Drei-Eltern-Technik könnte Babys mit erhöhtem Krankheitsrisiko hervorbringen

Um der Vererbung von mitochondrialen Erkrankungen vorzubeugen, wurde eine Therapie mit Spender-DNA entwickelt. Doch sie funktioniert möglicherweise nicht immer.

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Baby, Hand, Kommunikation, Algorithmen

(Bild: Rita, gemeinfrei)

Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Jessica Hamzelou
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2016 machte ein in den USA geborenes Baby weltweit Schlagzeilen. Es war als erstes mit einem umstrittenen Verfahren gezeugt worden, das ihm nominell drei genetische Elternteile gab: Der kleine Junge hatte den größten Teil seiner DNA von seiner Mutter und seinem Vater geerbt, aber auch eine winzige Menge von einer dritten Person gespendet bekommen.

Der größte Teil der DNA befindet sich in den Zellkernen. Die kleine Spender-DNA aber befand sich in den Mitochondrien des Babys, jenen Zellorganellen, die Energie für die Zellen bereitstellen. Kinder erben die mitochondriale DNA (mtDNA) ausschließlich von ihren Müttern. Die Mutter des 2016 geborenen Jungen trug in ihren Energiefabriken allerdings fehlerhafte Gene für eine tödliche Krankheit. Damit das Kind diese nicht erbt, wurden die Mitochondrien seiner Mutter gegen gespendete Mitochondrien von einer gesunden Spenderin getauscht. So kam er zu einem dritten genetischen Elternteil. Die Strategie schien zu funktionieren, der Kleine kam gesund zur Welt.

Inzwischen bieten Kliniken in anderen Ländern, darunter das Vereinigte Königreich, Griechenland und die Ukraine, die mitochondriale Ersatztherapie an (kurz MRT, für mitochondrial replacement therapy). In Australien wurde sie im vergangenen Jahr legalisiert. Inzwischen wird MRT nicht mehr nur zur Vermeidung von Krankheiten eingesetzt, sondern auch bei ungeklärter Unfruchtbarkeit, wo ein nachteiliger Proteinmix im Zellplasma der Eizellen als Ursache vermutet wird. Da bei der MRT im Grunde nicht nur die Mitochodrien der mütterlichen Eizelle ausgetauscht werden, sondern das gesamte Zellplasma, hoffen die Ärzte, dass die Methode die Befruchtungschancen erhöht.

Aber das Verfahren ist offenbar nicht immer erfolgreich. MIT Technology Review sind zwei Fälle bekannt, in denen es bei MRT-Babys zu einer sogenannten Reversion kam. Das bedeutet, dass sie plötzlich relativ viele mitochondrialen Gene ihrer biologischen Mutter aufweisen, die eigentlich nicht in diesen Mengen da sein dürften. Statt weniger als ein Prozent betrug der Anteil bei den beiden Embryonen 50 sowie 72 Prozent.

Glücklicherweise wurden beide Kinder im Zuge einer künstlichen Befruchtung geboren, ihre Mütter besaßen also keine Gene für mitochondriale Erkrankungen. Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass etwa eines von fünf Babys, die mit Hilfe der Drei-Eltern-Technik geboren werden, einen hohen Anteil an den mitochondrialen Genen ihrer Mütter erben könnte. Würde das bei Babys passieren, deren Mütter krankheitsverursachende Mutationen haben, könnten die Kinder am Ende trotzdem an den potenziell tödlichen Leiden erkranken.

Die Ergebnisse veranlassen einige Kliniken, den Einsatz der Technologie bei mitochondrialen Erkrankungen zu überdenken, zumindest solange sie nicht verstehen, warum die Reversion stattfindet. "Diese mitochondrialen Krankheiten haben verheerende Folgen", sagt Björn Heindryckx von der Universität Gent in Belgien, der die Behandlung seit Jahren erforscht. "Wir sollten damit nicht weitermachen." Der Kiewer Embryologe Pavlo Mazur, der einen der Fälle aus erster Hand kennt, sekundiert: "Es ist gefährlich, dieses Verfahren [für mitochondriale Erkrankungen] anzubieten."

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Mitochondriale Krankheiten sind selten und betreffen in den USA etwa einen von 4.300 Menschen. In Deutschland liegt die Rate bei 1 zu 5.000. Die Forschung versucht noch herauszufinden, wie viele davon direkt durch Mutationen in der mtDNA verursacht werden. Sie können jedoch schwerwiegende Folgen haben, darunter Blindheit, Anämie, Herzprobleme und Taubheit. Einige sind sogar tödlich.

Um dies zu vermeiden, wurden zwei mitochondriale Ersatztherapien entwickelt. Bei der ersten Methode werden die Kerne von zwei Eizellen, eine von der zukünftigen Mutter und eine von einer gesunden Spenderin, entnommen. Dann wird der Kern der mütterlichen Eizelle mit der mütterlichen DNA in die – bereits entkernte – Eizelle der Spenderin eingesetzt, die noch das Zytoplasma mit den Mitochondrien enthält. Die so entstandene kombinierte Eizelle wird dann mit Spermien des Vaters befruchtet. Bei der zweiten Variante wird je eine Eizelle von Mutter und Spenderin befruchtet und erst danach der Kerntausch vollzogen.

Niemand weiß genau, wie viele Babys durch MRT zur Welt gekommen sind. Mehrere Kliniken haben eine Handvoll Fälle beschrieben, hauptsächlich auf Konferenzen. 2017 startete eine offizielle Studie am Newcastle Fertility Centre in Großbritannien. Seitdem hat die Klinik die behördliche Genehmigung für MRT bei 30 Paaren erhalten, bei denen das Risiko besteht, dass sie eine mitochondriale Krankheit an ihre Kinder weitergeben. Das zeigen veröffentlichte Protokolle des Zulassungsausschusses der britischen Aufsichtsbehörde Human Fertilisation & Embryology Authority (HFEA). Das Team in Newcastle hält sich jedoch mit Informationen über die Studie sehr bedeckt und vermeidet es, die Ergebnisse mit anderen Forschern auf diesem Gebiet zu teilen.