Arbeit mit gewaltbereiten Jugendlichen im Bereich der Jugendhilfe, dargestellt am Beispiel der Schulsozialarbeit an Förderschulen im Zwickauer Landkreis


Diplomarbeit, 2006

103 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

0. Vorwort

1. Einleitung

2. Arbeit mit gewaltbereiten Jugendlichen an Förderschulen
2. 1 Theoretische Ansätze und allgemeine Begriffsbestimmungen
2. 1. 1 Gewalt und Gewaltbereitschaft
2. 1. 1. 1 Konflikt
2. 1. 1. 2 Aggression
2. 1. 1. 3 Gewalt und Gewaltbereitschaft
2. 1. 2 Die Lebensphase Jugend
2. 1. 3. Jugendhilfe und Förderschulen
2. 1. 3. 1 Die Jugendhilfe
a) Schulsozialarbeit nach § 13 KJHG
b) Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und ASD
c) Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Jugendgerichtshilfe
2. 1. 3. 2 Die Förderschulen
2. 1. 3. 3 Besonderheiten von Jugendlichen an Förderschulen unter dem Aspekt der Gewaltbereitschaft
a) Einfluss des Sozialen Umfeldes und der Erziehung in der Familie
b) Lerntheoretischer Einfluss
c) Einfluss gesundheitlicher Beeinträchtigungen
2. 1. 4 Zusammenfassung
2. 2. Arbeit mit gewaltbereiten Jugendlichen in der Praxis der Schulsozialarbeit an der Lindenschule Crimmitschau
2. 2. 1 Die Ausgangssituation zur Gewaltbereitschaft an der Lindenschule aus der Sicht der Schulleitung – Ergebnisse eines Interviews
2. 2. 2 Gewaltbereite Jugendliche an der Lindenschule – Ergebnisse zweier Interviews
2. 2. 3. Sozialpädagogische Methoden in der Arbeit mit gewaltbereiten Jugendlichen an der Lindenschule
a) Soziale Einzel(fall) hilfe
b) Soziale Gruppenarbeit
c) Gemeinwesenarbeit
2. 2. 4 Entwicklung neuer Konzepte
Projekt FIT FUERS LEBEN Stufe 2 – „Faustlos“
2. 2. 4. 1 Ausgangssituation an der Lindenschule
2. 2. 4. 2 Trägerverein – vfw – Verein zur Förderung von Jugend- und Sozialarbeit Zwickau e.V
2. 2. 4. 3 Zielstellung des Projektes
2. 2. 4. 4 Inhaltliche Schwerpunkte und Ablauf des Projektes
2. 2. 4. 5 Finanzierung des Projektes
2. 2. 4. 6 Kooperationspartner
2. 2. 5 Zusammenfassung
3. Schlussbetrachtungen

I. Quellen- und Literaturverzeichnis

II. Anlagen

0. Vorwort

Am 26. April 2002 saß ich wie gelähmt vor dem Fernseher. Robert Steinhäuser hatte gerade im Erfurter Gutenberg-Gymnasium 15 Menschen und sich selbst getötet. Das Massaker berührte mich auf eine ganz besondere Weise, da meine beiden Cousinen an eben diesem Gymnasium zur Schule gingen.

In meinem Studium kam der Amoklauf von Erfurt oft zur Sprache in Verbindung mit jugendlicher Delinquenz. Bei meiner Arbeit in der Schulsozialarbeit fand ich fortwährend Situationen in denen Schüler eine ausgeprägte Gewaltbereitschaft zeigten. Ich möchte diese Diplomarbeit nutzen, um auf das Thema Gewalt an Schulen erneut aufmerksam zu machen und versuchen, Präventionsmaßnahmen zu finden. Das oben angeführte Zitat soll der Leitspruch meiner Arbeit sein. Die Jugend muss ihr eigenes Leben leben, aber von Seiten der Eltern, Lehrer, Sozialpädagogen sollten Stützen gegeben werden, um ihnen Wege aufzuzeigen, ein Leben ohne Gewalt zu ermöglichen.

Meine Arbeit soll ein Versuch sein, neue Wege in der Arbeit mit gewaltbereiten Jugendlichen zu erarbeiten. Ich möchte einige Worte Mahatma Ghandis anführen. Mir ist durchaus bewusst, dass er eine andere Ausgangsposition zur Gewalt hat als den Ansatz der Sozialpädagogik, aber seine Worte haben mich berührt und ich möchte versuchen, mich stets gedanklich daran zu orientieren.

Gewalt ist die Waffe des Schwachen; Gewaltlosigkeit die des Starken.

Auge um Auge - und die ganze Welt wird blind sein.

(Mahatma Ghandi)

Ich möchte diese Stelle nutzen, um den Menschen zu danken, ohne die diese Arbeit nicht hätte entstehen können. Besonderer Dank gilt meinen Eltern, ohne die ich das Studium vielleicht nie begonnen hätte. Weiter möchte ich meiner Mentorin Frau Ute Jähn danken, die stets ein tröstendes Wort für mich hatte, wenn ich einmal nicht weiter wusste, die mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand. Des weiteren gilt mein Dank Herrn Dr. Gerd Drechsler, der trotz knapper Zeit, eine große Hilfe war. Ich danke außerdem meiner Schwester Stefanie, die mich durch provokante Bemerkungen immer wieder zum Nachdenken über mich und mein Studium und meine Arbeit angeregt hat.

1. Einleitung

„Die derzeitige intensive Diskussion über Gewalt in unserer Gesellschaft, die vor allem durch Angriffe Jugendlicher auf andere Jugendliche oder auf Asylbewerber, Ausländer oder auch auf Deutsche mit ausländischer Herkunft ausgelöst wurde, hat auch die Schulen wieder ins Zentrum der Öffentlichkeit gerückt. Sie werden vor allem dem Vorwurf ausgesetzt, bei der Vermittlung gesellschaftlicher Werte und Tugenden versagt zu haben.“ (Reiner Engelmann (Hrsg.), „Tatort Klassenzimmer“, Arena Verlag, Würzburg, 1994, ein Beitrag von Helmut Willems S. 7) Es wird mehr und mehr die Forderung laut, sich der erzieherischen Aufgabe wieder stärker bewusst zu werden. Von den Schulen wird erwartet, soziale Defizite von Kindern und Jugendlichen zu beheben, die durch die Veränderung von familiären Strukturen und Sozialisationsbedingungen verursacht sind.

Meine Diplomarbeit soll dazu beitragen, das Thema Gewalt und Aggression nicht einfach zu verharmlosen, sondern diese Thematik genauer zu beleuchten und zu erläutern. Ich werde in meiner Arbeit der Frage nachgehen, ob die Zusammenarbeit der Schulsozialarbeit, der Lehrer einer Schule und der Jugendhilfe Konzepte zur dauerhaften Verhaltensänderung gewaltbereiter Jugendlicher führen kann. Ich werde versuchen anhand der mir zur Verfügung stehenden Literatur, meines während des Studiums erworbenen Wissens und meiner Erfahrungen in der Praxis einer Schule als unmittelbar am Geschehen beteiligte Person, Hintergründe und Ursachen der verschiedenen Gewalt- und Aggressionsformen, sowie Lösungsansätze aufzuzeigen.

Wenn all den Reportagen und Berichten Glauben geschenkt werden würde, dauert es nicht mehr lange, bis die Gesellschaft von gewalttätigen Individuen beherrscht wird.

