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Apodiktisch rechthaberisch
Angst hat er, der Sepp Cap, nicht nur vor dem Dritten Weltkrieg. Der Ober-Juso und Androsch-Fresser menetekelt den Regierungssozialisten eine saftige Wahlniederlage für den Fall, daß es seinen Genossen nicht bald gelingt, eine Brücke zur ökologischen Bewegung zu schlagen.
Wie schwer sich die Sozialisten tatsächlich tun mit den Grünen, wurde wieder einmal deutlich bei der Diskussion „Umweltschutz und Arbeitsplatzsicherung", zu der die „Aktion Kritische Wähler" am 14. April ins Wiener Kongreßhaus geladen hatte.
Da beschwor Gesundheits- und Umweltschutzminister Kurt Steyrer die .Aussöhnung von Naturschutz- und Arbeitsplatzerhaltungsmaßnahmen". Darüber hinaus kündigte er eine vermehrte Mitwirkung seines Ministeriums bei der Erlassung von umweltwirksamen Verordnungen und die Errichtung einer Bundesanstalt für Umweltkontrolle und Strahlenschutz an.
Da warnte Arbeiterkammerpräsident Adolf Czettel vor einem „Barrikadenkampf". Gerade den Gewerkschaften, „mit ihrer hohen moralischen Reputation und integrativen Kraft", müsse doch der Schritt von der Konfrontation zum Dialog gelingen (Czettel). Ein bei der AK-Hauptversammlung in dieser Woche zu gründendes Institut für Ökologie und
Ökonomie soll dabei wertvolle Schützenhilfe leisten.
Allerdings scheint die Dialogfähigkeit der meisten Gewerkschafter ziemlich beschränkt. Nicht nur der Vorsitzende der Bau- und Holzarbeiter Roman Rautner ergeht sich lieber in verbal-aggressiven Ausfällen gegen die Umweltschützer, die man notfalls auch mit geballter Arbeiterfaust in die Schranken weisen werde.
Auch der Gewerkschaftschef der Chemiearbeiter Alfred Teschl meinte bei der erwähnten Veranstaltung, daß die Arbeitnehmervertreter zur Zeit wohl andere, dringlichere als grüne Sorgen hätten. Und Teschl qualifizierte dann, stellvertretend für alle Naturschützer Österreichs, die Anliegen des anwesenden Parade-Grünen Bernd Lötsch als „apodiktisch rechthaberisch".
Was immer das auch bedeuten mag.
Wahrscheinlich hat aber Teschl eine weitaus größere Anzahl von Genossen hinter sich, als die Vertreter einer rot-grünen Alternative für sich reklamieren können.
Erst unlängst referierte Ernst Gehmacher in seinem „Kurier"-
Gastkommentar eine vergleichende internationale Studie des Amerikaners Ronald Inglehart über Materialismus und Postmaterialismus. Ergebnis der Studie: In allen Industriestaaten überwiegen die Materialisten, also jene, die auch in nächster Zukunft auf Wirtschaftswachstum und Steigerung des Wohlstands setzen, selbst um den Preis von erheblichen Umweltschädigungen.
Und die Arbeit von Inglehart verweist auch auf ein Paradoxon: die Grünen müßten am meisten am Funktionieren unseres herkömmlichen Wirtschaftssystems mit seinem Hang zur Vergeudung von Ressourcen interessiert sein. Denn in „guten" Zeiten haben sie den relativ größten Zulauf. Wogegen in Krisenzeiten, in Zeiten wie diesen eben, sich die Massen ängstlich um die etablierten politischen Kräfte scharen.
In diesen Zeiten droht den roten Alternativlingen lediglich das Abschieben an den Rand der Partei, siehe etwa Glück und Ende der Cap-Blauschen „Rot-grünen Plattform".
Denn schon formieren sich im Lager der SPO Anti-Alternativ-
Gruppen, wie zuletzt der Verein „Sichere Energie — Sichere Zukunft", von Betriebsräten aus Wien und Niederösterreich gegründet, von der Industrie unterstützt. Die Betriebsräte haben für alternative Lebensformen und Verzichtsappelle wenig übrig und halten solches für Gedankenspiele einer elitären und ohnehin privilegierten Klasse.
Wenig hilft gegen ein derart verfestigtes Arbeiterbewußtsein auch die „Kirchenväter-Exegese", wie sie Peter Kreisky bei den „Kritischen Wählern" versuchte: der Junior-Kreisky und AK-Angestellte konnte nur wenig Zustimmung mit seinem Hinweis auf die grüne Tendenz des „Kapitals" erheischen.
Wie überhaupt auch die .Arbeiter-Zeitung" in ihrem Veranstaltungsbericht eher einem Wunschdenken erlegen ist, mit ihrer
Schlagzeile: „Trotz Differenzen — man kam sich um ein Stückchen näher."
Denn angesichts der Heftigkeit der Auseinandersetzungen erinnerte die Diskussion zwischen Gewerkschaftern und Umweltschützern bisweilen an die Positionskämpfe, an denen die bundesdeutschen Sozialdemokraten zu zerbrechen drohen.
Noch ein Wort zum Veranstalter selbst: von der ehemals potenten intellektuellen Gruppe ist kaum noch was übriggeblieben. Der Kammerschauspieler Alexander Trojan und die übrigen in nobles Tuch gehüllten Vertreter der roten Bourgoisie lassen kaum noch erahnen, welche Bedeutung einst den „Kritischen Wählern" rund um Reinhold Knoll und Werner Vogt beigemessen wurde.
Sic transit..., selbst in Zeiten wie diesen.
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