Der Begriff Frühförderung wird in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Für die vorliegende Arbeit ist es wichtig, zwischen pädagogischer bzw. heilpädagogischer, vom Kinderarzt verordneter Frühförderung sowie privaten Frühförderangeboten und der im allgemeinen Sprachgebrauch benutzten Begrifflichkeit zu differenzieren.
Im Folgenden sollen die Frühförderangebote als offenes Angebot privater Dienstleister verstanden werden, für die sich die Eltern selbst entscheiden.
Die Grundanliegen der Frühförderarbeit sind vielfältig. So steht die Sicherung der körperlichen, geistigen und psychoemotionalen Gesundheit von Kindern im Vordergrund. Durch präventive, kurative, therapeutische, pädagogische und beratende Maßnahmen, unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes und psychosozialer Interaktionen, sollen entsprechende Ziele erreicht werden. Zum Präventionsauftrag gehören die positive Gestaltung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen im Sinne einer allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit und die gezielte Vermittlung von Erziehungskompetenzen. Die Entfaltung der Persönlichkeit des Kindes und die möglichst selbstbestimmte, gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe sollen bei allen Bemühungen erreicht werden.
Inhalt
1 Einleitung
2 Hauptteil
2.1 Begriffsklärung Frühförderung/ Abgrenzung zu Frühförderangeboten
2.2 Ausgewählte Frühförderangebote
2.2.1 Englisch für Kleinkinder
2.2.2 Musikalische Früherziehung
2.3 Situationsbeschreibung: Befürwortende und kritische Stimmen zum Thema
2.3.1 Befürwortende Stimmen zur Frühförderung
2.3.2 Kritische Stimmen zur Frühförderung
2.4 Schließen sich Profit und Ethik aus?
2.5 Wirtschaftsethische Stellungnahme
2.6 Ethische Maximen
2.7 Verantwortung von Kirchgemeinden und diakonischen Einrichtungen
3 Fazit/ persönliche Stellungnahme
4 Anhang
4.1 Ursachen und Auswirkungen der Frühförderangebote
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“[1] (Afrikanisches Sprichwort)
Angeregt durch meine Arbeit im Frühförderzentrum und einem Text von Karl Homann[2], möchte ich das Thema der frühen Förderung kritisch beleuchten, der Frage nachgehen, wie viel Förderung ein Kind wirklich braucht und wie viel Zeit, um sich zu entwickeln. Ebenso sollen wirtschaftsethische Aspekte Betrachtung finden.
Ich stimme zu, wenn Homann schreibt, dass der Wettbewerb erlaubt, aber keinesfalls für moralisch geboten sein kann. Weiter warnt dieser:
„…eindringlich vor der Ökonomisierung aller Lebensbereiche, etwa des Bildungs- und Gesundheitswesens. Der Wettbewerb gilt […] insbesondere als Bedrohung der Solidarität der Menschen und des gesellschaftlichen Zusammenhalts.“[3]
Diese Ökonomisierung erlebe ich fast täglich in der Arbeit im Frühförderzentrum. Dort, wo die Arbeit am Kind im Vordergrund stehen sollte, geht es oft um die Wirtschaftlichkeit und das Überleben des Unternehmens. Aus meiner Sicht nehmen moralisch fragwürdige Angebote bei der Förderung der Kinder zu und werden tatsächlich in Anspruch genommen, weil den Eltern seitens der Anbieter verdeutlicht wird, sie tun damit etwas Gutes für ihre Kinder und sich selbst. Dieses Vorgehen wird einerseits durch die Marktwirtschaft erzwungen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Andererseits spielen die Interessen der Unternehmensführer eine entscheidende Rolle.
Trotz dieser Erkenntnisse aus der Praxis, sollen in der vorliegenden Arbeit neue Perspektiven bedacht, vorhandene kritisch überprüft und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Nach einer kurzen Definition der Begrifflichkeit der Frühförderung und zwei ausgewählten Förderprogrammen, werden befürwortende und kritische Stimmen zum Thema behandelt. Im Verlauf werden wirtschaftsethische Betrachtungsweisen einbezogen, gefragt, ob sich Profit und Ethik ausschließen, um schließlich konkrete ethische Maximen zu formulieren. Darüber hinaus wird die Frage nach der Verantwortung von Kirchgemeinden und diakonischen Einrichtungen einbezogen. Der interessierte Leser kann im Anhang Überlegungen zu Ursachen und Auswirkungen der Frühförderangebote nachlesen. Abschließend werde ich persönlich Stellung zur Thematik beziehen, in der Absicht dem Leser bei der Entscheidungsfindung beratend zur Seite stehen zu können.