Meist wird den Schulen die Schuld gegeben an den Reaktionen der Kinder. Im Fall von Robert Steinhäuser am Erfurter Gymnasium wurde lange Zeit über das unbefriedigende Schulsystem diskutiert. Auch wird meist die Schuld im Bildungsniveau der Schule gesucht. Dies ist aus meiner Sicht, oft der einfachste Weg die eigentlichen Probleme zu verlagern und zu verharmlosen. Ich bin allerdings der Meinung, und damit steh ich nicht allein, dass es weitaus mehr Faktoren gibt, die zu Gewalt an Schulen beitragen.

Das Problem Gewalt an Schulen ist nicht neu. Aber offensichtlich war die Bereitschaft zur Wahrnehmung der Gewalt in der Schule noch nicht immer so ausgeprägt wie heute. Ob die Gewaltbereitschaft tatsächlich zugenommen hat, wie einige behaupten, ist daher strittig. Zugenommen hat lediglich das Interesse der Medien und deren Hang zur Windmacherei.

Gewalt wird heutzutage härter und brutaler abgebildet als sie manchmal ist. Teilweise werden Szenen sogar von Reportern inszeniert.

Meiner Meinung nach, gibt es in jeder Schule gibt es jeden Tag Auseinandersetzungen und Streitereien. Doch nur die extremen Fälle kommen in die Medien und werden dann in denselben als Normalzustand dieser Schule dargestellt. Insbesondere durch die Aneinanderreihung verschiedener Gewaltsituationen entsteht ein Zerrbild gesellschaftlicher und schulischer Wirklichkeit. So entsteht durch die Verallgemeinerung und die meist fehlende Einordnung in die Gesamtsituation der jeweiligen Einrichtung ein falsches Bild.

Die vorliegende Diplomarbeit soll ein Versuch sein, sich dem Problem Gewalt zu nähern.

Das erste Kapitel meiner Arbeit wird eine Einführung und Gliederung meines Themas geben.

Das zweite Kapitel meiner Diplomarbeit habe ich in zwei Teile unterteilt. Im ersten, theoretischen Teil, werde ich theoretische Ansätze und die Begriffe „Gewalt“, „Gewaltbereitschaft“, „Konflikt“, „Aggression“, „Gewalt“ und „Jugend“ definieren. Auch die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Förderschulen bzw. Schulsozialarbeit an Förderschulen, werde ich beschreiben.

Die Förderschulen und die Besonderheiten der SchülerInnen, die an solchen Schulen beschult werden, werden ein Teil dieses Kapitels sein. Die Einflüsse auf die Schüler, die Gewalt hervorrufen und verstärken, werde ich näher untersuchen.

Der zweite Teil dieses Kapitel widmet sich der praktischen Umsetzung der vorrangegangenen Theorien. Hierbei werde ich Interviews mit der Schulleitung und ebenfalls mit zwei ausgewählten, als gewaltbereit bekannten Schülern aus- und bewerten. Diese Interviews legen den Grundstein für das entstehende Projekt zur Verbesserung der Arbeit mit gewaltbereiter Jugendlicher und des weiteren zur Verbesserung des Klassenklimas.

Das dritte Kapitel meiner Arbeit widmet sich der Zusammenfassung aller gewonnenen Fakten.

2. Arbeit mit gewaltbereiten Jugendlichen an Förderschulen

„Wenn die Gesellschaft den Menschen der heranwachsenden Generation eine kreative Sinnerfüllung versagt, dann finden sie schließlich ihre Erfüllung in der Zerstörung.“ Norbert Elias, Studien über die Deutschen, Frankfurt 1989

„Es wird deutlich, dass Kinder mit besonderem Förderbedarf in unterschiedlicher Art auffällig in ihrem Verhalten sind. Häufig ziehen sie [...] besondere und intensive Aufmerksamkeit auf sich.“ (Bergsson, Marita, Luckfiel, Heide, „Umgang mit schwierigen Kindern, Cornelsen Verlag, Berlin, 1998, S. 13) Oft reicht aber auch die gesamte Aufmerksamkeit eines Lehrers nicht aus, um ein Kind oder einen Jugendlichen zum gewünschten Erfolg zu führen. Diese Arbeit versucht Ansätze zu bieten, um den Umgang mit gewaltbereiten, schwierigen Kindern zu verändern.

2. 1 Theoretische Ansätze und allgemeine Begriffsbestimmungen

Dieser Teil meiner Arbeit soll eine Hinführung zum Thema der Gewalt und Gewaltbereitschaft sein.

Die Welt ist voll von Gewalt. „Berücksichtigt man zudem die vielen aussterbenden Tierarten und drohenden Öko-Katastrophen aufgrund menschlicher Umwelt- und Naturzerstörung, scheint der Mensch ein von Grund auf aggressives, gewalttätiges und zerstörerisches Lebewesen zu sein.“ (Andreas Huber, „Stichwort: Aggression und Gewalt“ , Wilhelm Heyne Verlag, München, 1995, S. 7)

Der Philosoph Arthur Koestler bezeichnet den Menschen als einen „Irrläufer der Evolution“ (vgl. ebenda S. 7).

Der Zoologe und Verhaltensforscher Konrad Lorenz wurde durch eine Theorie bezüglich der Gewaltanwendung des Menschen bekannt. Er versteht die Aggression als Trieb. Seiner Aussage zu Folge, ist die menschliche Aggression ein „unvermeidbares, biologisch geradezu zwingend notwendiges Naturphänomen.“ (ebenda S. 7)

Im Gegensatz zu diesen beiden Aussagen sind viele andere Aggressionsforscher der Überzeugung, dass Aggressivität und Gewalt ein sogenanntes Kulturphänomen sind. (vgl. ebenda S. 7)

Klaus Hurrelmann behauptet: „Gewalt ist tief im Gewebe des sozialen Zusammenlebens verankert.“ (ebenda S. 7)

Betrachtet man verschiedene Ereignisse in der Geschichte, so scheint die Verführbarkeit des Menschen zu Gewalt, zu Herrschsucht und zum Missbrauch von Macht ist wohl so alt wie die Menschheit selbst zu sein. Es liegt in der Natur des Menschen, sich der großen Masse anzuschließen. Das wohl bekannteste und erschreckendste Beispiel für diesen Gruppenzwang liegt in der deutschen Geschichte. Das einzelne Personen es schaffen können, ganze Völker in ihren Bann zu ziehen, ist wohl dem eigenen Verlangen nach „Beherrschenlassen“ zu verdanken. Menschen mit wenig ausgeprägtem, eigenem Willen sind zumeist dankbar für einen Menschen, der über ihnen steht und ihre Handlungen leitet. Am Beispiel Adolf Hitlers ist gut zu erkennen, wozu Menschen fähig sind. Durch Manipulation und/oder der Angst vor Strafe wurden Menschen in der NS-Zeit zu Straftätern, ja sogar zu Mördern. Dabei zählte weniger der eigene Wille als vielmehr der Gehorsam gegenüber einer höheren Macht.

Der amerikanische Politologe J. Rummel errechnete eine gar unglaubliche Zahl. Demnach wurden in diesem Jahrhundert mindestens 150 Millionen Männer, Frauen und Kinder getötet. Sie wurden „erschlagen, gefoltert, erstochen, verbrannt, verhungern oder erfrieren gelassen, per Zwangsarbeit getötet oder lebend begraben, ertränkt, gehängt, zerbombt.“ (Andreas Huber, „Stichwort: Aggression und Gewalt“ , Wilhelm Heyne Verlag, München, 1995, S. 8)

Die Gewalt hat somit in unserer Generation nicht besonders zugenommen. Udo Rauchfleisch beschreibt aber einen wesentlichen Unterschied zwischen früher und heute. Heute ist die Gewalt durch die „weltweite Vernetzung über die Massenmedien als ständig präsentes Gewaltphänomen qualitativ stärker wahrgenommen werden.“ (ebenda S. 8)

Mit der Gewalt an Schulen ist es wie mit der Gewalt überall auf der Welt. Besteht akute Gefahr, werden hastig Modelle gesucht, um die Gewalt zu bekämpfen. Doch ist die Gefahr gebannt, verlaufen sich die Berichte über diesen Vorfall. Später sprechen nur noch die unmittelbar betroffenen die Situation an und suchen weiter nach Interventionsmöglichkeiten.

