Karl-Martin Ricker
Vom Lehrervortrag zum selbstständigen Forschen
Schlage ich meiner 7. Klasse, die sich seit geraumer Zeit mit dem Bau und den Funktionen der Sinnesorgane befasst, vor, dass wir Schweineaugen sezieren können, dann erziele ich sofort die volle Aufmerksamkeit der Kinder. Einige sind begeistert und fragen, ob sie das auch selbst machen dürfen. Andere stellen sich das Sezieren sehr ekelig vor. Manche lehnen es aus verschiedenen Gründen ab. Auf jeden Fall sind alle emotional berührt und entsprechend aufgeregt. Das ist sehr verständlich. Umso wichtiger ist es für mich, in dieser Situation die Ruhe zu bewahren. Die Aufregung legt sich, wenn ich ankündige, dass ich zunächst ein Auge selbst sezieren möchte und dass das Zuschauen freiwillig ist. Lernende, die das nicht möchten, bekommen andere Aufgaben zum Thema. Darüber informiere ich auch die Eltern in einem kurzen Elternbrief.
Zu Beginn der Doppelstunde bemerke ich die Anspannung unter den Kindern. Eine Gruppe bekommt Augenmodelle und passende Aufgaben dazu, sodass sie selbstständig arbeiten kann.
Mit der am Sezieren interessierten Gruppe versammeln wir uns stehend um einen Tisch, den ich mit Zeitungspapier ausgelegt habe 1. Darauf befindet sich ein Augenmodell, eine noch abgedeckte, farbige Querschnittszeichnung eines Auges, Sezierbesteck, eine Petrischale und eine zunächst abgedeckte Petrischale mit einem Auge. Alle Beteiligten ziehen sich Einmalhandschuhe in passenden Größen an.
Auf diese Stunde habe ich mich gedanklich sehr gründlich vorbereitet. Ich möchte das Sezieren mit einem Vortrag begleiten, der die Schülerinnen und Schüler anregt, eigene Fragen zu stellen und Vermutungen zu äußern, sodass sich aus dem Vortrag allmählich ein echtes Lerngespräch entwickelt, an dem sich möglichst alle Lernenden aktiv beteiligen [Info]. Den Verlauf möchte ich hier skizzieren.
Der Lehrervortrag – eine überholte Methode oder doch sinnvoll? Ein Plädoyer
Der Lehrervortrag – eine überholte Methode oder doch sinnvoll? Ein Plädoyer
Es gibt immer noch viele Schulen mit einem Hörsaal. Frage ich die Lehrkräfte nach ihrer Nutzung dieses Raums, erfahre ich oft, dass dort gern mit der ganzen Klasse Filme geguckt werden. Für einen zeitgemäßen Biologie- oder NaWi-Unterricht mit einem hohen Anteil an selbstständigem Forschen und praktischem Arbeiten eignen sich diese Räume nicht.
Die Zeit des Lehrervortrags als dominierende Unterrichtsmethode ist lange vorbei. Viele unserer Schülerinnen und Schüler können nicht 45 Minuten oder gar länger aufmerksam einem Vortrag folgen. Aber ist das nicht sehr bedauerlich? Ist es richtig, wenn wir auf Lehrervorträge verzichten, nur weil uns junge Menschen nicht mehr lange genug zuhören können? Schließlich müssen sie über diese Fähigkeit auch in der Berufsausbildung und vor allem im Studium verfügen.
An die Stelle des Vortrags ist heute nicht selten das gelenkte Unterrichtsgespräch getreten. Die Lehrkraft übernimmt die Gesprächsleitung, erklärt, schreibt wichtige Aspekte an die Tafel, stellt Fragen zum Thema und kommentiert Antworten der Lernenden. Gespräche zwischen den Schülerinnen und Schülern wirken eher störend als bereichernd. Beobachtet man die Lernenden in solchen Stunden, erkennt man rasch, dass viele sich langweilen, nicht bei der Sache sind und abschalten. Das Unterrichtsgespräch findet im Wesentlichen zwischen der Lehrkraft und einigen aufmerksamen Schülerinnen und Schülern statt. Solche Situationen dürften für fast alle Beteiligten unbefriedigend sein. Schließlich möchten wir unsere Kinder und Jugendlichen für die Naturwissenschaften begeistern. Wie also erreichen wir ihre Aufmerksamkeit?
Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist das Anleiten zum selbstständigen Forschen der Lernenden. Dafür gibt es in Biologie 5 – 10 genügend Anregungen. Wir sollten aber auch nicht vergessen, das aufmerksame Zuhören bei einem Vortrag oder in einem Unterrichtsgespräch zu fördern. Wie beim…