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Nirmal Purja: Was treibt den Mann an, der Bergsteiger-Geschichte schreibt?

In nur einem Jahr ist Nirmal Purja auf die 14 höchsten Gipfel dieser Welt gestiegen – ein Wagnis, das bis vor Kurzem noch als unmöglich galt. Im GQ-Interview erzählt der Extrem-Bergsteiger, wie er das geschafft hat.
Nimsdai Purja Everest Bremont Project
Nimsdai Purja Everest Bremont ProjectOsprey Europe, Nimsdai 

Nirmal Purja hat dieses Jahr Bergsteiger-Geschichte geschrieben: Zusammen mit seinem zehnköpfigen, nepalesischen Team bestieg er im Winter den K2. Damit sind sie die ersten Bergsteiger, die unter extremen Winterbedingungen auf dem Gipfel des zweithöchsten Berges der Welt – nach dem Mount Everest – standen. Und nicht nur das: Nirmal Purja brach auch den Rekord für die Besteigung aller 14 höchsten “Todeszonen”-Gipfel der Welt – mit einem Zeitraum von nur sechs Monaten und sechs Tagen. Der vorherige Rekord lag bei knapp acht Jahren. (Der deutsche Bergsteiger Jost Kobusch definiert Männlichkeit für sich ganz neu)

Nirmal Purja – sein Background 

Nirmal Purja ist ein ehemaliger Gurkha – also ein nepalesischer Soldat im Dienst der British Army – und diente dem britischen Special Boat Service (SBS). Zusammen mit seinen Kollegen Mingma David und Mingma Tenzi – die ebenfalls den K2-Winterrekord gebrochen haben – gründete Nirmal Purja das Bergführerunternehmen “Elite Exped”. Dieses hat das Ziel, Menschen dabei zu helfen, ihre Ziele beim Bergsteigen (auf den höchsten Bergen der Erde) zu erreichen. 

Kürzlich startete Nimsdai die neue Mission – “The Big Mountain Cleanup”. Das Projekt zielt darauf ab, die Umgebung der “Big Mountains” zu schützen und wiederherzustellen und den Berggemeinden zu helfen, die diese ihr Zuhause nennen. In seinem Buch “Beyond Possible: One Soldier, Fourteen Peaks ― My Life In The Death Zone: The man and the mindset that summitted K2 in winter” beschreibt der Nepalese seinen Weg zum Bergsteiger-Erfolg.

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Nirmal Purja im GQ Interview

in weniger als sieben Monaten hat es Nirmal Purja also geschafft die 14 höchsten Berge der Welt zu erklimmen – mit einem Fundraising, dass er selbst auf die Beine gestellt hat und starken Partnern wie Osprey, Scarpa und ThruDark – für die 14 Gipfel hat er zum Beispiel den Aether Pro Rucksack von Osprey getragen (Aether Trekking Rucksack 70 L von Osprey gibt es für 216 Euro bei Amazon).

Wir haben mit Nirmal Purja über Motivation gesprochen, die Suche nach der nächsten Herausforderung und warum Leidenschaft wichtiger als alles andere ist. 

GQ: Können Sie sich an das Gefühl erinnern, als Sie Ihren ersten Berggipfel erklommen haben?

Nirmal Purja: Ja, das Besteigen meines ersten Everest-Gipfels war etwas beschwerlich. Das lag daran, dass ich keine Zeit hatte, mich zu akklimatisieren. Zu diesem Zeitpunkt (2012) diente ich noch in den britischen Spezialeinheiten. Ich weiß noch, dass mein glücklichster Moment fünf Meter vor dem Gipfel war. Da wusste ich, dass ich es definitiv schaffen werde. In diesem Moment war ich so aufgeregt – die Sonne ging gerade auf – das war einfach wunderbar. 

Sobald ich den Gipfel erreicht hatte, war mein erster Gedanke: ‘Okay, wow! Jetzt muss ich sicher wieder runter kommen.’ Wenn man zum ersten Mal versucht, den Everest zu besteigen, dann sagen viele Leute – und das ist sehr wahr – dass der Gipfel nur die halbe Strecke ist. Denn viele Menschen sterben beim Abstieg.

Nirmal Purja in voller Ausrüstung auf dem Berg unterwegs.

Nimsdai, Osprey Europe

Wie hat Ihre Karriere als Bergsteiger begonnen?

Um ehrlich zu sein, hatte ich bis 2012 nicht ein einziges Mal daran gedacht, den Everest zu besteigen. Als ich während meiner Karriere bei den Special Forces in verschiedenen Ländern unterwegs war, fragte man mich immer wieder, woher ich komme. Ich sagte: “Ich komme aus Nepal”. Daraufhin fragte jeder: “Haben Sie jemals den Everest gesehen? Haben Sie den Everest bestiegen?” 

Ich bin in der Dhaulagiri-Region in Nepal geboren und in Chitwan, im Flachland des Landes, aufgewachsen. Daher habe ich den höchsten Berg der Welt noch nicht mal gesehen. Also beschloss ich, während meines Weihnachtsurlaubs 2012 meine allererste Wanderung zum Everest Base Camp zu unternehmen. Das veränderte alles für mich: Ich begann zu klettern – und bin süchtig danach geworden!

Warum war es für Sie so wichtig, all diese Berge in so kurzer Zeit zu besteigen?

Bevor ich alle 14 “Todeszonen”-Gipfel 2019 bestiegen habe, konnten sich die Leute nicht vorstellen, dass dies möglich sein würde – geschweige denn, in etwas mehr als sechs Monaten. Normalerweise dauert es etwa zwei Monate, um einen 8.000er zu besteigen. Selbst in diesen zwei Monaten ist es so harte Arbeit, dass nicht jeder Bergsteiger den Gipfel erreicht. Einige der 8.000er wie K2 und Annapurna haben sehr niedrige Erfolgsquoten. 

