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Waldeck-Frankenberg: Kreistag setzt Zeichen gegen Rechtsextremismus

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„Nie wieder ist nicht nur jetzt, nie wieder gilt immer.“ Das sagte der Bastian Belz von der FDP in der Aktuellen Stunde im Kreistag. Wie er bezogen sich Abgeordnete der anderen Parteien auch auf die Demos gegen Rechts. Unser
„Nie wieder ist nicht nur jetzt, nie wieder gilt immer.“ Das sagte der Bastian Belz von der FDP in der Aktuellen Stunde im Kreistag. Wie er bezogen sich Abgeordnete der anderen Parteien auch auf die Demos gegen Rechts. Unser © Hans Peter Osterhold

In einer Aktuellen Stunde haben sich fast alle Fraktionen im Waldeck-Frankenberger Kreistag deutlich für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Hass und Antisemitismus ausgesprochen.

Waldeck-Frankenberg - Auf Antrag von SPD und CDU beteiligten sich Freie Wähler, Grüne, FDP sowie die fraktionslosen Abgeordneten Regina Preysing und Arno Wiegand mit Redebeiträgen an der Aktuellen Stunde. Mehrfach kritisierten Rednerinnen und Redner hierbei auch die Politik der AfD. Aus der AfD-Kreistagsfraktion gab es auch ein Statement, in dem Dr. Andreas Salzmann mit Blick auf die abgehaltene Aktuelle Stunde von „Heuchelei und Farce“ sprach.

„Rassismus und teilweise rechtsextreme Einstellungen sind Normalität geworden. Unsagbares ist sagbar geworden. Die Diskursverschiebung gefährdet unser Zusammenleben“, sagte Dr. Daniela Sommer von der SPD. Der jüngste Verfassungsschutzbericht zeige, dass die Demokratie in Deutschland vielen Anfeindungen – etwa durch den Rechtsextremismus und durch Rechtsextreme – ausgesetzt sei. „Mit der Aktuellen Stunde und den vielen Demos zeigen wir, dass wir nicht wegsehen und uns nicht wegducken. Wir zeigen den Rechtsradikalen, dass wir mit ihrer Ideologie nicht einverstanden sind“, sagte Daniela Sommer.

Die Demos seien wichtig – nicht nur als Zeichen an diejenigen, die in Potsdam wilde Fantasien verfolgen, betonte Bastian Belz (FDP). Auch vor Ort gebe es negative Beispiele, die einem zu denken geben. „Fremdenfeindliche Sprüche in Kneipen, auf Sportplätzen oder jüngst in Goddelsheim beim Discoabend sind genauso ekelhaft.“ Menschen, die sich so verhielten, müsse man ebenso mit Courage entgegentreten. Es gelte, dagegen anzustimmen und diese Sprüche nicht stehen zu lassen.

„Extremismus von rechts, links oder antisemitisch motiviert – oder woher auch immer er kommt – hat in Deutschland keinen Platz. Mit allem, was die Demokratie zur Verfügung stellt, werden wir dieses Denken eisenhart und konsequent bekämpfen“, sagte Armin Schwarz (CDU). Er betonte, dass es den Menschen in Deutschland heute besser gehe als 95 Prozent der Menschen auf der Welt. „Und wie haben wir das geschafft? Durch Demokratie und nicht durch totalitäre Regime. Deswegen ist es umso mehr Motivation, unsere Demokratie zu verteidigen“, so Schwarz. In Richtung der AfD-Kreistagsfraktion sagte er: „Wir lassen uns diese Demokratie durch Ihre Parolen und durch Ihre Initiativen nicht zerstören.“

Hintergrund: Die Aktuelle Stunde

Laut Geschäftsordnung für den Kreistag des Landkreises Waldeck-Frankenberg können eine Fraktion oder mindestens sieben Abgeordnete beantragen, dass der Kreistag über ein bestimmtes Thema von allgemeinem aktuellem Interesse, das zum Zuständigkeitsbereich des Kreistages gehört, eine Aussprache abhält. Diese Aktuelle Stunde dauert höchstens 50 Minuten.