2 Hauptteil
2.1 Begriffsklärung Frühförderung/ Abgrenzung zu Frühförderangeboten
Der Begriff Frühförderung[4] wird in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Für die vorliegende Arbeit ist es wichtig, zwischen pädagogischer bzw. heilpädagogischer, vom Kinderarzt verordneter Frühförderung sowie privaten Frühförder-angeboten und der im allgemeinen Sprachgebrauch benutzten Begrifflichkeit zu differenzieren.
Im Folgenden sollen die Frühförderangebote[5] als offenes Angebot privater Dienstleister[6] verstanden werden, für die sich die Eltern selbst entscheiden.
Die Grundanliegen der Frühförderarbeit sind vielfältig. So steht die Sicherung der körperlichen, geistigen und psychoemotionalen Gesundheit von Kindern im Vordergrund. Durch präventive, kurative, therapeutische, pädagogische und beratende Maßnahmen, unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes und psychosozialer Interaktionen,[7] sollen entsprechende Ziele erreicht werden. Zum Präventionsauftrag gehören die positive Gestaltung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen im Sinne einer allgemeinen Öffentlichkeits-arbeit und die gezielte Vermittlung von Erziehungskompetenzen.[8] Die Entfaltung der Persönlichkeit des Kindes und die möglichst selbstbestimmte, gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe[9] sollen bei allen Bemühungen erreicht werden.
2.2 Ausgewählte Frühförderangebote
Der Markt an Frühförderangeboten ist sehr groß und fast unüber-schaubar. Stellvertretend für die Vielzahl an Kursen, sollen im Folgenden zwei häufig beworbene kurz betrachtet werden.
2.2.1 Englisch für Kleinkinder
Helen Doron, Sprachwissenschaftlerin aus England, steht hinter der Unterrichtsmethode des „early-English“. In mehr als 20 Ländern besuchen hunderttausende Kinder inzwischen die Franchise-programme. Die jüngsten Teilnehmer sind gerade zwölf Wochen alt. Es werden englische Lieder gesungen und Bildkärtchen angeschaut, mit dem Ziel nach 12 bis 15 Wochen 550 englische Wörter und 24 Lieder zu verstehen.[10]
2.2.2 Musikalische Früherziehung
Kindern ab vier Monaten steht das Angebot der weltgrößten privaten Musikschule Yamaha Music Foundation offen. Einmal pro Woche treffen sich die Kinder und deren Eltern um mit dem Maskottchen „Robbie“, einem Stoffseehund, erste musikalische Erfahrungen zu sammeln. Anbieter werben mit Slogans wie „Musik, der Königsweg der Erziehung“ oder „Musik und Musizieren fördern die Entwicklung der Intelligenz, das Sozialverhalten, die Leistungsfähigkeit des Gehirns und die ganzheitliche Entwicklung des Menschen.“[11]
2.3 Situationsbeschreibung: Befürwortende und kritische Stimmen zum Thema
Das Thema Frühförderung ist im heutigen Alltag der Eltern sehr präsent. Betrachtet man die einschlägige Literatur genauer, lässt sich schnell feststellen, dass es sowohl befürwortende als auch kritische Stimmen zum Thema gibt. Daraus entsteht für die Eltern, die sich für oder gegen Fördermaßnahmen entscheiden müssen, unter Umständen ein Dilemma.
Zu Bedenken gilt es, dass alle Fördermaßnahmen, die darauf abzielen den Lebensweg eines Kindes oder der Familie zu beeinflussen, nur innerhalb bestimmter Grenzen wirksam werden können. Aufgrund der genetischen Ausstattung ist es nur in geringem Maße möglich die Intelligenzwerte durch intensive Förderung zu verbessern.[12]
2.3.1 Befürwortende Stimmen zur Frühförderung
„Wir sind davon überzeugt, dass die aktive Bürgergesellschaft Integration und gerechte Bildungschancen gewährleisten muss, damit Kinder und Jugendliche ihre Talente unabhängig von ihrer Herkunft entfalten können.“[13]
Da sich gravierende Unterschiede zwischen den sozialen Schichten zeigen und die Bildungsambitionen der Eltern ausgeprägt mit deren eigenem Bildungshintergrund[14] korrelieren, ist frühe Förderung geboten, um den Kindern gute Bildungschancen zu gewährleisten. Eltern besser auf die Schlüsselrolle im Bildungsprozess ihrer Kinder vorzubereiten und sie zu unterstützen, eine Kooperation mit öffentlichen Erziehungs- und Bildungsinstitutionen einzugehen, folgt als wichtigste Schlussfolgerung der Vodafone-Studie.[15] Hurrelmann spricht sich eindeutig für das Absolvieren von Trainingskursen für Eltern und damit einhergehend Frühförderung aus, die an die Anmeldung eines Kindes im Kindergarten geknüpft und zur verbindlichen Gewohnheit werden sollen, ohne im rechtlichen Sinn verpflichtend zu sein.[16] Resultierend aus dem Elterntraining[17] bestehe die Chance die Leistungen der Kinder zu verbessern, ihre Zufriedenheit zu steigern und damit ihren Lebensweg positiv zu beeinflussen. Diese Komponenten würden sich für das Gemeinwesen auszahlen, da gute berufliche Leistungen der Kinder in Zukunft auch direkt zu einem Wirtschaftsfaktor der ganzen Gesellschaft beitragen würden.[18]
[...]