Ich wollte der Welt zeigen, dass nichts unmöglich ist, wenn man sein Herz, seinen Verstand und seine Seele hineinsteckt. Deshalb war es für mich so wichtig, diese Berge in einer sehr kurzen Zeit zu besteigen. Aber es gab nicht nur diesen einen Grund. Ich wollte auch das Bewusstsein für den Klimawandel schärfen und auf die nepalesischen Bergsteiger und Sherpa aufmerksam machen, die seit Generationen Menschen dabei helfen, ihren Traum vom Besteigen der großen Berge zu verwirklichen.

Wie haben Sie sich auf dieses Mammut-Projekt vorbereitet?

Ich hatte ehrlich gesagt gar keine Zeit, mich vorzubereiten. Das liegt daran, dass das größte Problem zu diesem Zeitpunkt das Fundraising war. Ich musste jede Sekunde meiner Zeit und all meine Energie darauf verwenden, die Finanzierung hinzubekommen – denn ohne Finanzierung gibt es auch kein Projekt. 

Ich hatte zuvor Rekorde aufgestellt – darunter die schnellste Besteigung des Everest, Lhotse und Makalu in fünf Tagen. Die Erfahrung hatte ich also. Aber was das Training und die Vorbereitung auf dieses Projekt angeht, hatte ich einfach keine Zeit. 

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Welche Art von Training haben Sie im Vorfeld absolviert?

Zeit zum Trainieren hatte ich wie gesagt keine. Allerdings war ich bei den Special Forces Spezialist für Kaltwetter-Kriegsführung. Daher war ich es gewohnt, in großen Höhen und in kaltem Klima zu operieren.

Wie risikoreich war das Erklimmen der 14 Gipfel – gerade mit so wenig Vorbereitung?

Das war schon sehr risikoreich, es kam zu einigen krassen Situationen. Der Annapurna gilt zum Beispiel mit einem Todesfall pro drei Gipfel-Erklimmer als tödlichster 8.000er. Während des Besteigens war ich an der Rettung eines Bergsteigers beteiligt, der seit zwei Tagen vermisst wurde und in großer Gefahr schwebte. Wir konnten den Bergsteiger sicher zu Camp Three bringen und den Verunglückten nach Kathmandu evakuieren.

Nimsdai Purja Mount K2 Besteigung mit seinem TeamNimsdai, Osprey Europe

Was würden Sie rückblickend anders machen?

Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas anders machen würde. Denn das ist eine Geschichte, die jeden motivieren kann. Ich hatte keine Finanzierung, ich habe bei Null angefangen. Daher denke ich, dass das den Leuten Hoffnung gibt. Solange man seinen eigenen Weg geht, wird sich schon alles fügen. Aber: Wenn man anfängt nach Ausreden zu suchen, geht es nur noch bergab.

Wenn Sie an ihre Grenzen stoßen – wie motivieren Sie sich dann, weiterzumachen?

Um ehrlich zu sein, hatte ich wirklich unter keinen Umständen das Gefühl, aufgeben zu müssen. Natürlich war es hart, natürlich war es schwer. Es gab so viele Probleme, es gab so viele Zwischenfälle, die während des Aufstiegs passiert sind – aber Aufgeben liegt mir nicht im Blut.

Wie verändert man sich als Person, wenn man so viele extreme Situationen durchlebt?

Natürlich gewinnt man durch all diese Dinge Wissen und Erfahrung. Aber eines ist mir klar geworden: Je mehr man tut, je größer das Abenteuer ist, auf das man sich einlässt, desto mehr große Ideen bekommt man, wie man sich in der Zukunft weiterentwickeln könnte. Ich bin immer auf der Suche nach einer größeren Herausforderung.

Gibt es Dinge, die Sie gelernt haben, die Sie weitergeben können und die anderen im Alltag oder Berufsleben helfen?

Das Wichtigste im Leben ist, dass man lieben muss, was man tut. Folgen Sie Ihren Träumen und Ihren Leidenschaften. Wenn man diese Leidenschaft gefunden hat und man herausstechen will, muss man härter arbeiten als der Rest der Bevölkerung. Sie können das erreichen. Sie können der Eine sein. Das wäre also meine Botschaft – Sie können Ihr neues Mögliches erreichen.

Nimsdai Purja K2 Besteigung Nimsdai, Osprey Europe

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Im Moment bin ich jedenfalls hier im Everest Base Camp und leite meine Firma “Elite Exped”. Dieses Jahr war bisher sehr schwierig, was die Wetterbedingungen angeht. Die meisten Wettervorhersagen stimmten nicht mit dem tatsächlichen Wetter überein, das wir hier in den Bergen bekommen. Aber hoffentlich werde ich meine Kunden demnächst auf die Gipfel des Everest und der Lhoste führen, also auf den höchsten und den vierthöchsten Berg der Welt.

Mein anderer großer Fokus für die Zukunft ist mein neues Projekt “The Big Mountain Cleanup”, das dieses Jahr gestartet wurde. Ein Bergsteiger verursacht auf dem Berg durchschnittlich 18 Pfund Abfall. Das muss sich ändern – die Zeit zum Handeln ist jetzt! Bei 2Elite Exped" folgen wir unseren Leitlinien “clean as you go” und “leave no trace” und haben eine Null-Toleranz-Methode gegenüber Abfall. Unser Ziel ist es, ein fortlaufendes Programm aufzubauen, das saisonale Vollzeit-Reinigungsteams für die Berge bereitstellt, die es am meisten brauchen.