Befürchtungen über den Zustand und die Entwicklung der Jugend sind nicht neu. Bereits in der Antike gab es Untersuchungen darüber, dass sich die Jugend weniger an Regeln hält, verwahrlost und bei der Elterngeneration Ratlosigkeit hinterlässt. (Michael Schulte-Markwort, „Gewalt ist geil“, Mit aggressiven Kindern und Jugendlichen umgehen, Trias Verlag, Stuttgart, 1994 S. 17) Nach Michael Schulte-Markwort („Gewalt ist geil“) ist es zu jeder Zeit der Menschheit ein immer wiederkehrendes Phänomen des Generationswechsels, dass Eltern erschrocken sind, wie sich ihre Kinder benehmen. Vor allem die Zeit der Pubertät wird für die meisten Eltern zu einem unergründlichen Zeitraum in der Entwicklung ihres Kindes. Die Eltern erschrecken sich über die Werte und Normen ihrer Kinder, welche eine enorme Abweichung von den eigenen aufweisen. Nach Schulte-Markwort ist diese Auflehnung der Jugend gegen die Eltern der Überbehütung der Eltern zu schulden. Jugendliche sehen sich in Schulte-Markwort’s Augen gezwungen mit Radikalität zu reagieren. Kinder wollen sich von ihren Eltern abgrenzen. „Der Wandel der Kinder zu Jugendlichen stößt demnach meist auf Unverständnis und Schrecken. Besonders die große Bereitschaft zur Aggression und Nicht- Einhaltung der bis dahin in der Familie gültigen Regeln führt oft an den Rand ihrer Toleranz.“ so Schulte-Markwort (Michael Schulte-Markwort, „Gewalt ist geil“, Mit aggressiven Kindern und Jugendlichen umgehen, Trias Verlag, Stuttgart, 1994 S. 17) Diese Abgrenzung der Kinder gegen die Eltern sehe ich in einem Konflikt zwischen den Kindern und Eltern begründet. Dieser Konflikt entsteht durch verschiedene altersbedingte Sichtweisen und Wertmaßstäbe im Alltag. Es kommt oft zu Auseinandersetzungen zwischen zwei verschiedenen Generationen, bei denen häufig mit Vorurteilen gegenüber der jeweils anderen Person gehandelt wird.

Viele Verhaltensforscher bezeichnen die Auflehnung der Kinder häufig als abweichendes Verhalten. „Als Abweichendes Verhalten, auch Devianz genannt, gilt ein Verhalten, das den gesellschaftlichen Normen nicht entspricht und deswegen von Sanktionen bedroht ist.“ (Franz Stimmer, „Lexikon der Sozialpädagogik und Sozialarbeit“, Oldenbourg Verlag, München, 2000 S. 2) Die Heterogenität der Arten abweichenden Verhaltens hat viele Soziologen veranlasst, Klassifikationsversuche anzustellen, die rechtfertigen, abweichendes Verhalten als sozialwissenschaftliche Thematik zu erörtern. Ein Ergebnis dieser Versuche war, dass unser „normatives Wissen“ die Arten des abweichendes Verhaltens strukturiert. (ebenda) Von diesem Ergebnis gehen die herkömmlichen Erklärungen dieses Verhaltens aus. „Die Arten abweichenden Verhaltens sind demzufolge Gegebenheiten, nach deren Ursachen zu forschen ist.“ (ebenda S. 2) Statistiken aus diesen Versuchen ergeben, dass vermehrt Angehörige unterer sozialer Schichten unter denen zu finden sind, die sich abweichend verhalten, aber sie sind auch diejenigen, die teilweise überrepräsentiert sind. Es ist allerdings festzustellen, dass der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit und Wohlstand in allen soziales Schichten zu finden und relativ gleich stark ausgeprägt ist. In den oberen sozialen Schichten ist es jedoch leichter, diesen Wunsch in die Realität umzusetzen. Demnach sind Angehörige unterer sozialer Schichten unter einem stärkeren Druck abweichend zu handeln.

Ich halte es für wichtig, den Teil des abweichenden Verhaltens zu erläutern, da deutlich wird, in welchen Schichten abweichende Verhaltensweisen vermehrt auftreten. Kinder aus Familien in unteren sozialen Schichten sind mehrheitlich die Klienten, die in dieser Arbeit beschrieben werden.

2. 1. 1 Gewalt und Gewaltbereitschaft

Dieser Teil meiner Arbeit soll die Entstehung der Gewalt und Gewaltbereitschaft näher beleuchten. In den folgenden Punkten möchte ich aufzeigen, wie sich der Begriff „Gewalt“ über anfängliche Konflikte in Aggressionen verhärtet und schließlich zur ausgeführten Gewalt wird.

In verschiedenen Theorien der Persönlichkeitspsychologie werden unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund gestellt.

Nach Zimbardo beginnt schon in früher Kindheit die Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen. Die komplette Ausprägung dieser menschlichen Persönlichkeit stellt den Charakter dar. Persönlichkeit als allgemein psychologischer Begriff beschreibt die Summe der Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster einer Person, also das, was die einzelne Person als Individuum ausmacht und sie von anderen Menschen unterscheidet. Mit dem Begriff der Persönlichkeit ist die Vorstellung der Vorhersagbarkeit des Verhaltens oder Reagierens einer Person in verschiedenen Situationen verbunden.

Kleinkinder erlernen ihre Handlungen meist durch Nachahmen der Erwachsenen. Dieser Lerntyp ist bei gewaltbereiten Jugendlichen vermehrt zu erkennen. Meist werden sie in ihrem sozialen Umfeld mit ihrer Bereitschaft zur Gewalt hoch angesehen. Sie finden oftmals in Gruppen Gleichgesinnter ein Zuhause, was sie in ihrer eigentlichen Familie so nicht vorfinden. Doch hierbei ist zu beachten, dass ein zerrüttetes Elternhaus nicht immer damit verbunden ist, dass auch das Kind eine aggressive Persönlichkeit in sich trägt. Bei der Entwicklung eines solchen Verhaltens spielen weitaus mehr Faktoren eine Rolle. Im Volksmund ist oft von falschen Freunden die Rede.

Jedes Mal, wenn Menschen mit anderen in Interaktion treten, besonders bei Konflikten, erfahren sie die individuelle Einzigartigkeit eines jeden Menschen.

Freud erklärte Persönlichkeitsunterschiede, „indem er sie auf die unterschiedliche Art und Weise zurückführt, mit der Menschen mit ihren grundlegenden Trieben umgehen. Er zeichnet das Bild des ständigen Kampfes zwischen 2 Teilen der Persönlichkeit, dem Es und dem Über-Ich, gemildert durch einen dritten Aspekt des Selbst, das Ich.“ („Psychologie“ Zimbardo, Gering, Springer Verlag, 2003, S. 533) Das Es ist hierbei der primitive Teil der Persönlichkeit, der Sitz der primitiven Triebe; das Über-Ich beschreibt den Sitz der Werte und der in der Gesellschaft geltenden moralischen Regeln und Normen. Das Ich verkörpert den realitätsorientierten Aspekt der Persönlichkeit, der im Konflikt zwischen den Impulsen des Es und den Anforderungen des Über-Ich abwägt und vermittelt. (vgl. ebenda S. 533) Also ist festzuhalten, dass das Es die bloßen Triebe eines Menschen beinhaltet und das Über-Ich das Gewissen einer Person darstellt. Das Ich hat nun die schwierige Aufgabe, beide Persönlichkeitsteile im Einklang zu halten.

