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Astronomie Heller als der Polarstern: Satellitenschwärme stören die Erforschung des Nachthimmels

Leuchtspuren des Satelliten BlueWalker 3 am Nachthimmel
Leuchtspuren des Satelliten "BlueWalker 3" über dem Observatorio Astronomico Nacional in Mexiko. Das Bild ist aus mehreren Aufnahmen zusammengesetzt, die Lücken entsprechen den Belichtungspausen
© I. Plauchu-Frayn / dpa
Zehntausende Satelliten dürften bald um die Erde kreisen. Schon jetzt zählt "BlueWalker 3" zu den hellsten Objekten am Nachthimmel. Das beeinträchtigt die Suche nach Sternen, Prognosen zum Weltraumwetter - und das Erspähen von Himmelskörpern auf Kollisionskurs zur Erde

Der Satellit "BlueWalker 3" zählt zu den hellsten Objekten am Nachthimmel. Das geht aus internationalen Beobachtungen von Amateur- und Profi-Astronom*innen in verschiedenen Ländern hervor, wie ein Forschungsteam um Siegfried Eggl von der University of Illinois in Urbana-Champaign in der Fachzeitschrift "Nature" berichtet. Der 2022 gestartete Satellit ist der Prototyp eines Kommunikationssatelliten. Der Betreiber will in den kommenden Jahren mehr als 200 Stück in die Erdumlaufbahn bringen will – mit voraussichtlich großen Auswirkungen auf astronomische Beobachtungen von der Erde aus.

Wenn Astronomen Fotos mit Langzeitbelichtungen machen, um lichtschwache Sterne aufzunehmen, haben sie immer öfter helle Streifen im Bild. Diese Streifen stammen von Satelliten, die durch das Beobachtungsfeld fliegen und das Sonnenlicht reflektieren. Die  Kosten für die Platzierung von Satelliten in niedrigen Erdumlaufbahnen - also unter 2000 Kilometer Flughöhe - sind stark gesunken. So ist eine Industrie entstanden, die in den kommenden Jahren zwischen mehreren zehntausend bis weit über hunderttausend Satelliten ins All bringen will.

Allein in den USA haben Raumfahrtunternehmen mit der Federal Communications Commission (FCC) nach Angaben Eggls über 400.000 Satelliten verhandelt, die in naher Zukunft gestartet werden könnten. "Es gibt nur 1000 Sterne, die man mit bloßem Auge sehen kann", wird Eggl in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. "Das Hinzufügen von 400.000 hellen, sich bewegenden Satelliten könnte den Nachthimmel völlig verändern."

Je nach Stand der Sonne und Flugbahn ist BlueWalker 3 unterschiedlich hell. Im April 2023 maßen Astronomen bei ihm eine Helligkeit der Magnitude 0,4 – damit war der Satellit heller als der Polarstern, wenn auch bei Weitem nicht so hell wie die Internationale Raumstation ISS. "BlueWalker 3 steht bei der Helligkeit aller Himmelskörper einschließlich Sonne und Mond auf Rang 17", sagt Gyula Józsa vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn, der nicht an der Studie beteiligt war. Der Grund für die Helligkeit: Der Satellit trägt für seine Aufgabe, Signale von gewöhnlichen Mobilfunkgeräten zu verarbeiten, eine 64,3 Quadratmeter große Antenne.

Józsa hat gerade ein Symposium der Internationalen Astronomischen Union (IAU) zum Thema "Astronomie und Satellitenkonstellationen" auf den Kanarischen Inseln besucht. Dort hatten Astronomen Aspekte des Problems diskutiert. Gefährdet ist dem Forscher zufolge nicht nur die forschende Himmelsbeobachtung, sondern unter anderem auch die Vorhersage des Weltraumwetters und die Suche nach Himmelskörpern, die der Erde gefährlich nah kommen könnten.

Bei der Konferenz ging es auch um Abhilfemaßnahmen. Mit SpaceX, dem Betreiber des Starlink-Satellitennetzwerks für einen weltweiten Internetzugang, stehe man in guten Verhandlungen, berichtet Józsa. Allerdings sei das Problem nicht dadurch zu lösen, dass man Satelliten außen dunkler mache, damit sie weniger Sonnenlicht reflektierten. Denn dunklere Flächen nehmen mehr Sonnenlicht auf und erhitzen das Objekt. "Hitze ist eines der größten technischen Probleme, die wir im Weltraum haben – alles schwarz anzumalen hat also Konsequenzen", betont auch Eggl.

Störsignale: BlueWalker 3 funkt in einem kritischen Bereich

Eine Überlegung bei SpaceX sind besondere Spiegel, die es erlauben würden, das reflektierte Licht an der Erde vorbeizulenken. "Wenn SpaceX die Sonnenkollektoren in eine andere Richtung richten kann, um Glitzereffekte zu vermeiden, könnten sie viele Probleme lösen, die wir mit dem optischen Aufflackern von Starlink-Satelliten haben", sagt Eggl. Allerdings seien solche Maßnahmen nicht unbedingt auf andere Satelliten übertragbar. 

Außerdem kosten die Maßnahmen Geld, und nicht alle Unternehmen sind kooperativ. Deshalb setzen die Autoren der "Nature"-Studie auf internationale verbindliche Regelungen. Sie fordern, dass bei Zulassungsverfahren zum Betreiben von Satelliten auch geprüft wird, wie sich deren Konstellationen auf astronomische Beobachtungen auswirken.

Der Bonner Astronom Józsa macht zudem auf Probleme für die Radioastronomie aufmerksam, also für die Messung von Radiowellen aus dem Weltall. Zum einen liegen die von BlueWalker 3 genutzten Frequenzbänder in unmittelbarer Nachbarschaft zu jenen, die für die Radioastronomie reserviert sind, was Radiowellen-Signale stören könne. Zum anderen emittieren Satelliten, auch wenn sie nicht senden, elektromagnetische Strahlung, wie ein Team um Józsa im August in der Fachzeitschrift "Astronomy & Astrophysics" schrieb.

Stefan Parsch dpa

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