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Superding auf Pump

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Österreich gleicht einem Normalverdiener, der sich einen Cadillac auf Raten gekauft und nun Schwierigkeiten hat-, auch noch einen Kredit für einen Fernseher zu bekommen. Der Cadillac ist die UNO-City, die nicht nur das Bundesbudget belastet, sondern vor allem anderen, wahrscheinlich nützlicheren Projekten — nicht zuletzt in den Bundesländern — den Weg auf den Kapitalmarkt blockiert.

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Österreich gleicht einem Normalverdiener, der sich einen Cadillac auf Raten gekauft und nun Schwierigkeiten hat-, auch noch einen Kredit für einen Fernseher zu bekommen. Der Cadillac ist die UNO-City, die nicht nur das Bundesbudget belastet, sondern vor allem anderen, wahrscheinlich nützlicheren Projekten — nicht zuletzt in den Bundesländern — den Weg auf den Kapitalmarkt blockiert.

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Dabei mögen die jeweils 350 Millionen Schilling, die laut IAKW— Finanzierungsnovelle als Bundesbeitrag für die Jahre 1974 und 1975 vorgesehen sind, angesichts eines 160- Milliarden-Budgets gering anmuten. Anders sieht die Sache aus, wenn man bedenkt, wie winzig der Rest ist, über den der Finanzminister verfügen kann, sobald man den langfristig verplanten Budgetkuchen um den Anteil der Personal- und Sozialausgaben und sonstiger fest eingeplanter Budgetposten vermindert.

Vor allem aber sind die Bundesbeiträge um UNO-City-Bau, die seit 1972 fließen, nur kleine Anzahlungen auf ein Superding, das auf Kredit errichtet wird. Die Kreditkosten werden die Baukosten verdoppeln. Österreich hat sich wegen der UNO- City auf Jahrzehnte hinaus verschuldet. „Der vom Bund zu leistende Kostenersatz” soll, der IAKW-Novelle zufolge, 1976 auf 500 Millionen, 1977 auf 600 Millionen und immer weiter steigen, bis auf eine Endsumme von 800 Millionen, die ab 1990 (!) Jahr für Jahr fällig wird, bis eben die mittlerweile schon wieder unansehnlich gewordene UNO-City abgestottert ist.

Die Regierung hat zwar die Mehrkosten im Nationalrat, aber es blieb ihr nicht erspart, die Regierungsvorlage für ein „Bundesgesetz, mit dem das IAKW-Finanzierungsgesetz geändert”, sprich hinaufnovelliert wird, doch zur Begutachtung auszusenden. Die Antwort war ein Trommelfeuer von Kritik — nicht nur gegen die IAKW-Finanzierung, sondern auch gegen die Vorgangsweise des Finanzministers, der den demokratischen Begutachtungsvorgang zu einem Durchpeitschen zweckentfremdete.

Die Proteste gegen eine solche Vorgangsweise kamen aus der schwarzen wie aus der roten Reichshälfte. So rechnen etwa Präsident Hrdlitsch- ka und der Wiener Kammeramtsdi- riektor Scheer dem Finanzminister im Namen des sonst durchaus regierungsfrommen Arbeiterkammertages vor, daß ihnen die vom 18. Oktober datierte Vorlage erst am

31. Oktober zugestellt wurde, so daß infolge der Feiertage „unter Berücksichtigung des Postlaufs nur eine Frist von zwei Tagen zur Verfügung” stand, den Entwurf zu begutachten. „Die vorgesehene Befragung der Landesorganisationen” mußte deshalb entfallen. Aber die zwei Tage genügten der Arbeiterkammer doch, einige harte Kritik zu formulieren. Vor allem, „daß die vorliegende Schätzung von . einer optimistischen Beurteilung der künftigen Baupreisentwicklung ausgeht; eine detaillierte Stellungnahme zu den diesbezüglichen Schätzungen ist Jedoch mangels der erforderlichen Unterlagen nicht möglich.”

Überspielt fühlte sich auch die ^Öberösterreichische Landesregierung, die den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes als Zeugen der „für richtig gehaltenen Begutachtungsfrist für Gesetzesentwürfe von sechs Wochen” anrufit — Androsch ließ die sechs Wochen selbstherrlich auf wenig mehr als ebensoviele Tage schrumpfen.

Trotz des forcierten Tempos wurde ihm aber Gravierendes vorgehalten. So teilt etwa das Direktorium der Nationalbank dem Finanzministerium kurz und bündie mit. „daß über die Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarktes im Jahre 1975 angesichts der höchst unsicheren internationalen Wirtschaftslage keine verläßlichen Aussagen gemacht werden können. Man kann daher nur von der Annahme ausgehen, daß die wirtschaftliche Situation im Jahre 1975 nicht wesentlich anders als im(heurigen Jahr sein wird. In diesem Fall wird selbst die Plaoierung einer relativ kleinen Tranche schwierig sein, was bei der Finanzplanung anderer Projekte berücksichtigt werden muß.”

