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Mundart: „Oma, sag’s doch richtig“

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Mit altvertrauten Menschen sprechen sie Platt: Die älteren Anwohner des Hohlwegs. 	Foto: Brunhilde Miehe
Mit altvertrauten Menschen sprechen sie Platt: Die älteren Anwohner des Hohlwegs. Foto: Brunhilde Miehe © Freier Mitarbeiter

Im Rahmen der Mundart-Serie seien mal am Beispiel der Bewohner des Gershäuser Hohlwegs deren unterschiedliche Umgangssprachen dargelegt.

„Oma, sag’s doch richtig!“, meinte Enkelin Marlene auch schon mal als Dreijährige vor Jahren zu Gretel Schreiber, wenn diese ihren Mann oder Sohn in Mundart ansprach. Schließlich redeten doch alle mit dem Kind „Hochdeutsch“ und legten Wert darauf, dass es die Hochsprache gut lernte und sprach. Aber unter sich unterhielten und unterhalten sich die Erwachsenen eben auf Platt.

„Hier im Dorf rede ich gerne so, wie mir der Schnabel gewachsen ist!“, erklärt Gretel Schreiber. „Auch mit meiner Nachbarin Gerda unterhalte ich mich nur auf Platt - das ist unsere Sprache, mit der wir zusammen aufgewachsen sind.“

Gerda Heß spricht aber mit ihrem Mann, der vor über 40 Jahren aus Mühlbach einheiratete, im Allgemeinen „Hochdeutsch“ – das war ihre Sprache, als sie sich kennenlernten, und dabei blieben sie bis heute und sprachen und sprechen auch mit ihren Kindern so. Aber wenn Helmut Heß mal zu einer Gesprächsrunde im Hohlweg dazukommt, dann bringt er sich in seinem Mühlbacher Platt ein, auch wenn er sich damit ein wenig abhebt. Aber man versteht sich natürlich.

Hannelore Gierke-Stöcklein, die in den 1950er Jahren im Hohlweg aufgewachsen ist, aber dann im Neubaugebiet des Dorfes wohnte, unterhält sich bis zur Gegenwart mit ihren Altvertrauten ganz selbstverständlich auf Platt, nicht nur mit ihren Geschwistern, sondern auch mit den ehemaligen Nachbarn. „Das ist schon sonderbar!“, meint sie, „wenn ich mit meinem Bruder rede, spreche ich Platt und wenn ich die aus Fulda eingeheiratete Schwägerin daneben anspreche, gehe ich in einem Zug automatisch ins Hochdeutsche über.“

Und das Gleiche hat sie an sich auch in Bezug zur Nachbarsfamilie Klotzbach beobachtet. „Mit dem altvertrauten Georg unterhalte ich mich auf Platt, mit der aus Aua eingeheirateten Christa eigentlich auf Hochdeutsch – irgendwie muss die Ansprache an die gewohnte Umgangssprache der Kindheit gekoppelt sein!“

Die Sprache der Mutter und die Sprache des Umfelds in der Kindheit muss einen doch tief prägen und später noch ein Gefühl von Vertrautheit und Heimeligkeit vermitteln, und das möchte man doch gerne behalten – das geben alle übereinstimmend zu bedenken.

„Die Sprache hat sich aber immer etwas gewandelt!“, sagt Helmut Heß. „Wir haben heute, auch wenn wir Mundart sprechen, zum Teil andere Wörter als unsere Vorfahren oder drücken manches anders aus.“ Gretel Schreiber pflichtet bei und meint, dass sie früher zum Beispiel für grünen Salat „Latch“ gesagt hätten, heute aber meistens „Salod“ sagen. Und Hannelore Gierke-Stöcklein fällt diesbezüglich das alte Wort „Ern“ für Hausflur ein, und dass sie heute einfach dafür auch in Mundart „Flur“ sagt. Und ganz deutlich sei ihr der Wandel schon bei ihrem um zehn Jahre jüngeren Bruder Thomas aufgefallen – „der spricht Platt gar nicht mehr richtig, jedenfalls nicht so wie ich, und redet schon mehr in einer ans Hochdeutsche angeglichenen Umgangssprache.“

Man hört, wo jemand herkommt

"Früher hatte bald jedes Dorf gewisse Eigenheiten und man konnte die Menschen danach einordnen, aber die alten Dialekte werden immer weniger gesprochen“, meint Helmut Heß. Schließlich kommen die Menschen in immer größeren Umkreisen zusammen und kommunizieren miteinander. Dabei gleichen sich die Umgangssprachen in größeren Räumen etwas aus und viele Ausdrucksweisen passen sich der Hochsprache immer mehr an. „Trotzdem kann man viele Menschen an der Umgangssprache auch noch heute in gewisser Weise in eine Region einordnen, selbst wenn sie ihre Redensart als Hochdeutsch betrachten“, hält Gretel Schreiber dagegen. Dazu können alle Beispiele anführen – schon wenn er mit Einheimischen aus Dörfern der Bebraer Ecke telefoniert, bemerkt Heinrich Schreiber einen gewissen anderen Akzent und meint: „Die sprechen etwas anders, das hört man raus!“ Das unterstreicht auch Gerda Heß, schließlich fiel ihr schon immer auf, dass ihre Tante aus Schlitz etwas anders sprach, wenn sie sich eigentlich doch auf Hochdeutsch unterhielten. Noch größere Unterschiede gibt es zu den anderen weiter entfernt liegenden Regionen in Hessen, wie zum Beispiel zum Frankfurter, Gießener oder Kasseler Raum.

Von Brunhilde Miehe

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