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111 Millionen

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Soll Österreich sich an der ausbrechenden Satellitenkonkurrenz im Weltraum beteiligen oder nicht? Der ORF-Generalintendant plädiert nachdrücklich dafür, die „Herausforderung an die österreichische Kulturnation'' anzunehmen. Es gibt aber auch allerlei Einwände. Wir bringen eine Gegenüberstellung der Argumente.

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Soll Österreich sich an der ausbrechenden Satellitenkonkurrenz im Weltraum beteiligen oder nicht? Der ORF-Generalintendant plädiert nachdrücklich dafür, die „Herausforderung an die österreichische Kulturnation'' anzunehmen. Es gibt aber auch allerlei Einwände. Wir bringen eine Gegenüberstellung der Argumente.

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1. Es geht hier längst nicht mehr um das Ob, sondern nur mehr um das Wie. Satellit und Kabel werden schon im letzten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts die Infrastruktur der postindustriellen Informationsgesellschaft schlechthin abgeben. Hier geht es nicht um das kulturpessimistische Wortpaar „machbar gegen wünschenswert“, sondern um das Mithalten in oder um das Aussteigen aus einer Kommunikationskultur, der man seit Jahrzehnten angehört.

2. Ohne ein Bewunderer oder gar Nachäffer der amerikanischen Zivilisation zu sein, steht außer Frage, daß die USA der Trendsetter sind: Wer dort aufmerksam hinsieht, kann sich ohne seherische Gaben als Prophet beweisen. Und was sieht man dort? Der Direktsatellit beginnt mit der Wucht eines „Elementarereignisses“ die Kommunikationslandschaft zu formen. Es verwechsle jetzt bitte niemand das Medium und seine Inhalte.

3. Das Exportland Österreich kann sich jetzt aussuchen, ob es via Satellit einen ideellen und materiellen Markt von kontinentalen Ausmaßen erschließen oder eine Sątelliten-Kolonie werden will.

Für die Dringlichkeit der diesbezüglichen Entscheidungen, vor der nun viele Länder stehen, spricht die Tatsache, daß die Vorlaufzeit von der Beschlußfassung bis zu Start und Betrieb eines Satelliten mehrere Jahre beträgt.

Ich möchte die wichtigsten Themen zusammenfassen:

1. Jeder Staat ist also unabhängig von seiner Größe zum Betrieb eines Satelliten mit maximal fünf Kanälen berechtigt. Jeder Kanal reicht für ein Fernsehprogramm oder für 16 Hörfunkprogramme in Stereoqualität aus.

In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre werden mehr als zehn Satellitenprogramme in Österreich empfangen werden können.

2. Europäische Rundfunksatelliten können mehr Zuschauer im Ausland erreichen als in „ihrem“ Inland. Dies gilt umso mehr, je kleiner das Land ist.

Wer auf sein Satellitenrecht verzichtet, überläßt sich der Fremdberieselung, ohne seinerseits die Chancen für Kulturexport, internationale Bewußtseinsbildung, Fremdenverkehr zu nutzen.

3. Zwischen der theoretischen und der praktischen Reichweite eines Satelliten liegt eine riesige Differenz, im Fachjargon „spillover“ genannt. So leben im vorgeschriebenen Zielgebiet eines österreichischen Satelliten rund 45 Millionen Menschen.

Das tatsächlich bestrahlte Gebiet, in dem auch noch mit kleineren Antennen österreichische Fernsehprogramme empfangen werden können, ist aber von ca. 111 Millionen Menschen bewohnt, die in beiden Deutschland, in der Schweiz, in der Tschechoslowakei, in Polen, Ungarn, Jugoslawien, Italien und Frankreich leben.

4. Satellitenprogramme werden wesentlich rascher als erwartet an gewaltige Abnehmermassen herankommen: über Gemeinschaftsantennen und Kabelanlagen.

5. Die Jahresleasingkosten (ohne Programmkosten) betragen nach heutigen Berechnungen für einen kleinen Satelliten mit drei oder vier Kanälen etwa 150 Schilling incl. Bodenstation. Die Preise haben im Augenblick noch sinkende Tendenz.

Für Österreich ergeben sich aus dem derzeitigen Entwicklungsstand folgende Möglichkeiten:

1. Ein eigener österreichischer Satellit, über den Hörfunk- und Fernsehprogramme verbreitet werden; das wäre die finanziell aufwendigste Lösung.

2. Österreich betreibt zusammen mit einem anderen Land einen gemeinsamen Satelliten. Aus neutralitätspolitischen Erwägungen und im Hinblick auf zwingende technische Fakten (gleiche Orbitalposition und gleiche Polarisation) böte sich wohl nur ein gemeinsamer Satellit mit der Schweiz an.

3. Einmieten in einen anderen Satelliten, der in seiner Überreichweite auch Österreich bestrahlt. Dafür käme vor allem der Satellit der Bundesrepublik Deutschland in Frage.

4. Totalverzicht auf die österreichische Teilnahme am Satellitenrundfunk mit allen Konsequenzen.

5. Die Finanzierung ist in folgenden Varianten denkbar:

• Finanzierung allein aus Werbung nach dem Muster Luxemburg durch kommerzielle Betreiber;

• Finanzierung durch Pay-TV, das heißt Abgabe der Satellitenprogramme gegen Abonnement;

• Finanzierung durch die öffentliche Hand, etwa nach dem Beispiel der internationalen Kurzwelle, die bekanntlich aus dem Bundesbudget versorgt wird.

Sollte der ORF von der Bundesregierung einen Satellitenauftrag erhalten, würden wir alle genannten Finanzierungsmöglichkeiten in Erwägung ziehen, um jene Methode zu finden, die,bei geringster Publikumsbelastung optimale Programmergebnisse garantiert.

Stellungnahme der Gesellschaft Für Kommunikationsfragen

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