bakterien und Enzyme sollen 20 Zentimeter Schlamm im Horlache-Becken abknabbern

Die Stadt testet das neuartige Verfahren jetzt erst einmal in einem Horlache-Becken hinter der Haßlocher Feuerwache in Richtung Königstädten. Viermal sollen dort Bakterien und Exoenzyme eingetragen werden. In einem ersten Durchgang Mitte August flossen schon einmal 4000 Liter der speziellen Flüssigkeit in das Becken. Anfang September folgt der zweite Eintrag, bis Mitte September soll das Pilotprojekt beendet sein. Ende Oktober sollen dann 20 Zentimeter weniger Schlamm im Becken sein.

Wenn das gelingt, sollen die Mikroorganismen die organischen Bestandteile im Becken im kommenden Jahr komplett verstoffwechseln und vom Schlamm befreien. Nach und nach will man so auch die weiteren Teile der 2,50 Meter tiefen Horlache entschlammen. Wie dringend das nötig ist, zeigt sich im Becken an der Feuerwache Haßloch: Dort ist der Schlamm 1,20 Meter hoch.

Methode kommt nicht nur in der Rüsselsheimer Horlache, sondern auch in Viehställen zum Einsatz

Die im Landkreis Bautzen ansässige Firma Blue Planet Germany habe von dem Schlammproblem in der Horlache gehört und sei deshalb auf die Stadt Rüsselsheim zugekommen, berichtet Stadtrat Nils Kraft (SPD). Das Unternehmen hat die Technologie aus den USA nach Deutschland geholt. Die eingesetzten Bakterien und Enzyme sollen nach und nach den Schlamm am Boden des Horlache-Beckens auflockern und dann auflösen. Das Pilotprojekt wird von einem Fachbüro für Wasserwirtschaft, einem Umweltlabor und einem Fachbüro für Gewässerökologie in einem Monitoring überwacht und vom Gewässerschutzbeauftragten der Stadt sowie der Unteren Wasserschutzbehörde beim Kreis Groß-Gerau begleitet.

Hochlachgraben

Die Horlache, auch Horlachgraben genannt, ist ein früherer, fast verlandeter Seitenarm des Mains. Sie ist im Biotopkataster als schützenswert ausgewiesen.

Der Flutgraben besteht aus einer Reihe von 13 Becken ohne oberirdischen Abfluss. Das Gewässer schlängelt sich auf einer Länge von sechseinhalb Kilometern von der Raunheimer Stadtgrenze südwärts durch das Stadtgebiet von Rüsselsheim.

Zur Entlastung der Kläranlage begann die Stadt in den 1960er-Jahren, Teile des Flutgrabens für das Regenwasser von Dächern und Straßen als Regenrückhaltebecken auszubaggern. Rund 15 Jahre später wurde die Horlache krank und verschlammte, weil dieses Niederschlagswasser Schmutzstoffe eingeschwemmt hatte und Laub von zahlreichen nicht biotopgerechten Pappeln am Ufer darin landete. Die Pappeln wurden deshalb schrittweise gefällt. ann

Laut Stadt wird das Verfahren, das natürliche Prozesse in Gang setzt, im Ausland bereits erfolgreich angewandt, kommt aber in der Region erstmalig zum Einsatz. Aktuell werde die Methode in weiteren Pilotprojekten in Niedersachsen und Schleswig-Holstein erprobt. Auch in Viehställen fressen die Bakterien und Enzyme schon, um Mist oder Gülle zu reduzieren, genauso wie in der Landwirtschaft zur Verbesserung der Böden, in der Abfallbehandlung und in Fischzuchtanlagen.

Schlamm in der Horlache ist für Stadt Rüsselsheim schon Jahrzehnte ein Problem

Die Flüssigkeit, die in die Horlache-Becken fließen soll, sei für Flora und Fauna unbedenklich, erklärt die ausführende Firma; Hundebesitzer könnten ihre Vierbeiner ruhigen Gewissens baden und das Wasser sogar trinken lassen. Teile der Bakterien seien denen in Joghurt ähnlich.

Die Stadt hat bisher schon viel unternommen, um die Horlache vom Schlamm zu befreien. Bereits Mitte der 70er-Jahre scheiterte ein erster Versuch, vom Ufer aus ein Becken zu entschlammen, weil der Schlamm dabei mehr verteilt als entfernt wurde. Mehrfach gab es chemische Untersuchungen, auch die Feuerwehrpumpen liefen schon Tag und Nacht, um ein größeres Fischsterben zu vermeiden. 2001 wurde in zwei Becken eine Belüftungsanlage installiert, die das Tiefenwasser mit Sauerstoff anreichern und so die Zeitspanne zwischen den Entschlammungen vergrößern sollte. Durch Einträge von Laub und abgestorbenem Schilf werde im Laufe der Zeit die Schlammbildung im Horlachbecken begünstigt, so ein Stadtsprecher. Dies sei bei allen Gewässern mit starkem Randbewuchs schon immer der Fall.

Der Horlachgraben besteht quasi aus 13 Becken, die sich aneinanderreihen.
Der Horlachgraben besteht quasi aus 13 Becken, die sich aneinanderreihen. © Stadt Rüsselsheim

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