Bei Jugendlichen (und auch bei Erwachsenen), die eine erhöhte Gewaltbereitschaft zeigen oder auch Gewalt anwenden, ist die Überlegenheit des Es sehr wahrscheinlich.

„Freud behauptete, Verhalten könne durch Triebe motiviert sein, deren wir uns nicht bewusst sind. Wir seien fähig zu handeln, ohne daß wir wüssten warum, und ohne direkten Zugang zu den wahren Gründen unserer Handlungen“. (vgl. ebenda; S. 532)

Bandura[1] wurde durch seine zahlreichen Publikationen und seine umfassenden Untersuchungen mit Kindern und Erwachsenen zu einem der führenden Vertreter der Theorie des Sozialen Lernens. In seinem Beitrag zur Persönlichkeitstheorie werden lerntheoretische Prinzipien mit der Betonung der Interaktion im sozialen Umfeld der Person verbunden.

Ob ein Mensch gewaltbereit ist oder diese Gewalt gar anwendet, hängt oft auch von einem bestimmten Lerntyp ab. Der Mensch lernt aus dem, was er bei anderen beobachtet. Deshalb spricht man bei diesem Lernprinzip von Beobachtungslernen. Tatsächlich gibt es im Sozialen Lernen Situationen, in denen von der herkömmlichen Konditionierungstheorie kein Lernen vorhergesagt werden könnte, da dem Lernenden keine aktive Reaktion gezeigt wurde. Beobachtet ein Kind oder Jugendlicher eine Handlung bei einer Person, so wird es diese später anwenden, wenn die Handlung positiv verstärkt wurde und wird sie unterlassen, wenn die Handlung bestraft wurde.

Wenn Menschen offensichtlich leicht und häufig vom Modell lernen, ist es nicht verwunderlich, dass ein großer Teil des Fernsehprogramms, der PC-Spiele und anderer Medien in dieses Prinzip des Lernens einbezogen werden und Kinder nach einer gewissen Zeit des Konsums auch Handlungen aus den gesehen Medien annehmen. Jetzt steht die Frage, ob gezeigte Gewaltakte, Mordtaten, Vergewaltigungen und andere Straftaten die Aufmerksamkeit der Kinder und Jugendlichen besonders auf sich zieht. Psychologische Studien bezeugen, dass es durchaus möglich ist. (vgl. Comstock, G. u Panik, H. „Television and the American child“ San Diego, Academic Press, 1991; Huesmann, L.R., Eron, L., D., Berkowitz, L. & Chafee, S. “Effect of television violence on aggression: A reply to Freedmann” Unpublished paper, University of Illinois, Chicago 1986 in „Psychologie“, Philip G. Zimbardo, Richard J. Gerring, Springer Verlag, 2003 , S. 233)

Laboruntersuchungen an Jugendlichen zum Einfluss filmisch dargestellter Gewalt machten folgende Haupteffekte deutlich:

„· ein Absinken der emotionalen Erregung und des Unbehagens angesichts von Gewalt, was als »psychisches Abstumpfen« bezeichnet wird, und

-eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, sich an Aggressionen zu beteiligen (Murray u Kippax 1977) „Psychologie“, Philip G. Zimbardo, Richard J. Gerring, Springer Verlag, 2003, S. 233)

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Prinzipien der Verstärkung und Bestrafung gelten. Außerdem weisen die Ergebnisse „auf die Notwendigkeit einer kognitiven Interpretation der Vorgänge beim Lernen von Modellen hin.“ (ebenda S. 233)

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Entwicklung der Persönlichkeit von folgenden Faktoren beeinflusst wird:

-Persönlichkeit wird durch Erbanlagen bestimmt
-schon im frühen Kindesalter wird der Mensch durch äußere Einflüsse verändert
-Veränderungen im Wesen stehen in einer ständigen Wechselwirkung mit dem gesamten Umfeld eines Menschen
-gleiche Ereignisse können bei verschiedenen Menschen unterschiedliche Wirkungen haben und Veränderungen auslösen
-in bestimmten Lebensphasen (Pubertät) ist der Mensch empfänglicher für bestimmte Reize
-jeder Mensch und jede Sache kann Einfluss nehmen auf die Entwicklung der Persönlichkeit einer Person

Bandura hat die Wechselwirkung verschiedener Einflüsse in einem Modell dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Reziproker Determinismus nach Bandura, in „Psychologie“, Philip G. Zimbardo, Richard J. Gerring, Springer Verlag, 2003, S. 542)

2. 1. 1. 1 Der Konflikt

Die Sozialpsychologie beschreibt einen Konflikt als einen „Zustand, bei dem zwei oder mehr miteinander scheinbar oder tatsächlich unvereinbare Ziele, Interessen, Denk- und Verhaltensweisen bei Gruppen oder Personen aufeinander treffen, die in irgendeiner Weise miteinander verbunden sind und füreinander Bedeutung besitzen.“ (Johanna Hartung „Sozialpsychologie“, Kohlhammer Verlag, Stuttgart, Berlin, Köln, 2000, S. 118)

„Eine Interaktion zwischen mindesten zwei Akteuren, wobei mindestens ein Akteur Unvereinbarkeiten in der Art erlebt, dass er in der Verwirklichung seiner Interessen eine Beeinträchtigung oder Behinderung durch andere Akteure empfindet, vermutet oder erfährt, sich in Abhängigkeit von anderen Akteuren glaubt und er sich bemüht, die erlebte Beeinträchtigung zu beseitigen bzw. seine Interessen durchzusetzen.“ (Mitschrift eines Vortrages zum Thema „Konfliktmanagement in der Sozialen Arbeit“, Seminar Pädagogische Handlungsansätze, BA Breitenbrunn, 2005)

Nach der Auffassung der Sozialpädagogik ist ein Konflikt eine „Auseinandersetzung zwischen gegensätzlichen oder gleichartigen, aber konkurrierenden Tendenzen. Man unterscheidet äußere (soziale) und innere (Motiv-) Konflikte. Ein innerer Konflikt ist im Erleben gekennzeichnet durch Hin- und Herschwanken mit meist als unangenehm empfundener Spannung, Unklarheit von Wert-, Ziel- oder Mittelvorstellungen, verbunden mit dem Wunsch nach Klärung.“ (A. Schwendtke (Hrsg.) „Wörterbuch der Sozialarbeit und Sozialpädagogik“, Quelle und Meyer Verlag, 1980, Stuttgart, S. 184) Nach dem österreichischen Ökonomen und Politologen Friedrich Glasl[2] definiert sich Konflikt so:

"Sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen usw.), wobei wenigstens ein Aktor Unvereinbarkeiten im Denken, Vorstellen, Wahrnehmen und/oder Fühlen und/oder Wollen mit dem anderen Aktor (anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass im Realisieren eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolgt". (Friedrich Glasl „Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 2004, S. 14 – 17) Da sich fast alle Mediationsausbildungen auf das Modell der Konflikteskalation von Friedrich Glasl berufen, möchte ich ihn in meiner Arbeit als Hauptvertreter der Mediation/Streitschlichtung nennen und meine weiteren Aussagen auf ihn stützen.

Neben der reinen negativen Wirkung von Konflikten – bestehend aus der Förderung von Frustration (die Sozialpsychologie meint hiermit die Enttäuschung oder Nichterfüllung), der Entstehung negativer Gefühle und der Hemmung der Kreativität durch bloßes Denken an Aggression – gibt es meiner Meinung nach auch eine positive Funktion des Konfliktes.