[1] http://www.zitate-online.de/sprichwoerter/altvaeterliche/19418/das-gras-waechst-nicht-schneller-wenn-man-daran-zieht.html (Zugriff am 26.11.2012)
[2] Homann, Karl. Was bringt die Wirtschaftsethik für die Ethik?
[3] Ebd.6
[4] Die Abgrenzung der Frühförderung und wesentliche Arbeitsaufträge haben die Gesetzgeber mit dem Rehabilitationsgesetz und detaillierter mit dem Frühfördergesetz vollzogen. Nähere Informationen dazu können beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nachgelesen werden. http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/fruehfoerderungsverordnung.pdf?__blob=publicationFile (Zugriff: 09.01.2013)
[5] Beim Versuch das Verständnis von Frühförderangeboten privater Anbieter abzugrenzen, zeigen sich je nach Region, Einrichtungsträger und Berufsgruppe unterschiedliche Angebote und qualitative Rahmenbedingungen. (Vgl. Sohns, Armin. Frühförderung entwicklungsauffälliger Kinder in Deutschland, 16)
[6] Teilweise gibt es Vorbehalte gegenüber privat-gewerblichen Angeboten, da vermutet wird, dass diese aufgrund fehlender öffentlicher Fördermaßnahmen in der pädagogischen Qualität schlechter sind und Angebote teuer vermarkten. Für diese Vermutungen gibt es aber keine eindeutigen empirischen Belege. Fundierte US-
amerikanische Studien belegen, dass auch gewinnorientierte Anbieter hohe pädagogische Qualität anbieten. (Vgl. Spieß, C. Katharina. Eine ökonomische Perspektive auf das deutsche System der frühkindlichen Bildung, 25f)
[7] Vgl. Weiß u.a. Soziale Arbeit in der Frühförderung und Sozialpädiatrie, 130
[8] Ebd.82
[9] Vgl. Sohns, Armin. Frühförderung entwicklungsauffälliger Kinder in Deutschland, 15
[10] Vgl. Broder, Sven. Das dressierte Kind, http://www.beobachter.ch/familie/kinder/artikel/fruehfoerderung_das-dressierte-kind/(Zugriff am 20. 11. 2012)
[11] Vgl. Broder, Sven. Das dressierte Kind, http://www.beobachter.ch/familie/kinder/artikel/fruehfoerderung_das-dressierte-kind/ (Zugriff am 20. 11. 2012)
[12] Vgl. Pauen, Sabina. Wie lernen Kleinkinder? – Entwicklungspsychologische Erkenntnisse und ihre Bedeutung für Politik und Gesellschaft, 9
[13] Ellerbeck, Thomas. Zwischen Ehrgeiz und Überforderung, 3
[14] Vgl. Köcher, Renate. Zwischen Ehrgeiz und Überforderung, 4
[15] Dabei brauchen sowohl sehr kompetente, als auch unsichere Eltern Hilfe. Erstere benötigen Bestätigung, Rückmeldung und Angebote zur kritischen Reflexion des eigenen Erziehungsverhaltens, letztere benötigen handfeste, praxisbezogene Hinweise und Anregungen für schwierige Erziehungssituationen. Obwohl freie Angebote der Elternbildung momentan nur Eltern, die bereits Motivation, Zeit und Geld dafür aufbringen erreichen, steigt das Vertrauen in die öffentlichen Angebote und der private Sektor hat Konjunktur. (Vgl. Hurrelmann, Klaus. Zwischen Ehrgeiz und Überforderung, 28)
[16] Ebd.33
[17] Im Wörterbuch der Sozialen Arbeit heißt es, dass Elternarbeit notwendig sei, da Familien heute eine Vielzahl gesellschaftlicher Hilfestellungen brauchen, um notwendige Förderungs- und Anpassungsleistungen zu schaffen und um den Kindern gute Beziehungs- und Entfaltungsmöglichkeiten bieten zu können. Dabei sei es wichtig, Angebote der Entlastung, des Erfahrungsaustausches und der Erweiterung des sozialen Bezugsnetzes zu tätigen. (Vgl. Leube, K. Elternarbeit, in: Wörterbuch Soziale Arbeit, 158f)
[18] Vgl. Hurrelmann, Klaus. Kinder Bildung Zukunft, 22f