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Tierschutz Das Unwissen über die Milchproduktion ist entlarvend

Kalb hinter Gitter mit Eimer
Kälber aus der Milchproduktion werden in der Regel gleich nach der Geburt von ihren Müttern getrennt
© Krick / AGRAR-PRESS / picture alliance
Einer Umfrage zufolge weiß nicht einmal jeder Dritte, dass Milchkühe gleich nach der Geburt von ihrem Kalb getrennt werden. Noch weit weniger bekannt sein dürfte: Für Millionen "überschüssige" Kälber der Milchindustrie gibt es keinen Markt. Sie müssen nur irgendwie weg. Ein Kommentar

Wer Bio-Milch kauft, glaubt oft, mit ein paar Extra-Cent aktiv etwas für den Tierschutz zu tun. Schließlich geht es Bio-Milchkühen besser als ihren konventionell gehaltenen Artgenossen, von denen viele buchstäblich in Ketten leben und nie eine Weide sehen. Bio-Kühe dagegen haben Auslauf, bekommen besseres Futter ohne Gentechnik, Dünger und Pestizide. 

Alles fein also. Wäre da nicht das "Kälberproblem".

Kühe geben nicht "von Natur aus" Milch. Sie werden, damit sie ununterbrochen Milch produzieren, einmal im Jahr künstlich befruchtet und bringen ein Kalb zur Welt. Von dem sie meist gleich nach der Geburt getrennt werden. Die 3,8 Millionen Milchkühe in Deutschland gebären also jedes Jahr etwa ebenso viele Kälber, von denen nicht einmal jedes dritte zum Auffüllen der Milchkuhbestände gebraucht wird.

Sind die Neugeborenen nicht robust genug, ist ihr Leben schon zu Ende, bevor es richtig angefangen hat: Die Kosten für eine tiermedizinische Behandlung liegen oft weit über dem möglichen Verkaufspreis. Viele von ihnen – die Tierschutzorganisation ProVieh schätzt, dass es zwischen 10 und 20 Prozent sind – sterben in den ersten vier Wochen nach ihrer Geburt. Es müsse davon ausgegangen werden, schreibt die NGO, dass ein Teil der Milchviehkälber getötet oder unzureichend versorgt werde.

Da es vor allem für die männlichen Tiere keinen Markt gibt, werden die überlebenden "überzähligen" Jungtiere an Mastbetriebe verramscht. Sie müssen, oft mehrfach in ihrem kurzen Leben, stundenlange LKW-Transporte erdulden – im schlimmsten Fall in sogenannte Drittländer. Immer wieder sorgen vor allem Massentransporte per Schiff für Empörung. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, droht vielen der verkauften Tiere am Ende ihres Leidensweges auch noch ein besonders grausamer Tod: Beim Schächten wird den Tieren bei vollem Bewusstsein die Kehle bis zur Wirbelsäule durchschnitten.

All das geschieht Tieren, die auch aus Bio-Betrieben stammen. Und es erinnert an ein anderes inzwischen geradezu berüchtigtes Tierschutzproblem: das in Deutschland mittlerweile verbotene Kükenschreddern. Auch in der Eiererzeugung fallen lebende Wesen sozusagen als ungewollte Nebenprodukte an. In manchen Ländern, darunter Großbritannien und Neuseeland, ist es sogar üblich, wie beim Kükenschreddern, die neugeborenen Kälber direkt nach der Geburt zu töten und zu entsorgen.

Dass und wie viele Tiere für ihre (Bio-)Milch sterben müssen, wollen Menschen, die glauben, mit ihrer Kaufentscheidung etwas für den Tierschutz zu tun, vermutlich gar nicht so genau wissen. Das lässt eine Umfrage der Universität Hohenheim vermuten. Mehr als jedem dritten Befragten (37 Prozent) war demnach nicht einmal klar, dass Mutter und Kind meist direkt nach der Geburt voneinander getrennt werden.

Doch wie könnte nun die Lösung des "Kälberproblems" aussehen?

Man könnte versuchen, das Fleisch der Kälber in Deutschland (besser) zu vermarkten. Man könnte den Zyklus bis zur nächsten künstlichen Besamung um einige Monate verlängern, die Tiere im Betrieb oder auf der Wiese schlachten, Mutter und Kind länger zusammen lassen. Ach ja: oder einfach keine Milchprodukte kaufen.

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