Konflikte:

-verhindern Stagnation,
-setzten Energie frei,
-weisen auf Probleme hin,
-vertiefen menschliche Beziehungen,
-regen Neugierde und Interesse an,
-fordern Entscheidungen heraus,
-lösen Veränderungen aus: 1. in der Persönlichkeit

2. in der Organisation

-diese Veränderungen erweitern Handlungsspielräume.

Ich möchte nun im Folgenden untersuchen, wie es zu Konflikten kommt. Um die Ursachen eines Konflikts darstellen zu können, ist es zunächst nötig, die verschiedenen Arten eines Konflikts darzustellen. Den Wertekonflikt, den Sachkonflikt, den Beziehungskonflikt und schließlich den inneren Konflikt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Beziehungskonflikt, der Sachkonflikt und auch der Wertekonflikt gehen alle von einem Inneren Konflikt des Individuums aus und führen schließlich auch wieder dazu. Der Sachkonflikt entsteht, wenn sich zwei Parteien nicht einig sind über die Art und Weise der Zielerreichung. Es besteht ein Mangel an Informationen oder es sind Fehlinformationen im Spiel. Auch die unterschiedliche Einschätzung darüber, was wichtig ist oder die unterschiedliche Interpretation von Daten kann zu einem Sachkonflikt führen. Oft sind also nur Missverständnisse der Auslöser eines solchen Konflikts. Das eigentliche Ziel ist hierbei unstrittig und dieser Konflikt lässt sich lösen, indem gemeinsam zielgerechte Lösungswege gesucht werden.

Der Beziehungskonflikt entsteht häufig aus ungelenkten Sachkonflikten. Meist fühlt sich eine Person oder eine Gruppe vernachlässigt, gedemütigt oder gar verletzt. „Es sind oft starke Gefühle im Spiel und häufig sind dadurch Fehlwahrnehmungen oder Stereotypen möglich.“ (Andreas Dutschmann, „ Aggressionen und Konflikte unter emotionaler Erregung“ das Aggressions-Bewältigungs-Programm ABPro ; Deeskalation und Problemlösung ; Manual zum Typ B des ABPro , DGVT-Verlag, Tübingen, 2000, S. 35) Bei der Lösung von Beziehungskonflikten ist es ratsam, eine unparteiische dritte Person. einen Mediator, einzuschalten. Wertekonflikte sind im eigentlichen Sinne eng mit den Inneren Konflikten verwandt, denn sie fordern eine Entscheidung über generelle Ziele, Prinzipien oder Grundsätze. „Häufig existieren sich ausschließende Ziele, unterschiedliche Lebensformen, Ideologien und Religionen. Die Lösung dieses Konflikts kann weder systematisch noch durch einen Mediator erfolgen. Sie hängt lediglich von der persönlichen ethischen Einstellung der jeweiligen Personen ab. Hier gilt es, zwei verschiedene Einstellungen bestmöglich in Einklang zu bringen, um für beide Parteien die angenehmste Lösung zu erlangen.“ (ebenda S. 35)

Eine klassische Ursache für Konflikte ist im Fall des Sachkonflikts zum Beispiel, von vornherein auf der eigenen Meinung zu beharren und sich zu weigern, den anderen zu verstehen. Dies gilt selbst dann, wenn den Beteiligten bewusst ist, dass "Verstehen" und "Akzeptieren" nicht gleich bedeutet, dem Standpunkt des anderen auch inhaltlich zuzustimmen.

Viele Konflikte sind nichts anderes als die Rache für frühere Zurecht- und Abweisungen. So gesehen ist die alltägliche Reibung als Antwort auf einen zuvor verlorenen Machtkampf zu verstehen. Die Konfliktursache ist also oft in der Vergangenheit zu suchen. „Viele Forschungen in der Psychologie haben gezeigt, dass und wie emotionales Verhalten von Erwachsenen oft die Folge von Frustrationen der Kindheit ist. Die meisten Konflikte sitzen oft tiefer, als die reine Sache erkennen lässt und die Menschen sind nur selten über das wütend, was sie als Grund angeben.“ (ebenda S. 35) Meist steckt etwas anderes dahinter, dessen sie sich oftmals nicht einmal selbst bewusst sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

"Jeder Mensch ist ein Eisberg. Der größte Teil des Berges befindet sich unter Wasser, ist also für unser Gegenüber unsichtbar (Gefühle, etc.). So passiert es leider allzu leicht, dass wir mit einem anderen (unter Wasser) zusammenstoßen, ohne es zu merken. Da ist es dann die Aufgabe eines Mediators, in das Innere des Eisbergs einzudringen, und die Bedürfnisse der Beteiligten zu erfahren." („Hilfe anbieten, annehmen, beurteilen“ O. Hagedorn, BIL, Berlin 1995, S. 12)

Zusammenfassend lässt sich feststellen:

Konflikte haben ihre Ursache oft im Streit um Ressourcen und die Verteilung von Status und Macht.

Konflikte dienen oft der Entschädigung früherer Zurechtweisungen, Abweisungen und verlorener Machtkämpfe.

Konflikte aufgrund von irrationalem Verhalten von Erwachsenen haben ihre Ursache oftmals in Frustrationen der Kindheit.

Konflikte entstehen häufig durch Unsicherheit und Unausgeglichenheit von Menschen und dem daraus resultierenden aggressiven Verhalten.

Konflikte können dadurch eskalieren, dass die Beteiligten kategorisch auf ihrer Meinung beharren und nicht gewillt sind, den anderen zu verstehen.

Konflikte besitzen meist eine gefährliche Eskalationsautomatik. Für die Lösung von Konflikten ist es, vor allem für den Mediator, wichtig, einzuschätzen, in welcher Stufe sich der Konflikt befinden. Diese hat Friedrich Glasl in seinem Eskalationsmodell beschrieben.

Das Modell lässt sich in neun Stufen unterteilen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten(vgl. Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag, Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 56)

1. Verhärtung

In dieser Stufe kommt es mehr und mehr zu Kommunikationsstörungen und somit zu Verhärtungen und Verkrampfungen. Nach einiger Zeit verhärten sich die Standpunkte und prallen aufeinander. Die Gegner können sich nicht mehr füreinander öffnen und entwickeln Vorurteile. „Die Kommunikation leidet darunter, daß jede Seite das Geschehen mehr und mehr wie durch einen Filter wahrnimmt, d.h. manches um sie herum nicht erkennt oder ausblendet, selektiv zuhört und hinschaut. Immer wieder schwanken die Beteiligten zwischen Kooperation und Konkurrenz hin und her. [...] [Irgendwann] zeigt sich eine paradoxe Wirkung: Die Beteiligten sind sich der Entgleisung und Spannungen bewusst und geraten durch dieses Wissen immer öfter in neue Verspannungen hinein.“ (Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 96)

2. Debatte und Polemik

„Mit dem Überschreiten der Schwelle zur 2. Eskalationsstufe gehen die Streitenden kaum noch gegenseitig auf die vorgebrachten Argumente ein. Recht zu haben und den eigenen Standpunkt in ein gutes Licht zu rücken ist bereits genau so wichtig wie die inhaltliche Auseinandersetzung.“ (ebenda S. 96) Zu Beginn der Auseinandersetzungen sind unterschiedliche Meinungen und Standpunkte zwischen beiden Streitenden vorhanden. Diese werden in der zweiten Stufe durch Argumente beider Gegner bekräftigt. „Die Auseinandersetzung wird von scheinlogischen Gedankenführungen bestimmt (Gelner 1967, Rother 1976), was eigentlich schon einer »rationalen Gewaltanwendung« gleichzusetzen ist:

-Die Diskussion wird auf jene Themen abgelenkt, in denen man sich überlegen fühlt.
-Argumente werden benutzt, um die Gegenpartei auf seelisch-emotionaler Ebene zu verunsichern.
-Zwischen Fakten werden kausale Verknüpfungen behauptet, nur weil sie zeitlich aufeinander gefolgt sind.“ (Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 98)

Beide Seiten entwickeln nun eigene Sprachen und hören die Anliegen der Gegenseite nicht mehr, ohne voreingenommen zu sein. Die Auseinandersetzung wird mehr und mehr mechanisch und verliert an Kreativität. Argument und Gegenargument folgen sich beharrlich. In dieser Stufe bemühen sich aber beide Gegner noch durch Gespräche ihre Differenzen zu überbrücken.

