Missing Link: Das (Patent-)Rennen um mRNA-Technik für Medikamente und Impfstoffe

Seite 2: Öffentliche Forschung

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Gerne vergessen wird, dass fast alle mRNA-Patente von Weissmann und Kariko der University of Pennsylvania gehören. Die hat sie nach Informationen von Knowledge Ecology International (KEI) 2016 exklusiv an die US-Firma CellScript und CellScripts Tochterfirma mRNA RiboTherapeutics lizenziert; so mussten sowohl BioNTech als auch Moderna Sublizenzen erwerben – und bezahlen dafür eine Stange Geld. Letztlich zeigt das auch, wie sehr die mRNA-"Pionierfirmen" auf öffentliche Grundlagenforschung zurückgreifen.

Ein erster Überblick von Nature über das Rennen um geistiges Eigentum an mRNA aus dem Jahr 2020 zeigt, dass Wissenschaftler an öffentlichen Instituten und Universitäten mehr als 50 Prozent der PatentanmelderInnen (30 von 56) stellten. Die in den Run auf mRNA-Impfstoffe eingestiegenen Firmen meldeten mittlerweile allerdings mehr als zwei Drittel der angemeldeten Patentfamilien an (70 Prozent).

Mit im Patent-Rennen um nicht-Covid mRNA-Impfstoffe und Medikamente sind dabei laut Nature große wie kleine Namen verbunden: Bayer, Boehringer Ingelheim, Bristol Myers Squibb, GlaxoSmithKline (GSK) und Hisamitsu Pharmaceutical. GSK seien in Tests für sogenannte selbstverstärkender mRNA-Mittel für Tollwut. Kleinere Firmen wie Morphogenesis, Multivir, Nantbio and Translate Bio (ehemals RaNA Therapeutics) hätten alle eine kleine Zahl von Patenten zu mRNA im Bereich Krebsbehandlung.

Zum Zeitpunkt der Nature-Untersuchung hielten Moderna, CureVac, BioNTech und GSK zusammen etwa die Hälfte der mRNA Impfstoff-Patentanmeldungen, kalkulierte Nature. Tricks zur Stabilisierung von mRNA (wie etwa die Pseudouridin-Methode) seien Gegenstand einiger Anmeldungen. Ein anderer wachsender Schwerpunkt seien die Transportmittel, die Liquiden Nanopartikel. Man gehe von einem exponentiellen Wachstum an Patentanmeldungen aus, schrieben die Nature Autoren.

Damit wächst zugleich auch die Zahl der Auseinandersetzungen, wer einen mehr oder weniger großen eigenen Beitrag wann geleistet hat im Rennen um die mRNA-Plattform und verschiedene Impfstoff- und Therapeutika-Linien.

Ein zweiter Anspruch von Moderna in seiner aktuellen Klage gegen Pfizer und BioNTech bezieht sich auf die Lipiden Nanopartikel (LNP). Die Konkurrenten hätten andere Covid-mRNA-Impfstoff-Kandidaten im Test gehabt, sich aber entschieden, auf Modernas Technologie zu setzen, ein "vollständiges Spike-Protein in einem Lipid-Nanopartikel einzuschreiben". Moderna gibt in seiner Pressemitteilung an, es habe genau diese Technologie im Rahmen seiner Impfstoffentwicklung für MERS, das Middle East respiratory Syndrom, entwickelt. Im Rahmen des MERS-Ausbruchs hatten Wissenschaftler erstmals die neue Familie Coronaviren identifiziert.

Der gesamte Bereich rund um den Transport der mRNA-Spike-Proteine in die Zelle der Impflinge gehört zu den vielleicht noch härter umkämpften Werkzeugen der mRNA-Technologie. Er ist jünger als die ursprünglichen mRNA-Grundbausteine.

Die LNP-Träger für den Transport der Virenspike-RNA in die Zellen sind ein breites Forschungsfeld, in dem eine ganze Reihe von Firmen mitmischen – und nun auch mit klagen. Im Rennen um die Hoheit und Lizenzgebühren rund um LNP wollen so auch der Öffentlichkeit weniger bekannte Firmen wie Arbutus Biopharma und Genevant Sciences ein Wörtchen mitreden.

Die beiden Unternehmen verklagten Moderna Anfang dieses Jahres wegen Verletzung ihrer Patente, berichtet Dan Shores, Experte für Patentrecht und einer der akribischsten Chronisten der mRNA-Streitereien. Auch Pfizer und BioNTech seien vor Ansprüchen von Arbutus und Genevant nicht sicher. An Pfizer sei bereits die Androhung rechtlicher Schritte rausgegangen, will Shores wissen.

Zugleich werden die beiden Kläger Arbutus und Genevant ihrerseits von Acuitas verklagt, das unter anderem Anspruch auf genau das geistige Eigentum erhebt, das Arbutus und Genevant gegen Moderna durchsetzen will. Moderna und Pfizer haben laut Shores auch noch Ärger mit Alnylam, das zwar selbst kein mRNA-Player sei, aber ebenfalls eine Reihe von Patente halte. Das Ganze ist ein veritables – und ziemlich schwer entwirrbares – Chaos, lautet das Urteil in Science.