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Männer sind hier unerwünscht

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Auch die Trainerinnen kommen aus aller Herren Länder.
Auch die Trainerinnen kommen aus aller Herren Länder. © Annette Schlegl

Der Run auf das Angebot ist riesig: Bis zu 100 Frauen mit Migrationshintergrund lernen im Badehaus schwimmen. Dass der Verein für Fitness und Schwimmsport (VFS) sie auch zu Trainerinnen ausbildet und in den Vorstand integriert, hat ihm einen Preis eingebracht.

Montagabend, 20.30 Uhr im Badehaus Rödermark: Rund 55 Frauen tummeln sich im Nichtschwimmer- und Schwimmerbereich. Eigentlich nichts Besonderes – wenn sie nicht fast alle Frauen mit Migrationshintergrund wären. Die meisten sind im Badeanzug ins Wasser gegangen, ein paar tragen einen Ganzkörperanzug, einige wenige den Bikini.

Sie alle haben hier schwimmen gelernt oder lernen es gerade. Fünf Trainerinnen des Vereins für Fitness und Schwimmsport (VFS) Rödermark bringen ihnen eineinhalb Stunden lang bei, wie’s geht – und haben auch ein Auge auf das muntere Treiben, bei dem kein Mann erlaubt ist.

Die Vorsitzende Anne von Soosten-Höllings hat es vom ehemaligen Bundesminister Heinz Riesenhuber schriftlich: Der Kurs, den ihr Verein im Badehaus abhält, ist ein „Leuchtturmprojekt“. Nicht allein deshalb, weil der VFS bis zu 100 Frauen mit Migrationshintergrund jeden Montag das Schwimmen beibringt und freies Schwimmen ermöglicht. Wenn ein Verein unter 127 Bewerbern beim „Oddset-Zukunftspreis des hessischen Sports 2014“ den dritten Platz macht und 7000 Euro einheimst, muss mehr dahinterstecken.

Ehemalige Nichtschwimmerinnen heute Trainerinnen

Tut es auch: Der VFS hat einige Teilnehmerinnen zu Übungsleiterinnen ausgebildet. Trainerinnen mit Wurzeln aus der Türkei, aus Polen, aus dem Iran und aus Weißrussland instruieren die Frauen am und im Wasser. „Sie haben eine ganz andere Empathie“, hat von Soosten-Höllings festgestellt. So wie Effat Hafizi zum Beispiel. Die Mutter aus Afghanistan nahm das VFS-Angebot vor drei Jahren erstmals wahr. Mittlerweile bereitet sich die ehemalige Nichtschwimmerin auf die Prüfung zum Rettungsschwimmer vor und hilft beim Kinderschwimmkurs mit.

Integration funktioniert beim VFS aber auch in der Vereinsspitze: Seit vier Jahren hat die C-Lizenz-Trainerin Selda Öztürk den Vize-Vorsitz inne, die tunesischstämmige Manel Ebrahim ist seit zwei Jahren Vorstandsmitglied.

„Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe“ hat sich der 480 Mitglieder starke Rödermärker Schwimmverein auf die Fahne geschrieben. Und bezieht dieses Motto nicht nur auf das weibliche Geschlecht: Auch ein Schwimmkurs für männliche Flüchtlinge wurde schon durchgeführt.

Aus dem weiten Umkreis nach Urberach

„Wir würden uns wünschen, dass unser Engagement auf Vereine in anderen Städten ausstrahlt“, sagt Anne von Soosten-Höllings.

Bis jetzt steht der VFS mit seinem Angebot allein auf weiter Flur. Deshalb kommen die Teilnehmerinnen nicht nur aus Rödermark, sondern auch aus Offenbach, Darmstadt und aus dem weiten Umland. Wie alle anderen Mitglieder haben sie 100 Euro Beitrag pro Jahr zu berappen. Darin sind die Trainerstunden enthalten, und auch der Eintritt ins Badehaus ist inklusive.

Die Gründe, warum die Frauen im Alter von 16 bis 65 Jahren nicht schwimmen können, sind vielfältig. Eine 35-jährige Afghanin erzählt, dass sie in ihrer Heimat nicht schwimmen durfte. Bei ihrer 23-jährigen Landsmännin gab es kein Schwimmbad. Eine 21-Jährige mit pakistanischen Wurzeln hat in der Schule zwar schwimmen gelernt, hat es aber wieder verlernt.

Die Motivation von Malkoc Zeynep, der Kreisschulsprecherin des Kreises Offenbach, ist besonders groß: Die 16-jährige Nichtschwimmerin hat sich bei der Bundespolizei beworben und muss die 200 Meter demnächst in 7 Minuten schaffen.

Wer im kleinen Becken schwimmen gelernt hat, kann im großen Becken seine Bahnen ziehen, darf aber auch einfach nur planschen. Die Atmosphäre ist locker, es herrscht kein Drill. Wer seinen Schwimmstil verbessern oder eine andere Schwimmlage erlernen will, bekommt Erklärungen. Aber das ist kein Muss. „Wir betreiben hier keinen Leistungssport“, sagt die Vorsitzende.

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