3. Taten statt Worte

Die Debatten aus der 2. Stufe sind nun immer mehr in Sackgassen verlaufen. Das ist ein Grund dafür, dass die beiden Konfliktparteien nicht mehr glauben, sich einander nähern und sich gegenseitig überzeugen zu können, dass durch einen Gedankenaustausch eine Lösung zu finden sein kann. „Im Gegenteil – durch Worte irritieren sie sich einander nur noch mehr! So kommt es zur Überzeugung: »Nicht Worte, sondern Taten sind entscheidend!«“ (Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 99)

Jede der beiden Parteien macht nun das, wovon er/sie überzeugt ist und stellt damit den jeweils andern vor vollendete Tatsachen. Auf dieser Stufe gewinnt die Körpersprache mehr und mehr an Bedeutung. Misstrauen Menschen dem gesagten Wort, orientieren sie sich an einigen Punkten in der folgenden Reihenfolge:

„1. Bei Diskrepanzen zwischen Inhalt und stimmlichem Ausdruck wird der negativen Botschaft der Stimme eher geglaubt als dem Inhalt.
2. Wenn aus dem stimmlichen Ausdruck nicht klar erkannt werden kann, ob jemand Böses im Schilde führt, wird dem Gesichtsausdruck eher geglaubt als der Stimme
3. Wenn an der Wahrhaftigkeit des Gesichtsausdrucks gezweifelt wird, hat die Ausdrucksform der Hände mehr Glaubwürdigkeit als die des Gesichtes,
5. ... die der Körperhaltung mehr als die der Hände,
6. ...und zuletzt die der Beine und Füße mehr als die der Körperhaltung.

(Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 100)

4. Images und Koalitionen

In dieser Stufe nimmt der seelische Abstand zwischen den beiden Konfliktparteien dramatisch zu. „Jede Konfliktpartei macht sich von der eigenen Seite ein positives Bild, von der Gegenpartei ein negatives. [...] Eines ist wichtig: Auf Stufe 4 besteht der Inhalt der Feindbilder aus Urteilen über das Wissen und Können der gegnerischen Partei. Moralische Qualifikationen werden noch bewusst vermieden.“ (Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 102) Im Laufe der Auseinandersetzung kommt es zur, von Paul Watzlawick[3] beschriebenen »paradoxen Beziehung«. Man sucht sich demnach immer wieder einen Gesprächspartner, der für die eigene Person einen „Bösewicht“ darstellt, um ihn schlagen zu können. Paradoxe Beziehungen bestehen immer aus zwei Gegnern, die sich unbewusst immer wieder einen Partner suchen, an dem sie sich reiben können bzw. müssen. Die Person „tut unbewusst alles um ihn in [...] [der Beziehung] zu halten, weil [...] [sie] ihn weiterhin als Blitzableiter für [..] [eigenen] Streß benötigt. Durch Beschuldigungen verursachen sie beim jeweils anderen Schuldgefühle, die sie aneinander binden, bis sie die »offenen Rechnungen« einmal beglichen sind.“ (Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 103)

Das Hauptproblem des Konflikts stellen häufig Vorurteile der beiden Parteien gegen die jeweils andere dar. „Vorurteile entstehen weitgehend durch den psychologischen Mechanismus der Projektion: Eine Partei sieht an der Gegenpartei vor allem die störenden Eigenschaften, über welche sie sich deswegen ärgert, weil sie unbewußt weiß, daß sie diese ebenfalls hat.“ (Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 103) Hierzu passt sehr gut ein Zitat aus der Bibel: „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balken in deinem Auge?“ („Bibel“ Evangelische Haupt-Bibelgesellschaft Altenburg, Württembergische Bibelanstalt Stuttgart, 1978, Matthäus 7,3, neues Testament, S. 11)

5. Gesichtsverlust

Die Schwelle zu dieser Stufe wird dann überschritten, wenn eine Konfliktpartei plötzlich glaubt, die wahren, verächtlichen Absichten des anderen zu erkennen. „Kränkungen und Beleidigungen sind jetzt keine Ausrutscher mehr, sondern beabsichtigt. Die Auseinandersetzung ist sprunghaft radikal und brutal geworden – einerseits in Worten, andererseits vielleicht sogar in Handgreiflichkeiten ausgeartet.“ (Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 106) Dieser Schritt der Eskalation drückt sich in der Regel mit Radikalität aus. „Die angreifenden Personen erleben es als »heilige Pflicht«, allen anderen gleichfalls die Augen zu öffnen und zu beweisen, wie verwerflich der Gegner im Grunde seines Wesens ist.“ (ebenda S. 106) Diese erfüllte »heilige Pflicht« endet häufig in der Ausgrenzung einer der beiden Parteien aus der Gruppe. Nun strebt die ausgegrenzte Person nach der Wiederherstellung ihres Rufes und bestraft die Ausgrenzung oft mit einem Gegenangriff, welcher zu einem Gesichtsverlust des Gegners führen soll.

6. Drohstrategien

In dieser Phase präsentieren die beiden Streitenden einander ihre Forderungen, welche bei Nichterfüllung mit Sanktionen bestraft werden sollen. Der Gegenpartei wird durch Anspielungen gezeigt, dass man durchaus in der Lage ist, die Sanktionen durchzusetzen. „Nur die bedrohte Partei entscheidet, ob sie die Drohung ernst nimmt oder als bloßes Säbelgerassel abtut. Deshalb achtet die drohende Seite darauf, daß die Forderung in einem glaubwürdigen Verhältnis zum angedrohten Schaden steht.“ (Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 109)

7. Begrenzte Vernichtungsschläge

Drohungen aus der 6. Phase werden in dieser 7. Stufe nun in Taten umgesetzt. „Die Konfliktparteien behandeln einander nur noch als »Ding« und rechnen hauptsächlich mit quantitativen Größen. Sie haben den Glauben an die Menschlichkeit des Gegners verloren. Zuerst werden nur Sachmittel zerstört, [...] später greift das Zerstören auch auf Personen über“ (Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 111) Die Streitenden versuchen also sich gegenseitig zu zerstören und gehen somit in die 8. Eskalationsstufe über.