Im Klartext heißt das: Andere Vorhaben müssen zugunsten der UNO- City auf Kreditmittel verzichten, wenn alles so bleibt, wie es jetzt ist. Wenn der Kapitalmarkt aber noch unergiebiger wird? Könnte das einen erzwungenen Baustop bedeuten? Oder höhere Zinsen auf dem Anleihemarkt und damit noch höhere Kosten? Wohl letzteres.

Die Industriellenvereinigung empfiehlt denn auch, „die Realisierung des Vorhabens über einen längeren Zeitraum zu erstrecken”, was nichts anders heißen kann, als: langsamer zu bauen, dies freilich „im Rahmen der durch den kostenoptimalen Baufortschritt vorgegebenen Grenzen”.

Auch die Bundeskammer der Gewerblichen Wirtschaft kann „aufgrund der bereitgestellten Unterlagen” (die nicht gerade besonders aufschlußreich gewesen sein müssen) „weder die preis- und konjunkturpolitischen Auswirkungen noch die Annahmen über die Finanzierbarkeit und weitere Preis- und Kostenentwicklung” des Projektes beurteilen, dessen Kostenrahmen in der vorliegenden Novelle von 6,5 auf 12,8 Milliarden Schilling erhöht wird. Dies, während — so der Grazer ÖVP-Ab- geordnete Eduard Moser, der dem UNO-City-Untersuchungsausschuß als stellvertretender Vorsitzender angehört — der für die Finanzierung zuständige Vorstandsdirektor der IAKW die Gesamtkosten bereits mit, je nach der Länge des Finanzierungszeitraumes, 14,5 bis 17 (!) Milliarden Schilling berechnet, bei denen es dann hoffentlich bleiben wird — wenn, ja wenn die Baupreise wissen, was sich gehört.

Abgeordnete Moser rechnet dem Bauherren fdęr .Rautenminister hat diesen Kelch seinem Ressort weitgehend femgehalten, Bundeskanzleramt und Finanzministerium teilen sich nun in die Ehre) vor, daß die Kostenexplosion der UNO-City auch zu einer Explosion der Auslandsverschuldung in dieser Sache geführt hat: Österreich steuert bis zur Fertigstellung im Jahre 1978 Eigenmittel von ganzen 2,9 Milliarden bei, laut IAKW-Novelle müssen Auslandskredite in der Höhe von 5,1 Milliarden aufgenommen werden, für die wir zehn Milliarden zurückzahlen müssen. Nicht nur die nächste Regierung, viele Regierungen werden an den UNO-City-Schulden zu tragen haben.

Während im alten Finanzierungs- gesetz aus dem Jahre 1972 noch von 6,5 Milliarden Gesamtkosten die Rede war, und dies einschließlich der ersten Stufe des österreichischen Kongreßzenitrums, soll der Bau heute, nur zwei Jahre später, 12,8 Milliarden kosten. Ohne das österreichische Konferenzzentrum. Eine Steigerung auf mehr als das Doppelte in zwei Jahren. Was bedeutet, daß die Baukosten-Zunahme in den rund 20 Monaten seit Beschlußfassung des ersten IAKW-Finanzie- rungsgesetzes mehr als sieben Millionen Schilling täglich betragen hat. Eine gigantischere Kostenexplosion hat wohl in Österreich noch niemals und auf keinem Sektor stattgefunden.

Was denn auch die Steiermärkische Landesregierung in ihrer Stellungnahme zu der Befürchtung veranlaßt, „daß die Bundesregierung immer mehr die Kontrolle über dieses Projekt verliert, da die Weisungskompetenzen an die IAKW zwischen Bundeskanzler, Finanz- und Bautenminister nicht hinreich- chend genug geklärt sind.”

Die Bundes-Ingenieurkammer hat Einwände gegen die IAKW-Aktien- gesellschaft-Konstruktion, „deren Kontrolle begrenzt ist” — der Rechnungshof kann nur nachträglich kontrollieren, was, so die Ingenieurkammer, „die verständlichen Interessen der Öffentlichkeit aus deren Sicht” nicht ausreichend wahrzunehmen gestattet. Die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammerin wiederum setzt die UNO-City-Aufwendüngen in Beziehung zu vergleichsweise tatsächlich geringen Beträgen, die den österreichischen Bauern für die Umwandlung der Zuschußrenten in Bauempensionen „unter Hinweis auf budgetäre Gründe… abgelehnt wurden”. Das Begutachtungsverfahren war ein klares Begutachtungs- Waterloo, was aber an den Realitäten nichts ändert: die Gelidverbren- nungsanlage muß nun in Schwung gehalten werden.

Pie UNO-City-Verteidiger fahren vorzugsweise mit ziwei Argumenten auf. Mit dem. Hinweis, auf die. Arbeitsplätze, die auf dieser größten Baustelle Österreichs geschaffen werden. Dies vor allem. Und zweitens mit den Vorteilen, die die Ansiedlung von UNO-Organisatiomen in Österreich bringt. Beide Argumente werden von der Opposition vom Tisch gewischt.

