Liebe Lehrkraft, Hand aufs Herz: Haben Sie schon mal geschwänzt? Vielleicht in der Schule die letzten Stunden „abgehängt“, im Studium morgens nicht aus dem Bett gekommen?
Was waren damals die Gründe? Erinnern Sie sich noch daran, wie es danach war, bei Ihrer Rückkehr in der nächsten Stunde oder am nächsten Tag? Gab es Kommentare?
Damit sind wir schon mitten im Thema Absentismus. Denn die Rückkehrsituation ist einer der entscheidenden Schlüsselmomente dafür, ob aus Einzelsituationen eine länger anhaltende Abwesenheit wird. Aber von vorne: Absentismus, das Fehlen in der Schule, bringt Erziehungsberechtigte genauso wie Lehrkräfte schnell an ihre Grenzen. Die gesetzliche Schulpflicht schreibt vor, dass alle im schulpflichtigen Alter die Schule besuchen. Tun sie es nicht, versäumen sie nicht nur den Stoff und können womöglich in der nächsten Arbeit scheitern, sie verlieren –
wenn es häufig vorkommt –
den Anschluss an ihre Klasse und oft auch den Bezug zu den Lehrkräften, zum Unterricht als sinnvoller Einrichtung, zur Schule als Ort für Kontakte. In einer Befragung im Rahmen des Schulbarometers 2022 geben 38 Prozent der Lehrkräfte an, dass Absentismus stark zugenommen hat (https://fr-vlg.de/37qyas). Warum wird geschwänzt? Warum hat sich das Problem jetzt zugespitzt und warum fehlen noch mehr Lernende in der Schule?
Erste Warnsignale
Der Weg in den Absentismus beginnt teilweise schon in der Grundschule mit den ersten Signalen von Unwohlsein in der Schule, dem Fehlen in einzelnen Stunden, dann Tagen, bis sich die „Karriere“ bei Einzelnen fortsetzt und der Schulbesuch gar nicht mehr sinnvoll oder gewinnbringend erscheint, Schule nicht mehr als der Ort der Zugehörigkeit empfunden wird. Oft gibt es auf der anderen Seite etwas, was gewinnbringender oder sinnvoller erscheint, etwa Zeit mit Freund:innen zu verbringen oder bei der Mama zu bleiben, weil es ihr nicht gut geht.
Absentismus erscheint damit häufig doppelt attraktiv – man vermeidet das Unangenehme und erlebt etwas Schönes oder Wichtigeres stattdessen. Der Schulabbruch als „Dropout“ ist für viele die Langzeitfolge von Absentismus.
Die Auslöser sind vielfältig, meist wirkt im Hintergrund ein ganzes Ursachengefüge. Die vordergründige Unlust hat oft tiefergehende Motive, als nur „keinen Bock“ zu haben. Die möglichen Ursachen lassen sich in vier Dimensionen unterscheiden, häufig mit Überschneidungen. Diese Belastungsfaktoren können dazu führen, dass Kinder oder Jugendliche vorübergehend nicht lernen können und sich nicht auf Schule und Unterricht einlassen:
- familiäre Krise (Trennung, Scheidung, Todesfall, nichtalphabetisierte Eltern ...)
- Lernkrise (Lernstörungen, Leistungsversagen, nicht erkannte Hochbegabung ...)
- psychologische Krise (Pubertätskrise, Schulangst, psychische Störungen ...)
- schulische Krise (negatives Schulklima, fehlende soziale Kontakte, langweiliger Unterricht, längere Phasen von Unter- / Überforderung, verletzendes Verhalten ...)
Sachsen-Anhalt hatte im Schuljahr 2019/20 die höchste Schulabbrecherquote mit etwa 10,2 Prozent. Daher hat das Bildungsministerium Sachsen-Anhalt die SEASA-Studie (https://fr-vlg.de/32b2io) in Auftrag gegeben, um Ursachen des Schulabbruchs herauszufinden und daraus Handlungsempfehlungen für Schulen abzuleiten. Die Studie fand, dass das Schulklima…