8. Zersplitterung des Feindes

Während sich in der vorangegangenen Stufe der Schaden für beide noch in Grenzen gehalten hat, wird nun jeder Angriff stärker. Es geht bei beiden ums Ganze und sie sind wie besessen den Gegner zu Grunde zu richten; materiell, psychisch oder geistig. Die fundamentalen Organe des Gegners sollen nun zerstört werden. „Durch bewusste und gezielte Schwächung des inneren Zusammenhalts und durch das Lahmlegen wichtiger Funktionen wird die Gegenpartei zerschlagen. Sie desintegriert[4] schließlich geistig oder seelisch oder physisch so weit, daß sie sich nicht mehr regenerieren kann.“ (Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 112)

9. Gemeinsam in den Abgrund

Die Streitenden sehen in dieser letzten Stufe keinen Weg zurück mehr. „Die totale Konfrontation zielt auf die entgültige Vernichtung des Gegners. [...] Wenn die Eskalation die Schwelle zur Stufe 9 überschritten hat, kann sogar im eigenen Untergang insofern ein Triumph erlebt werden, als der Gegner mit in den Abgrund gerissen wird.“ (Glasl. F., „Selbsthilfe in Konflikten“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1998, S. 112)

Meist wird in der Praxis bereits vor Eintritt in die Stufe 7 durch eine dritte, neutrale Person interveniert und der Konflikt geschlichtet. Nach der Auffassung Glasls, geht die Eskalation an dieser Stelle meist nicht weiter, da ein Streitschlichter oder Mediator eingesetzt wurde.

Durch den Einsatz eines Schlichters lässt sich demnach grundsätzlich jeder Konflikt lösen. Die gemeinsame Lösung bringt beiden Parteien Vorteile.

Nach Marta Henricson-Cullenberg sollte der Schlichter bei der Lösung eines Konflikts acht Regeln einhalten.

1. Interessen

Regel: Beziehe Dich auf die Interessen und nicht auf die Position!

2. Menschen

Regel: Unterscheide zwischen den Menschen und dem Problem!

3. Optionen

Regel: Überlege Dir viele Handlungsmöglichkeiten, bevor du Dich entscheidest, was zu tun ist. Durchdenke nicht nur Deinen eigenen Schritt, sondern eine Reihe von möglichen Schritten und Gegenbewegungen!

4. Kriterien

Regel: Achte darauf, daß das Ergebnis allgemein verbindlichen Kriterien genügen soll!

5. Wahrheit

Regel: Es gibt mehrere Wahrheiten: Deine, ihre und vielleicht eine weitergehende!

6. Mittel

Regel: Beachte die Einheit der Mittel

7. Prämissen

Regel: Halte Dich an Prinzipien und baue darauf Deine eigene Strategie auf. Verfolge nur solche Ziele, die sowohl für Dich wie für die andere Seite gut sind, auch wenn die andere Seite sich nicht entsprechend verhält!

8. Macht

Regel: Macht ist die Fähigkeit, die eigenen Ziele zu erreichen, nicht, andere zu bestrafen!

(vgl. Marta Henricson-Cullenberg u.a.: After Jugoslavia what? Report by a conflictimitigation mission to Croatia, Slovenia and Serbia, Sept. 1991; in Skript Seminar Mediation 13.01.2004 P. Wild)

Für die zivile Konfliktbewältigung hat der Professor der Volkswirtschaft und Politikwissenschaft an der Universität Heidelberg Prof. Dr. Frank R. Pfetsch in seinem Buch „Konflikt und Konfliktbewältigung“ 7 Prinzipien zur zivilen Konfliktbewältigung beschrieben.

„1. Suche nach Lösungen, die allen Parteien einen Vorteil bringen.
2. Suche nach Lösungen, die sicherstellen, daß keine Partei ihr Gesicht verliert.
3. Trenne persönliche von sachlichen Problemen.
4. Überzeuge Deinen Gegner vom Vorteil einer Lösung und von dem Schaden, der mit einer anderen Verhandlungslösung verbunden sein kann.
5. Suche bei festgefahrenen Verhandlungen nach informellen Gesprächen.
6. Suche bei komplexen Entscheidungsmaterien diejenigen aus, die am ehesten die Zustimmung erhalten und damit einer Lösung zugeführt werden können.
7. Sind mehrere Güter gleichzeitig strittig, versuche ein Gut mit einem anderen aufzurechnen (Paketlösung).“

(Frank R. Pfetsch „Konflikt und Konfliktbewältigung“ Beispiele für Formen zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen, Klett Verlag Stuttgart 1994, S. 2.)

Die Regeln für ein Gespräch zur Konfliktlösung müssen in den meisten Fällen durch die bereits genannte neutrale dritte Person, den Streitschlichter oder Mediator, in einem Schlichtungsgespräch aufgestellt werden. Zuerst müssen die Erregungen zwischen den beiden Parteien gedämpft werden. Beide müssen versuchen auf der Sachebene zu argumentieren, damit der Konflikt auf der Beziehungsebene nicht noch weiter verschärft wird. . Der Mediator kann ihnen dabei helfen diese Ebene nicht zu verlassen. Danach sollten beide ihre Gefühle offenbaren und somit den anderen nicht verletzen. Als nächstes müssen die Rahmenbedingungen geklärt werden. Die beiden Parteien sollten sich folgende Fragen stellen und diese möglichst mit Ja beantworten. Ist der Ort günstig? Steht genügend Zeit zur Verfügung? Will ich mir die Zeit nehmen?

Es gibt zwei Arten einen Konflikt zu lösen. Einen „positiven“ Weg, auf dem der Konflikt tatsächlich ausgeräumt wird und einen „negativen“ Weg, auf dem die beiden Parteien dem Konflikt einfach aus dem Weg gehen.

Der positive Weg führt in den meisten Fällen über ein Schlichtungsgespräch.

Neben der positiven Bearbeitung eines Konfliktes, in der ein Konflikt durch ein Schlichtungsgespräch ausgeräumt wird, gibt es noch weitere Lösungsstrategien. Diese führen zwar nicht dazu, dass die Konfliktursachen ausgeschaltet werden, aber durch den Zeitgewinn und Abstand können sich neue Sichtweisen eröffnen. Diese Art der Lösung ist bei kleinen Konflikten manchmal sinnvoll, doch langfristig betrachtet wird sich immer ein Gefühl der Unzufriedenheit einstellen. Solche Lösungen können sein:

1. Ignorieren des Konfliktes
2. Vertagen
3. Abreagieren des aufgestauten Ärgers (z.B. Sport treiben, musizieren usw.)
4. Entspannungsübungen, um ruhiger zu werden
5. Eine Zufallsentscheidung wäre eine weitere Möglichkeit der Konfliktaustragung. Sie hat den Vorteil, dass dieses Verfahren sehr schnell vonstatten geht und zu einer klaren Entscheidung führt. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass vorher die Form der Konfliktbewältigung von beiden Parteien festgelegt werden musste. Ein Nachteil ist darin zu sehen, dass es immer eine GewinnerIn und VerliererIn gibt, was dann zu neuen Konflikten beitragen kann.

Aus meinen Literaturrecherchen und eigenen Erfahrungen in der Arbeit der Schulsozialarbeit ergeben sich noch weitere Lösungsstrategien, die in erster Linie der eigenen Beruhigung dienen und nicht der Verbesserung des menschlichen Zusammenlebens führen:

1. Abbrechen der Beziehung,
2. Abreagieren an unbeteiligten Personen
3. sich auf anerkannte Regeln, Normen oder Rechtspositionen berufen und daraus ableiten, wer im Recht ist,
4. durch Macht eine Lösung erzwingen.

Ein Konflikt kann in den meisten Fällen, wie bereits erwähnt, durch ein Schlichtungsgespräch aufgelöst werden. Eine Schlichtung kommt aber erst zustande, wenn der Mediator/Schlichter einen Auftrag zur Schlichtung durch die Konfliktparteien bekommt. Das Gespräch gliedert sich nun in drei Phasen. Da diese Gespräche in der Arbeit mir gewaltbereiten Jugendlichen eine große Rolle spielen, möchte ich sie näher beleuchten. Die Vorphase, das eigentliche Mediationsgespräch und die Umsetzungsphase.

