Rapper Fler im Interview (Teil 1)

„Wer den Rechtsstaat zu Hilfe ruft, ist unmännlich“

Wann ist ein Mann ein Mann? Deutschlands maskulinster Rapper hat eine klare und unbequeme Vorstellung. Fler über Gewalt, korrupte Politiker und Jan Böhmermann
Fler
Timmo Schreiber

Was macht 2016 einen Mann aus? Im Rahmen unserer Reportage zu den Maskulisten hat sich GQ mit den unterschiedlichsten Männern und Frauen getroffen. Einige, wie Fler, vertreten einen ungemütlichen, aber deutlichen Standpunkt. Der Rapper ist Geschäftsführer seiner eigenen Plattenfirma und leitet eine Modelinie. Beides hört auf den Namen „Maskulin“. Was heißt Männlichkeit für den gebürtigen Berliner? Fler über verschobene Gewalt, korrupte Politiker und Jan Böhmermann.

GQ: Sie haben ein eigenes Platten- und ein Modelabel, beide heißen „Maskulin“. Was genau ist maskulin für Sie?

Fler: Maskulin ist, wer ein Macher ist. Es gibt Männer, die haben zwar Geld, die sind reif und im gewissen Alter, und trotzdem sind sie nicht maskulin. Weil sie ihr Leben lang alles in den Arsch gesteckt bekommen haben. Ich habe mir selbst etwas aufgebaut. Das ist für mich maskulin. Tough zu sein ist maskulin. Man ist nicht nett zu jedem, hat eine gewisse Distanz und Haltung. Nicht aus Prinzip, sondern weil die Welt auch nicht immer nett zu einem ist.

GQ: Und was ist das Gegenteil von maskulin?

Fler: Menschen, die nicht anerkennen, dass Gewalt und Aggressivität auch zum Leben dazugehören, sind das Gegenteil von maskulin. Meine Musik richtet sich oft gegen Softies. Viele Leute verstehen nicht, dass das eine Reaktion darauf ist, wie herablassend ich und andere behandelt werden. Die bösen, maskulinen Gangsta-Rapper rennen ja nicht einfach durch die Gegend und pöbeln rum. Das beste Beispiel ist Jan Böhmermann und dessen arrogante Art.

Der Rapper inszeniert sich gerne "maskulin", wie auch seine eigene Modemarke heißt.

GQ: Das heißt also, Jungs aus besserem Hause, die sich nicht hochkämpfen mussten, können per se nicht maskulin sein?

Fler: Jungs aus besserem Hause behaupten gerne, dass sie seriös und anständig seien. Deshalb werden Konflikte nicht mit Gewalt gelöst. Wenn dann so ein Typ wie ich reagiert – „Du hältst jetzt die Klappe, oder es knallt!“ –, rufen sie die Polizei. Wer den Rechtsstaat zu Hilfe ruft, ist für mich unmännlich. Das ist, als würde man die Mama rufen, anstatt einen Streit selbst zu lösen.

GQ: Gewalt galt jahrhundertelang als typisch männlich. Können Sie nachempfinden, wenn jemand argumentiert, das sei nicht mehr zeitgemäß, Gewalt habe in unserer Zeit nichts mehr verloren?

Fler: Die Gewalt hat nicht abgenommen, sie drückt sich heute nur anders aus. Ob ich im Büro ohne Rücksicht auf Verluste meine Karriere vorantreibe oder aggressiv auf der Straße auftrete – beides ist eine Form von Gewalt. Politiker sind genau so sehr Verbrecher wie Rocker-Gangs. Sie verfügen nur eben über andere Mittel und Wege – Korruption zum Beispiel.

GQ: Folgt man ihrer Argumentation, wäre Jan Böhmermann ein gestandener Mann. Weil er mit ätzender Kritik Gewalt ausübt.

Fler: Auf jeden Fall! Er versteckt sich hinter einer Fassade. Im Grunde übt Jan Böhmermann auch Aggressivität aus. Er hat sich seine Waffen und Mittel zurechtgelegt. Böhmermann macht im Internet und im Fernsehen seine Faxen. Aber die Frage ist doch: Im realen Leben, bist du da ein Mann? Kannst du jemandem in die Augen gucken und dann deine Meinung sagen? Wer kann das denn heutzutage noch? Die können ja alle nur tweeten. Und wenn du dann vor denen stehst und sagst „Entschuldige bitte, du hast in der Öffentlichkeit was über mich geschrieben oder in der Sendung gesagt, lass uns mal bitte darüber reden“, dann rufen sie die Polizei. Das ist nicht männlich für mich.

**GQ: Sie haben Jan Böhmermann angedroht, ihm „auf die Fresse“ zu hauen, wenn Sie ihn das nächste Mal sehen. Das könnte mancher eher für primitiv als für männlich halten.  **

Fler: Aber erst nachdem ich versucht habe, persönlich mit ihm zu sprechen! Ich hatte bei ihm in der Redaktion angerufen. Ein guter Freund von mir, so was wie mein Manager, hatte mich angekündigt. Alles also im richtigen Rahmen. Böhmermann aber hat sich verleugnen lassen. Er besaß nicht den Mut, von Mann zu Mann zu sprechen. Stattdessen fängt er einen Tag später in seiner Sendung wieder an, Scherze über mich zu machen. Für mich heißt das, dass er sich selbst nicht ernst nimmt. Und mich auch nicht. Da muss er einfach verstehen, dass mir das, was ich mir im Leben aufgebaut habe, viel zu wichtig ist, als dass irgendein Hampelmann das mit seinen Scherzen zerreißt.

GQ: Was waren die wichtigsten Erlebnisse, die Sie zu einem Mann haben werden lassen?

Fler: Ich hatte Vorbilder, das waren immer krasse Typen. Aber es ist schwer, das an einer Einzelheit festzumachen. Am Ende war es meine Entwicklung innerhalb der Hip-Hop-Szene, glaube ich. Ich habe früh gemerkt: Wenn du dich den großen Major-Labels unterwirfst, dann bist du nie frei. Also stehe ich, seit ich 23 oder 24 bin, geschäftlich selbst für meine Interessen ein. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig. Als mir das bewusst wurde, habe ich gemerkt, dass ich ein Mann bin.

Mitarbeit:* Aria Nejati*

Die große GQ Reportage zum Thema Maskulisten lesen Sie hier.

Den zweiten Teil des GQ-Interviews mit Fler finden Sie hier.