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Mentale Fesseln abgelegt

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Mit Energie und enormem Durchsetzungsvermögen bringt es Lenny Rubin auf neun Treffer (!/hier gegen TBV-Keeper Finn Zecher) und hat damit großen Anteil am zweiten Wetzlarer Heimsieg dieser Bundesliga-Saison. © Oliver Vogler

Die HSG Wetzlar hat im Abstiegskampf der Handball-Bundesliga einen wichtigen Sieg gefeiert. Das 26:24 gegen den TBV Lemgo-Lippe beendet die monatelange Heimmisere und vergrößert den Abstand zu den Abstiegsplätzen auf nunmehr vier Punkte.

Als Hendrik Wagner nach 44:44 Minuten die HSG Wetzlar im Bundesliga-Heimspiel gegen TBV Lemgo Lippe endlich mit 18:17 in Führung geworfen hatte, war der Bann gebrochen. 2:6-Fehlstart (12.) vergessen, den ein halbes Dutzend Mal verpassten Ausgleich abgehakt. Endlich war der Weg frei zum herbeigesehnten Befreiungsschlag im Abstiegskampf der Handball-Bundesliga. Das 26:24 (10:11) gegen die Ostwestfalen vom Donnerstagabend nährt die Hoffnung, dass auch nach der 25. Jubiläumssaison in der Buderus-Arena die Erstliga-Lichter weiter angeknipst werden.

Davor stand allerdings der nächste Fehlstart in eine Heimpartie. Bis zum 2:6 nach nur zwölft Minuten wirkten die Aktionen der HSG-Angreifer ebenso überhastet, unvorbereitet und in die Irre führend wie die Wärmepumpenverordnung der Bundesregierung. Ein Cavor-Fehlwurf reihte sich an den nächsten voreiligen misslungenen Rubin-Versuch. Lemgo, mit offensiver Abwehr gegen die komplette Rückraumachse der Grün-Weißen, agierte zielstrebiger, drahtiger, geordneter.

Derweil sich die Mittelhessen wieder mehr technische Fehler gönnten als die ÖPVN-Benutzer das 49-Euro-Ticket, vermochte Lemgos Antreiber Tim Suton die Gastgeber-Deckung bis zum 4:7 (19.) schon viermal lehrbuchhaft wackelnd zu düpieren.

Nach einer Viertelstunde hatte Interimscoach Jasmin Camdzic bereits mächtig durchgewechselt, dabei Ole Klimpke zu seinem Comeback nach langer Dormagen-Ausleihe verholfen - und über mehr Engagement, mehr Aufmerksamkeit in der Deckung den Tempo-Flow der Ostwestfalen eindämmen können.

Trotz dreier Lemgoer Treffer über die schnelle Mitte witterten die Rubin und Co. über dessen 7:8 (20.) wieder Morgenluft, brachten sich aber bis zum Pausen-10:11 noch mit konzeptlosem Angriffsspiel um die Früchte ihrer kompromisslosen Abwehrarbeit. Auch weil von der Bank einige nur schwer nachvollziehbare Ein- und Rückwechslungen (Wagner, Ole Klimpke) den eigenen Aufwind wieder abflauen ließen.

Leidenschaft, Aufopferungsbereitschaft, Kampf bis zum letzten grün-weißen Blutstropfen. Exakt bis zur 44:44 Minute dauerte es, ehe Hendrik Wagner geistesgegenwärtig mit einem Wurf ins leere Lemgoer Tor für das 18:17 und damit die erste Gastgeber-Führung der Partie überhaupt sorgte. Endlich verschmolzen Tribüne und Parkett, endlich entflammte Abstiegskampf pur.

Wegbereiter für eine hochdramatische Crunchtime war auch Nationaltorhüter Till Klimpke zwischen den Wetzlarer Pfosten, der vier, fünf TBV-Geschosse parierte und dafür sorgte, dass im Angriff endlich über Außen (dreimal Weissgerber) getroffen wurde und im Rückraum Lenny Rubin und Hendrik Wagner ihre mentalen Fesseln ablegten.

Was folgte, war eine einzigartige Jubelorgie in grün-weißen Farben. Alle Blockaden abgelegt, explodierte Lenny Rubin, ließ Hendrik Wagner auf Rückraum rechts die Halle beben - und als der Schweizer Rückraum-Hüne beim 23:21 in der 56. Minute endlich für die langersehnte Zwei-Tore-Führung sorgte, war die Erlösung vom ersten bis zum letzten Arena-Besucher zu spüren.

Mit einem spektakulären Paraden-Dreierpack gegen drei Lemgoer freie Würfe und Abpraller nach 59:10 Minuten in sagenhaften drei Sekunden (!) krönte Torhüter Anadin Suljakovic den Wetzlarer Befreiungsschlag im Bundesliga-Abstiegskampf. Mit dem 26:24 von Adam Nyfjäll gegen die offene Lemgoer Deckung wurde die Arena endgültig mit Tausenden an Freudentränen geflutet.

»Das war die stärkste Abwehrleistung über 60 Minuten der gesamten Saison«, wusste Interimscoach Jasmin Camdzic schnell, worin dieser befreiende Erfolg nach sieben sieglosen Heim-Monaten begründet war. Hendrik Wagner, der in Abwehr und Angriff überzeugte, »war einfach nur glücklich«.

Wetzlar: Till Klimpke (6 Paraden), Suljakovic (7); Nyfjäll (2), Schmidt, Ole Klimpke (1), Becher (3), Weissgerber (3), Schelker, Fredriksen (1), Pliuto, Wagner (5), Rüdiger, Mellegard, Rubin (9), Cavor (2).

TBV Lemgo Lippe: Zecher (8 Paraden), Kastelic (0); Hutecek (5), Zehnder (5), Brosch (2), Isaias Guardiola, Laerke, Schagen, Blaauw, Schwarzer, Suton (5), Zerbe (2), Versteijnen (3), Gedeon Guardiola (2), Houtepen.

Im Stenogramm / Schiedsrichter: Heine/Standke (Wendeburg/Ronneberg). - Zuschauer: 2850. - Zeitstrafen: Keine. - Siebenmeter: 3/5:1/2.

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Endlich: Anadin Suljakovic schreit die ganze Freude über den überlebenswichtigen 26:24-Erfolg der HSG Wetzlar gegen den TBV Lemgo-Lippe heraus. © Oliver Vogler

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