Magnetschwebebahn in Berlin: Eine richtige Weichenstellung?

Berlin will eine Magnetschwebebahn bauen. Der Kostenrahmen hierfür ist aber eng. Kann das mit dem Transport System Bögl überhaupt funktionieren? Eine Analyse.

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Eine Weiche des TSB-Systems.​

Nicht nur Weichen (hier eine des TSB-Systems in Sengenthal) sind bei Magnetschwebebahnen teuer: Mit Blick auf die Berliner Pläne stellt sich die Frage, ob der genannte Kostenrahmen ausreicht.

(Bild: Max Bögl)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Andreas Sebayang
Inhaltsverzeichnis

Das Transport System Bögl, kurz TSB, soll nach Berlin kommen. 80 Millionen bis maximal 85 Millionen Euro soll für die erste Strecke der Magnetschwebebahn ausgegeben werden. Das ist günstig, wenn man bedenkt, dass damit fünf bis sieben Kilometer erschlossen werden sollen – erst recht als Pilotanlage.

Die Ankündigung kam überraschend. So überraschend, dass selbst Tino Schopf, der Verkehrsexperte der SPD, mit der die CDU in Berlin koaliert, sich sehr kritisch zu dem Projekt in der Presse äußerte. Denn mit ihm sprach Dirk Stettner, Fraktionsvorsitzender der CDU Berlin, offenbar nicht, sagte Schopf zum Neues Deutschland. Auch von der Verkehrssenatorin Manja Schreiner, die normalerweise über die Senatsverwaltung ein solches Projekt sehr schnell über eine Pressemitteilung bekannt machen würde, kam nichts. Informationen sind Mangelware, dabei spricht nicht nur die Lokalpresse über das neue Magnetbahnsystem.

Doch was bekommt man eigentlich für diese 85 Millionen Euro? Das lässt sich recht einfach herausfinden, denn unter dem ehemaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wurde eine Studie ausgeschrieben und in zwei aufwendigen Arbeitspaketen im Dezember 2021 veröffentlicht. Diese über 300 Seiten starken Studienergebnisse waren bereits die Grundlage für unseren Hintergrundartikel zur grundsätzlichen Nutzbarkeit des TSB und den prinzipiellen Vorteilen des Systems.

Die Studie bietet auch einen genauen Blick auf die zu erwartenden Kosten. Von der Weiche über die Streckenelemente bis zum Bahnhof sind die Werte bekannt und wurden in Relation zu U-Bahn, Straßenbahn und S-Bahn gesetzt. Dazu kommen Vergleiche mit auf Schienen gezogenen Seilbahnen, Hängebahnsysteme, Monorails und klassische People Mover. Das TSB sollte nämlich als Pilotprojekt zuerst am Flughafen München das Entwicklungsgebiet erschließen, in dem sich auch der Labcampus befindet.

Die Strecke mit fünf Stationen hätte je nach umzusetzenden Szenario zwischen 250 Millionen und 300 Millionen Euro gekostet. Wohlgemerkt mit einem Preisstand aus dem Jahr 2020 und inklusive Planungskosten sowie einem Sicherheitsaufschlag gegen steigende Kosten von 30 Prozent. Mittlerweile stöhnt die Baubranche, weil die Preise sich stark erhöht haben. Davon dürfte auch ein TSB-Projekt nicht verschont bleiben.

In der Studie bedachte TSB-Streckenführung am Flughafen München.

(Bild: TransportTechnologie-Consult Karlsruhe)

Am Flughafen München hätte das TSB seine Vorteile gut ausspielen können. Starke Fahrwegsneigungen, hohe Beschleunigung, kaum Lärm, enge Radien (100 Meter), Steigungen bis acht Prozent und geplante 113 bis 118 km/h im Maximum sind noch unterhalb dessen, was das TSB kann. Die Magnetbahn ist hier ein starker Konkurrent gegen People Mover und Monorails.

Insgesamt hätte eine Strecke von 7,7 km gebaut werden müssen. Doch hier wird der Betrachter das erste Mal stutzig: In Berlin sollen fünf bis sieben Kilometer Strecke für 80 Millionen bis 85 Millionen Euro gebaut werden (Preisstand 2023), während es in München für eine minimal längere Strecke mindestens 250 Millionen Euro braucht (Preisstand 2020)?