„Man kann doch nicht davon ausgehen”, formuliert Moser die Gegenargumente vieler UNO-City-Stür- mer, „daß die Leute, die die UNO- City bauen, anderenfalls arbeitslos wären. Zugunsten der UNO-City müssen viele andere Projekte in ganz Österreich zurückgestellt oder gebremst werden, da dieses Projekt unsere Finanzierungs-Resourcen bis über alle Grenzen strapaziert. Würde die UNO-City nicht gebaut, könnten an vielen Stellen Österreichs andere Projekte in Angriff genommen werden — Investitionen und Arbeitskräftebedarf könnten viel günstiger verteilt werden.”

Vielleicht werden Wirtschaftshistoriker eines Tages die Geschichte der UNO-City als Beispiel dafür studieren, welche Fehlentwicklungen ein- treten können, wenn die Kontrolle über ein an sich bestens zum Kristallisationskern kleinstaatlicber Großmannssucht geeignetes Projekt entgleitet, wenn es sich zu verselbständigen beginnt — als Pendant zum Cadillac, den ein Normalverdiener auf Raten kauft, weil er die Möglichkeiten, Prestige zu amortisieren, überschätzt.

Denn die Tatsache, daß die UNO- City viel zu groß geraten ist, läßt sich heute nicht mehr übertünchen. Den 4700 Arbeitsplätzen, die hier für UNIDO und IAEA (Atomenergiebehörde) entstehen, steht ein Bedarf von insgesamt 2325 Arbeitsplätzen gegenüber. Und daß das Wucherwachstum der internationalen Organisationen ausgewuchert hat, geht allein schon daraus hervor, daß der Personalstand der JAEA von 1972 auf 1973 von 1127 auf 1129 gestiegen ist — um insgesamt zwei Personen. Eklund erklärte dem Vernehmen nach eindeutig: „Mehr brauchen wir nicht!”

Die Erfolge Österreichs, weitere internationale Organisationen zu uns zu ziehen, waren mäßig — nicht zuletzt deshalb, weil bekanntlich das

Gewicht der Dritten Welt in der UNO gewaltig zugenommen hat und damit auch die Tendenz, die Sitze der UNO-Unterorganisationen in Städte der Dritten Welt zu holen. Österreich erklärt heute seine Bereitschaft, den internationalen Organisationen Büroraum „auf nichtkommerzieller Basis” zur Verfügung zu stellen. In einem bestimmten Fall wurde von der UNO trotzdem Büroraum — in Genf gekauft. (Wobei der Bau von Büroräumen heute deni Vernehmen nach in Österreich 50.0ÖÖ Schilling, in.,,d$£. Schweig. J&OOO Scfcjjlipg pro Quadratmeter kosten soll.)

Vor diesem Hintergrund erscheinen verschiedene, nichtsdestoweniger verwunderliche, Vorgänge weniger bedeutend — wenn auch noch immer anmerkenswert. So ging etwa die Ankündigung des Bundeskanzlers in der Nationalratssitzung vom 21. Mai 1974, „im Zusammenhang mit dem Konzept für die nächste Phase in der Stabilitätspolitik eine Reihe besonderer Sparmaßnahmen ins Auge zu fassen” und in der UNO- City nur so viel zu bauen, wie „auf Grund von völkerrechtlich verbindlichen Zusagen der Regierung Klaus aus dem Jahre 1967 unvermeidlich” sei, in die Geschichte der österreichischen Polit-Folklore ein: Im Mai 1974 ließ sich nichts mehr ändern, die Ankündigung war offenbar ein Ausfluß von Wunschdenken, vielleicht gelinder Verzweiflung.

Bemerkenswert auch die Großzügigkeit, mit der die Honorare des deutschen Bau-Koordinators (der sozusagen als Super-Bauleiter des Super-Dings an der Donau fungiert) an die Baukosten gekoppelt wurden — was eine Honorarexplosion im Gefolge der Kostenexplosion zur Folge hatte. Das 1971 festgelegte 127-MiI- lionen-Schilling-Honorar war an die Bausumme von (damals) 2,25 Milliarden gekoppelt und stieg mit ihr auf Ansprüche von bislang bereits 300 Millionen. Eine Indexsicherung des Honorars hätte wesentlich geringere Steigerungen zur Folge gehabt.

Darüber wurde bereits genügend gesprochen. Die interessanteste Dimension dieser Fehlleistung, falls es eine war, ist ihr Indiziencharakter. Sie deutet darauf hin, daß der Wirklichkeitsverlust des damals noch frischgebackenen Establishments der Regierungspartei in Sachen UNO- City bereits in einem sehr frühen Stadium dieses Weges in eine Sackgasse begonnen hatte. Mag sein, daß dieser Wirklichkeitsverlust das Resultat eines allzu erfolgreichen Versuches war, die Realität zu verdrängen, aus dem Bewußtsein zu bannen, von sich zu schieben. Wie es ja auch der Normalverbraucher tut, wenn er bei einem Cadillac-Kauf blindlings die Wechsel unterschreibt.

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