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Der schwarzrotgoldene Schubert

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Rudolf Hans Bartsch hatte ihn zum „Schwammerl“ gemacht und H. Berte hat ihn im Dreimäderlhaus angesiedelt. Dieses Bild ist das durchaus herrschende. Oder vielmehr — es ist’« gewesen. Denn jetzt kommt man ihm anders, dem armen Schubert-Franz … Hans Berner nämlich zeichnet in sei

nem Büchlein „Schwarzrotgoldene Schubertiade“ eine recht militante Figur, einen Schubert, der kein „österreichischer Mensch“, sondern ein „deutscher Künstler“ aus sudeten- dputscher Handwerkerfamilie gewesen ist. Dies geschieht vor allem durch die Behauptung, daß Schubert und sein Freundeskreis . (Schober, Mayrhofer, Spaun, Bauernfeld und Senn) der im Jahre 1815 gestifteten Deutschen Burschenschaft und ihren radikalen Anschauungen recht nahegestanden seien. Als Hauptargument wird der Rapport des k. k. Polizeioberkommissärs von Ferstl bemüht, „über die Verhaftung des in den burschenschaftlichen Verein mitbefangenen Johann Senn, sowie die Beschimpfungen und Verbalinjurien, mit denen seine bei ihm befindlichen Freunde, unter ihnen Schulgehilfe aus der Rossau Franz Schubert usw. usw., losgegangen seien". Und der Autor kommt zu dem Schluß: „Zwischen den biedermeierbunt geblümelt eingebundenen Blättern von Schuberts kurzem, aber inhaltsschwerem Lebensbuch liegt als Merk- und Lesezeichen ein u n- vergilbtes schwarzrotgoldenes Band.“

Hierzu bemerkt der bekannte Schubert-Forscher Professor Otto Erich Deutsch, der seinerzeit auch den angeführten Polizeiakt vom März 1820 aufgefunden hat, daß es sich da um eine völlig willkürliche Interpretation handelt. Der Vorname Franz bei Schuberts Name wurde nämlich erst später ergänzt, und es ist sehr wahrscheinlich, fast sicher, daß es sich hier um Schuberts älteren Bruder Ignaz, einen Freigeist, gehandelt habe. Schubert wurde nicht verfolgt, und sein Name kommt in den Papieren, die sich später mit dieser Angelegenheit befassen, nicht mehr vor. Er hatte nichts mit den Wiener bzw. österreichischen Nachahmern der Deutschen Burschenschaffsbewegung zu tun, deren extremste Tat die Ermordung Kotzebues Anno 1819 gewesen ist.

Bezeichnend scheint uns auch, daß schon vor fünf Jahren ein Ostberliner Professor in einer Schubert-Biographie diesen gleichen Polizeiakt für seine (völlig andersgearteten) Tendenzen und Absichten bemüht hat.

Hat also der Schubert-Biograph Oskar Bie in seinem 1925 in Berlin erschienenen Buch doch recht, in dem wir lesen: „Dieses einfache, zufriedene und so sehr unpolitische Leben … Ja, die Unpolitik, wie beneidenswert lagert sie sich um Schuberts problemlose Musik“? Man darf ihm, zumindest was den ersten Teil dieses Zitates betrifft, auch nach dem heutigen Stande der Forschung, zustimmen.

Was die problemlose Musik Franz Schuberts betrifft — nun, das ist ein weites Feld, dem sich aber die politisch engagierten Biographen meist weniger widmen als dem schwarzrotgoldenen oder gar dem „roten“ Schubert, dem „Freund des Volkes“.

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