Das kann nur bedeuten, dass die CDU am Streckendesign vor der Umsetzung massiv sparen muss. Und dabei ist das "günstige" München-Design bereits eine Sparvariante. Für 250 Millionen Euro gibt es nämlich nur einen Rundkurs mit Einrichtungsbetrieb. Der Zweirichtungsbetrieb kostet alleine 50 Millionen Euro extra. Wichtig dabei: Trotz Zweirichtungsbetrieb ist die Strecke nicht durchgehend zweigleisig, oder korrekter: zweispurig. Der Zweirichtungsbetrieb wird vor allem mit vielen Weichen, Zeitpuffern und Ausweichstellen realisiert.

Zweirichtungsbetrieb mit vielen Weichen: Der Streckenverlauf in der Machbarkeitsstudie am Beispiel München

(Bild: TransportTechnologie-Consult Karlsruhe)

In einer Tabelle der Studie wird aufgezeigt, was die wichtigsten Elemente einer Strecke eigentlich kosten, die in das 85 Millionen Euro große Budget passen müssen.

Die einzelnen Kosten für den Bau einer Strecke.

(Bild: TransportTechnologie-Consult Karlsruhe)

Was der Tabelle leider nicht zu entnehmen ist, sind die Kosten für die Fahrzeuge und das Instandhaltungszentrum. Die werden in der MUC-Studie aber genau beziffert. Das Depot samt zweier Fahrzeugpositionen kostet 10 Millionen Euro. Der Einfachheit halber nehmen wir für die Beispielrechnung an, dass es zwischen den Jahren 2020 und 2023 keine Inflation gab. Wir gehen aber davon aus, dass zwei Fahrzeuge zwingend notwendig sind. Denn sollte eines der Fahrzeuge in der Werkstatt sein, etwa für eine geplante größere Untersuchung, braucht es ein zweites, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Für den Streckenbau, die Bahnhöfe und die Planungskosten bleiben also 75 Millionen Euro übrig. Schon hier wird klar, dass Berlin noch stärker sparen muss als im München-Szenario.

Eine zweispurige Pilotstrecke ist rechnerisch gar nicht mit dem Budget machbar. Denn die Kosten für fünf Kilometer lägen bereits bei 100 bis 150 Millionen Euro. Also bleibt nur die Einspurigkeit. 60 Millionen würde dabei die Strecke in der Ausführung mit fünf Kilometern kosten. Die von der CDU Berlin ins Spiel gebrachten sieben Kilometer sind bereits deutlich über dem Budget.

Damit wird auch der Betrieb für Güter unwahrscheinlich, denn der (noch gar nicht im Budget enthaltene) Güterzug kann zum Be- und Entladen ja nicht einfach auf der Strecke bleiben. Zumindest müssten die Ladevorgänge in die Nacht verlegt oder nur die Strecken-Enden genutzt werden. Beides sind sehr spezielle Szenarien.

Max Bögl demonstrierte das TSB in Hamburg als Güterlösung.

(Bild: TSB Hamburg)

Es bräuchte also eine Weiche für einen sinnvollen Betrieb. Doch gerade Weichen sind bei Magnetbahnen sehr teuer. Hierfür sind mindestens 1,2 Millionen Euro zu veranschlagen.

Diese einrechnend bleiben noch 13 Millionen Euro übrig. Nun kann man bei einer komplett einspurigen Strecke davon ausgehen, dass nur kleine Bahnsteige gebraucht werden. Einer kostet drei Millionen Euro. Zwei braucht es für einen halbwegs vernünftigen Betrieb. Damit liegt die Gesamtkosten bereits bei 77,2 Millionen Euro.

Gemäß der Studie brauchen wir noch 17,5 Prozent Planungskosten als Aufschlag. Damit wären wir mit dem Sparszenario, das nicht einmal Zugbegegnungen erlaubt, schon bei 91 Millionen Euro. Und hier fehlt noch immer der Sicherheitsaufschlag von 30 Prozent und natürlich die Preissteigerung seit 2020.

Wir müssten also die Kosten in unserem Szenario wieder kürzen. Und das geht eigentlich nur noch über die Streckenlänge, die einzige Weiche im System und den zweiten Zug. Es ist kaum vorstellbar, dass hier eine Pilotstrecke mit sinnvollem Einsatzzweck entstehen kann. Dafür braucht es eher 300 bis 400 Millionen Euro. Unwägbarkeiten durch besonderes Gelände fehlen hier noch. In München war das etwa der zu querende Terminal-Bereich.