Weitere Redebeiträge aus der Aktuellen Stunde im Waldeck-Frankenberger Kreistag

SPD: „Heute müssen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger Angst vor Anfeindungen, Bedrohungen und Gewalt haben. Dies zeigt: Antisemitismus und Judenhass sind kein Problem der Vergangenheit, sondern auch ein Problem der Gegenwart“, sagte Iris Ruhwedel (SPD). Es sei daher wichtig, deutlich zu machen, für welche Werte die demokratischen Parteien stehen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieser Satz ist die Lehre aus Nazi-Diktatur und Holocaust. Dieser Satz ist das Fundament, auf dem unsere freiheitliche Demokratie steht“, so Iris Ruhwedel. An diesem Fundament würden Kräfte rütteln, die Unterschiede machen zwischen nicht-behinderten und behinderten Menschen, zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. „Diese Kräfte wollen Menschen aus rassistischen Gründen aus unserem Land deportieren – egal, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht“, sagte die Sozialdemokratin. Diese Kräfte säßen heute – demokratisch gewählt – in Parlamenten, obwohl sie keine Demokraten seien.

CDU: „In fast allen Bundesländern ist die AfD oder ihre Jugendorganisation entweder als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft oder als gesichert rechtsextrem bestätigt“, sagte Armin Schwarz (CDU). Es sei diesbezüglich auch ein hohes Gut, dass in Deutschland die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet sei.

FDP: Dass „Demokratie nicht immer einfach ist“, darauf wies Bastian Belz von der FDP hin. Anhänger von politischen Rändern hätten oft einfache Antworten auf schwierige Fragen. Um ein „gesamtgesellschaftliches Nie wieder darzustellen“, brauche man alle Kräfte der Zivilgesellschaft. „Daher möchte ich allen zurufen: Seid laut gegen Anti-Demokraten und Feinde unserer Verfassung. Nie wieder ist nicht nur jetzt, nie wieder gilt immer.“

Grüne: Jürgen Frömmrich (Grüne) betonte, dass der Redebeitrag der AfD ein Paradebeispiel dafür sei, wie man sich von Tätern zu Opfern mache. „Diejenigen, die in den letzten Wochen dadurch geglänzt haben, einen Spalt in unsere Gesellschaft zu treiben, die über Remigrationspläne sowie über die Verfolgung und Vertreibung von Menschen geredet haben, stellen sich hier vorne hin und begeben sich in eine Opferrolle. Doch diese Opferrolle steht Ihnen nicht zu“, sagte Frömmrich in Richtung der AfD. „Die Menschen der Bürgerbewegung in der DDR würden sich wegekeln, wenn sie hören würden, wie Sie versuchen, diesen Protest der Bürgerinnen und Bürger in der DDR zu vereinnahmen.“

Es stimme, dass die AfD in demokratischen Wahlen in Parlamente gewählt wurde. Es seien auch nicht alle Menschen, die die AfD gewählt hätten, Menschen, die einem festen, rechtsextremen Weltbild unterlägen. Es gebe verschiedenste Gründe dafür – und über die Probleme, die es in Deutschland gebe und über die großen Herausforderungen, die man zu bewältigen habe, könne man trefflich streiten. „Aber Herr Kollege Salzmann, demokratisch gewählt heißt nicht, dass man auch Demokrat ist“, sagte Frömmrich und fügte mit Blick auf den „Grundsatz der Demokratie“ hinzu: „In dem, was Sie gegen Menschen anderen Glaubens, anderer Ethnien und anderer sexueller Orientierungen hier bislang so zum Schlechtesten gegeben haben, kann man doch sehen, dass Ihnen dieser Grundsatz eigentlich zuwider ist.“

Freie Wähler: Uwe Steuber, Fraktionschef der Freien Wähler, wies unter anderem darauf hin, dass die AfD im Main-Kinzig-Kreis kürzlich mit einem Antrag im Kreistag die Schaffung der Stelle eines Remigrationsbeauftragten gefordert habe. „Was ist da los? Das, meine Herren von der AfD, ist menschenverachtend, das ist spaltend. Solch ein Antrag tritt gesellschaftliche Programme – insbesondere im Sport, wo wir uns die Integration auf die Fahne geschrieben haben – mit Füßen. Ich hoffe, dass es in Waldeck-Frankenberg nie zu solch einem Antrag kommt“, so Steuber, der auch Vorsitzender des heimischen Sportkreises ist.

Weitere Statements: „Der Kurs, den die AfD fährt, hat eine historische Grundlage und ein historisches Vergleichsbild, das uns allen schon bekannt ist und das großes Unglück über Deutschland, Europa und die Welt gebracht hat“, sagte Regina Preysing (fraktionslos, Linke).