Die Vorphase ist von der ersten Kontaktaufnahme der Konfliktparteien zu dem Schlichter geprägt. Der Schlichter spricht alle Beteiligten an und motiviert sie zur Teilnahme an der Schlichtung. Der Schlichter sammelt nun Informationen über den Sachverhalt und überlegt sich eine Vorgehensweise.

Das Mediationsgespräch ist wiederum in 5 Phasen gegliedert. In der Einleitungsphase wird eine gute Atmosphäre geschaffen. Sie soll angenehm, entspannt, angstfrei, kooperativ und vertrauensvoll sein. Die Kontrahenten und der/die Schlichter stellen sich vor und der Schlichter schildert seinen momentanen Informationsstand. Nun wird der Ablauf des Gesprächs erläutert und offene Fragen werden geklärt. Die Bereitschaft der Streitenden zur Schlichtung wird erfragt und eventuelle Widerstände werden ernst genommen und berücksichtigt. Der Schlichter legt organisatorische Regeln fest (Zeitplan, Erlaubnis über Notizen des Schlichters, Vertrag), es werden an dieser Stelle schließlich Themen gesammelt und nach ihrer Bedeutsamkeit in der Bearbeitung sortiert. An dieser Stelle beginnt die zweite Phase des Gesprächs. Jetzt schildern beide Parteien die Fakten und ihre Gefühle zu dem Streit. Durch aktives Zuhören und stetiges Nachfragen, zeigt der Schlichter sein Interesse an der Lösung des Konflikts und fasst das Gesagte am Ende der Ausführungen noch einmal zusammen. Der Schlichter hält an dieser Stelle Gemeinsamkeiten und Differenzen der beiden Parteien fest. Die dritte Phase des Gesprächs ist überschrieben mit der Konflikterhellung und der Vertiefung. Die beiden Seiten werden zu einzelnen Problemen befragt. Bisher nicht genannte Interessen, Gefühle und Hintergründe werden weiter herausgearbeitet, Wünsche und Idealvorstellungen dürfen ausgesprochen werden. Die andere Seite wird jeweils zu ihrer Meinung über das Geäußerte befragt. Die vierte Phase des Gesprächs widmet sich der Problemlösung bzw. dem Entwurf von Lösungen. Die beiden Parteien sollen, evtl. durch ein Brainstorming, Ideen sammeln, wie sie den Konflikt lösen können. Die gefundenen Vorschläge werden nun gesammelt und ausgewertet. Es kommt schließlich in der 5. Phase des Gesprächs zu einer Übereinkunft. Hier wird sich auf die beste Lösung geeinigt und eine Übereinkunft darüber formuliert. Die Umsetzung dieser Lösung klärt ein Vertrag, den beide Parteien unterschreiben. Die Lösung muss nicht die beste aus der Sicht des Schlichters sein, sondern soll mit den Vorstellungen der Streitenden überein kommen. Denn nicht der Schlichter muss mit der Lösung leben, sondern die beiden Konfliktparteien. In der Umsetzungsphase der Schlichtung kommt es zu Nachfolgetreffen, zur Auswertung und Besprechung von Problemen. (vgl. Skript Seminar Mediation, 13.01.2004 P. Wild)

2. 1. 1. 2 Die Aggression

Nach dem amerikanischen Psychologieprofessor Philip G. Zimbardo, der mit seinem „Stanford-Prison-Experiment“[5] einen Meilenstein in der psychologischen Erforschung menschlichen Verhaltens setzte, wird die Aggression wie folgt beschrieben: Aggression ist „körperliches oder verbales Handeln, das mit der Absicht ausgeführt wird, zu verletzen oder zu zerstören. [...] Während der Begriff Aggression direkt auf ein Verhalten abzielt, bezieht sich Aggressivität auf eine Disposition oder Persönlichkeitseigenschaft. Menschen haben ein unterschiedliches Ausmaß an Aggressivität, d.h. die Bereitschaft, aggressiv zu reagieren, ist mehr oder weniger groß.“ („Psychologie“ Zimbardo, Gerring, Springer Verlag, 2003, S. 334)

Untersuchungen zur Aggression sind in vielen unterschiedlichen Quellen zu finden. Psychologische Messungen, klinische Beobachtungen oder Untersuchungen sind nur einige von ihnen. Sigmund Freud, der als Begründer der Psychoanalyse gilt, geht davon aus, dass der Mensch von Geburt an zwei einander entgegengesetzte Triebe hat. Einen Lebenstrieb (Eros), dieser sorgt für das Wachstum und das Überleben sowie einen Todestrieb (Thanatos), dieser strebt nach der Selbstzerstörung des Individuums. Freud nahm an, dass der Todestrieb zumeist in Gestalt der Aggression auf andere umgelenkt wird.

„Die Psychoanalyse hat sich schon seit den Zeiten ihres Begründers Sigmund Freud mit der Frage der Entstehung der Aggression beschäftigt. Ursprünglich hatte Freud zwei Formen von Trieben unterschieden: die Sexualtriebe, ausgedrückt durch Liebe, die der Arterhaltung dienen und die Ich-Triebe, die sich u.a. im Hunger ausdrücken und der Selbsterhaltung dienen.“ („Gewalt ist geil“, Michael Schulte-Markwort, Trias Verlag, 1994; S. 76)

[...]


[1] Albert Bandura (* 4. Dezember 1925 in Mundare, Alberta (Kanada), Kanada) ist ein kanadischer Psychologe. Albert Bandura erhielt 1949 seinen Bachelor für Psychologie an der University of British Colombia in Kanada. Anschließend ging er an die University of Iowa, wo er 1952 seinen Doktortitel (Ph.D.) in Psychologie machte. 1974 war er Präsident der American Psychological Association.

[2] Dr. Friedrich Glasl, Universitäts-Dozent, Politik und Wirtschaftswissenschaften, (Trigon Salz­burg) seit 1967 Trainer und Berater für Unternehmen und die öffentliche Verwaltung in Europa, Russland, GUS, Brasilien, Afrika. Schwerpunkt: Konfliktmanagement.

[3] Paul Watzlawick (* 25. Juli 1921 in Villach, Österreich) ist ein österreichischer Psychotherapeut, Kommunikationswissenschaftler und Autor mit Wahlheimat in Kalifornien.

[4] = auflösen, zerspalten

[5] Ziel war die Erforschung menschlichen Verhaltens unter den Bedingungen der Gefangenschaft, speziell unter Bedingungen des echten Gefängnislebens. Die Versuchspersonen wurden den Rollen "Gefangener" & "Wärter" zufällig zugeordnet. Einige der "Wärter" zeigten mehr und mehr sadistische Verhaltensweisen. Nach ca. sechs Tagen (2 Wochen waren geplant) wurde das Experiment abgebrochen.

Ende der Leseprobe aus 103 Seiten

Details

Titel
Arbeit mit gewaltbereiten Jugendlichen im Bereich der Jugendhilfe, dargestellt am Beispiel der Schulsozialarbeit an Förderschulen im Zwickauer Landkreis
Hochschule
Berufsakademie Sachsen in Breitenbrunn
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
103
Katalognummer
V60900
ISBN (eBook)
9783638544672
ISBN (Buch)
9783656813798
Dateigröße
990 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeit, Jugendlichen, Bereich, Jugendhilfe, Beispiel, Schulsozialarbeit, Förderschulen, Zwickauer, Landkreis
Arbeit zitieren
Isabel Grimm (Autor:in), 2006, Arbeit mit gewaltbereiten Jugendlichen im Bereich der Jugendhilfe, dargestellt am Beispiel der Schulsozialarbeit an Förderschulen im Zwickauer Landkreis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60900

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