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Sprache – Denken – Wirklichkeit

Sprache formt Denken und soziale Wirklichkeit. Sie lässt soziale Welt entstehen und erzeugt Vorstellungswelten beim Gegenüber. Auch prägt die Sprache die Wirklichkeitswahrnehmung. Wie macht Sprache das? Der Basisartikel liefert einen Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion.

In dem Film Arrival nimmt die Linguistin Louise Banks (Amy Adams) die Zeit plötzlich als geschlossenen Kreislauf wahr.
In dem Film Arrival nimmt die Linguistin Louise Banks (Amy Adams) die Zeit plötzlich als geschlossenen Kreislauf wahr. , © Allstars

aus: Praxis Deutsch Nr. 267 / 2018

Sprache – Denken – Wirklichkeit

  • Methode & Didaktik
  • Schuljahr 5-13
Thema Sprachgebrauch Autor/in Doris Tophinke Veröffentlicht 11.01.2018 Aktualisiert 25.08.2022

Doris Tophinke

Sprache formt Denken und soziale Wirklichkeit. Sie lässt soziale Welt entstehen und erzeugt Vorstellungswelten beim Gegenüber. Auch prägt die Sprache die Wirklichkeitswahrnehmung. Wie macht Sprache das? Der Basisartikel liefert einen Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion.

Dass Sprache Einfluss auf die Wirklichkeit hat, leuchtet mit Blick auf die Trauung im Standesamt unmittelbar ein. Den Kern der Trauung bildet ein ritualisierter Dialog, in dem ein bevollmächtigter Standesbeamte oder eine Standesbeamtin die Heiratswilligen fragt, ob sie die Ehe eingehen möchte. Antworten beide mit „Ja, so verändert sich quasi die Welt: Das Paar ist von dem betreffenden Moment an verheiratet und nun ein Ehepaar, mit sozialen und rechtlichen Konsequenzen. Den Philosophen John Austin hat dies zu der Erkenntnis geführt, dass das Sprechen hier gleichzeitig ein Tun ist. Es realisiert einen „Sprechakt, ist wirklichkeitsveränderndes Handeln in der Welt. Dies ist der Kerngedanke der Sprechakttheorie, die Austin entwickelt hat (Austin 1998, S. 35/zuerst 1962).
John Searle (1997/zuerst 1969) hat die Überlegungen weitergedacht und festgestellt, dass wir immer handeln, wenn wir uns sprachlich äußern. Mit unseren sprachlichen Äußerungen verbindet sich stets wenn auch nicht immer offenkundig ein Handlungssinn. Dies ist besonders deutlich bei sprachlichen Handlungen wie dem Taufen, Warnen, Drohen oder Befehlen. Aber auch dann, wenn wir „nur informieren oder berichten, so macht eben genau das das Informieren und Berichten den Handlungssinn aus. Sprachliches Kommunizieren nimmt als Handeln stets Einfluss auf die Welt.
Dass Sprache auch Einfluss auf das Denken hat, leuchtet ebenfalls ein. Wer etwa mit „Achtung, Auto! vor einem sich nähernden Auto gewarnt wird, dessen Denken richtet sich für den Moment auf die Gefahrenquelle aus. Sie wird zum Fokus seiner kognitiven Aufmerksamkeit, den er dann für den Moment mit der Person, die die Warnung ausgesprochen hat, teilt. Generell gilt: Sprachliche Äußerungen lösen stets gedankliche Aktivitäten und Verstehensprozesse aus. Man versucht, den Handlungssinn zu erfassen. Will die Äußerung informieren, warnen oder drohen? Und man erschließt unwillkürlich den Inhalt: Die Formulierungen rufen gedankliche Vorstellungen von Dingen, Sachverhalten, Ereignissen auf, die damit kognitiv, d.h. in den Köpfen der HörerInnen oder LeserInnen, „präsent werden, weitergedacht und mit Vorwissen verknüpft werden. Dies gilt für beiläufig gesprochene Äußerungen im Alltag ebenso wie für komplexe Schrifttexte. Sprache und Denken sind in diesem Sinne eng verbunden.
Das Themenfeld „Sprache, Denken, Wirklichkeit findet sich in fast allen Lehrplänen und Richtlinien für die Sekundarstufe IIund ist in fast allen Bundesländern als Abiturthema vorgesehen. Dies macht einerseits deutlich, dass ihm große Relevanz beigemessen wird, aber andererseits auch, dass die unterrichtliche Thematisierung als anspruchsvoll gilt. Das Heft nimmt das Thema in einer Perspektive in den Blick, die auch Anknüpfungspunkte für den Unterricht in der Primarstufe und in der Sekundarstufe I aufzeigt. Es rückt die Sprache in den Mittelpunkt der Trias und erschließt das Themenfeld vom beobachtbaren Sprachgebrauch her. Betrachtet wird einmal das Verhältnis von Sprachgebrauch und sozialer Wirklichkeit: Wie wird im alltäglichen Sprachgebrauch bzw. durch sprachliches Handeln soziale Wirklichkeit hergestellt und gestaltet? Gegenstand ist zum anderen das Verhältnis von Sprachgebrauch und Denken: Wie werden durch die spezifische sprachliche Gestaltung von Texten und Gesprächsbeiträgen bestimmte kognitive Vorstellungsbilder und Vorstellungswelten erzeugt? Dieser Zugang zielt auf eine Reflexion über Sprache und Sprachgebrauch, die Einsichten in die kognitiven und sozialen Funktionen von Sprache vermittelt. Er zielt auf ein verstehendes Lernen, in dem die Schülerinnen und…
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