Sie machte zugleich deutlich, „dass Rechtsextremismus dadurch entsteht, dass sich große Mengen von Menschen von der Regierung nicht mehr vertreten fühlen“. Das passiere unter anderem, wenn die Menschen die Sicherheit in ihrem Leben verlieren. „Das passiert aber auch durch plötzliche Veränderungen, die beschlossen werden und durch die vor allem die einfachen, normalen Bürger auf eigene Kosten die Kosten dieser Veränderungen tragen müssen“, so Preysing. Dass Asylverfahren weiterhin so lange dauerten und geflüchtete Menschen dadurch kein Arbeitsverhältnis eingehen könnten, sorge ebenfalls für Frustration, denn für diese Verfahren kämen letztlich die Steuerzahler auf. „Das ist unter anderem der Boden, auf dem Rechtsextremismus gedeiht, und das muss abgestellt werden.“

Arno Wiegand (fraktions- und parteilos) sagte: „Dass ich kein Freund von Rechts bin, ist hier in dem Hause hinlänglich bekannt. Doch wir müssen uns schon fragen, warum die AfD denn diesen Zulauf hat? Ich bin mir sicher, dass die meisten die Partei aus Protest gewählt haben. Einer der Hintergründe dafür ist, dass wir in dieser Republik viel zu wenig praktikable Lösungen schaffen.“

„Nationale Interessen sind gefährdet“

Auch Landrat Jürgen van der Horst ergriff in der Aktuellen Stunde das Wort. „Die Demonstrationen zeigen, dass die schweigende Mehrheit eben doch nicht schweigt und dass sie auch eine Mehrheit ist. Das ist gut so. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der eine oder andere Anstoß erforderlich war, um dies auszulösen“, sagte der Chef der Kreisverwaltung. Zuletzt sei das Potsdamer Treffen solch eine „kalte Dusche“ gewesen.

„Das war eine erneute Grenzüberschreitung. Die Autoren des Recherchenetzwerks Correctiv haben das Treffen eigentlich mit der Überschrift ‚Geheimplan gegen Deutschland‘ sehr gut auf den Punkt gebracht. Es geht nicht nur darum, unsere Idee zu hinterfragen oder zu beseitigen, wie Gesellschaft, wie Staat, wie unsere Demokratie funktionieren sollen. Es geht hier wirklich um originäre, nationale Interessen, die gefährdet sind durch die selbst ernannten Patrioten dieser Denkschule“, sagte der Landrat.

Mit Blick auf den thüringischen AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke sagte van der Horst, dass die Überschreitung von Grenzen nicht nur als legitimes Mittel im Politikbetrieb gesehen werde. „Der meint es wirklich ernst“, machte der Landrat deutlich. Genau diese Denkstrukturen fänden sich auch woanders in der AfD.

AfD: „Menschen erleben übelste Repressalien“

„Demokratien, die diesen Namen wahrlich verdienen, erkennt man auch daran, wie die Regierenden mit der Opposition und Kritikern umgehen“, sagte Dr. Andreas Salzmann von der AfD. Er erinnerte an die Wende 1989. „Damals gingen freiheitsliebende Menschen gegen ‚die Herrschaft des Unrechtes‘ auf die Straße und riskierten dabei ihr Leben. Noch sind es nur die Landwirte, Fuhrunternehmer und Mittelständler, die seit dem 8. Januar für ihre Freiheit und die Erhaltung ihrer Existenz auf die Straße gehen“, so Salzmann.

Man müsse kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass die „katastrophale“ Politik der letzten Jahrzehnte immer mehr Freiheitsliebende auf die Straße bringen werde. „Diesen mutigen Menschen, die teilweise übelste Repressalien erleben müssen, gebührt unsere Solidarität. Die AfD steht an der Seite dieser Proteste.“ Die AfD stehe nicht an der Seite „der wohlfeilen angeblichen ‚Schützer der Demokratie‘, die Seit’ an Seit’ mit staatsfinanzierten NGO’s, ja auch mit linksextremer, gewaltaffiner Antifa auf die Straßen geschickt werden, um unter dem Deckmantel des angeblichen Kampfes gegen rechts, gegen die Opposition, Regierungskritiker und rechtschaffene Unternehmer mittels übelster Verleumdungen und Unterstellungen zu hetzen“.

Salzmann kritisierte zudem, dass bei einer Demo in Aachen auf einem Banner „unverhohlen zum ‚Töten von AfD’lern‘“ aufgefordert worden sei.

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