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„Man sollte sich nicht beirren lassen“: Bad Hersfelds Bürgermeisterin über die Organisation des Landesfestes

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Übergabe der Hessentags-Fahne von Korbach an Bad Hersfeld: (von links) Korbachs Bürgermeister Klaus Friedrich, das Korbacher Hessentagspaar, der damalige Ministerpräsident Volker Bouffier, das Hersfelder Hessentagspaar, der damalige Bürgermeister von Bad Hersfeld, Thomas Fehling, Landrat Dr. Michael Koch und die damalige Hessentagsbeauftragte Anke Hofmann (rechts), die heute Bürgermeisterin von Bad Hersfeld ist.
Übergabe der Hessentags-Fahne von Korbach an Bad Hersfeld: (von links) Korbachs Bürgermeister Klaus Friedrich, das Korbacher Hessentagspaar, der damalige Ministerpräsident Volker Bouffier, das Hersfelder Hessentagspaar, der damalige Bürgermeister von Bad Hersfeld, Thomas Fehling, Landrat Dr. Michael Koch und die damalige Hessentagsbeauftragte Anke Hofmann (rechts), die heute Bürgermeisterin von Bad Hersfeld ist. © Nadine Maaz

Fritzlar ist Hessentagsstadt 2024. Die Vorbereitungen fürs Landesfest laufen, doch gibt es Rückschläge – etwa bei der Organisation von Veranstaltungen und durch Preissteigerungen.

Fritzlar/Bad Hersfeld – In Fritzlar laufen die Vorbereitungen für den Hessentag auf Hochtouren. Start ist am 24. Mai. Wir werfen in einer Mini-Serie einen Blick auf die ehemaligen Hessentagsstädte Bad Hersfeld, Korbach sowie Pfungstadt und deren Erfahrungen mit dem Landesfest. Zum Auftakt spricht die ehemalige Hessentagsbeauftragte und heutige Bad Hersfelder Bürgermeisterin, Anke Hofmann, über den Hessentag 2019, die Hürden und das, was geblieben ist.

Frau Hofmann, wie war die Hessentags-Stimmung in Bad Hersfeld im Vorfeld des Landesfestes?

Es gab im Vorfeld des Hessentages zahlreiche Kritiker in der Bevölkerung – es hieß: Zu teuer für die Stadt, durch den gesperrten Stadtring ist das Verkehrschaos programmiert, das klappt in der engen Innenstadt niemals und so weiter. Lange Rede, kurzer Sinn: Am Ende des ersten Veranstaltungstages war das alles erledigt. Es war von da an Ehrensache und persönliches Anliegen für alle Bürger, die Stadt als gute Gastgeberin zu präsentieren. Das Fest wurde für viele von uns eine echte Lebenserfahrung.

Wie hat sich diese positive Stimmung ganz praktisch ausgewirkt?

Bereits während des Festes bedankten sich zahlreiche Bürger. Was wir auch positiv vermerken können, ist die Tatsache, dass sich im Vorfeld rund 400 freiwillige Helfer meldeten (DRK, THW, Feuerwehr). Als sich dann einige Monate später andeutete, dass es auch keine Budgetüberschreitung geben würde, war die Stadt voll von „Konvertiten“!

Wann begann der Vorverkauf für die von der Stadt präsentierten Veranstaltungen, zum Beispiel Konzerte?

Die ersten beiden Konzerte „Silbermond“ und „The Kelly Family“ wurden ab dem 15. Oktober 2018 verkauft, die weiteren dann in den Folgewochen bis Ende 2018.

Wie wichtig ist der Start des Vorverkaufs zum Weihnachtsgeschäft?

Sehr wichtig! Konzertkarten als Weihnachtsgeschenk sind eine wichtige und frühe Einnahmequelle. Ein Umstand, den wir Jahr für Jahr auch bei unseren Bad Hersfelder-Festspielen feststellen. Früher Vorverkauf bringt nicht nur Liquidität, sondern auch wichtige Marketinghinweise, welche Veranstaltungen in der Außendarstellung noch weiter „angeschoben“ werden müssen.

Wie entwickelte sich der Vorverkauf für Konzerte beim Hessentag – welche Zeiträume waren besonders verkaufsstark?

Bis zum 20. Dezember 2018 wurden für die Konzerte knapp 55 Prozent der letztendlichen Konzerteinnahmen in der Arena gebucht. Bis Anfang April 2019 waren es 87 Prozent aller Karten; am 5. Juni 2019 (zwei Tage vor dem Hessentag) lagen wir bei 97 Prozent. Somit war der Vorverkauf vor Weihnachten der verkaufsstärkste Zeitraum.

Wie weit sollte man mit den Vorbereitungen ein halbes Jahr vor dem Landesfest sein?

Auf jeden Fall sollten die Investitionsprojekte, die gefördert werden sollen, festgelegt sein. Die Veranstaltungsflächen müssen feststehen. Also: Was findet wo statt? Ebenso müssen einige Ausschreibungen, insbesondere europaweite, bereits gelaufen sein (Sicherheitsfirmen). Die Hessentagsstraße sollte festgelegt und zur Bewerbung für Standbetreiber ausgeschrieben sein.

Was waren aus Ihrer Sicht im Vorfeld die größten Hürden bei der Ausrichtung des Landesfestes?

Zunächst einmal unterscheidet sich die Ausrichtung der Veranstaltung Hessentag komplett von der bisherigen Arbeit einer Stadtverwaltung – mehr Projektmanagementstrukturen statt Linienorganisation, flache Hierarchien mit Hessentagsbeirat, schnellere Entscheidungsrhythmen und mehr. Diese Besonderheit wird zunächst unterschätzt. Die schiere Dimension und Komplexität der Großveranstaltung waren eine große Herausforderung. Unzweifelhaft bringt der Hessentag die ausrichtende Stadt bis an ihre Grenzen. Dagegen müssen möglichst früh lokale, regionale und landesweite Netzwerke aufgebaut werden, ohne Partner außerhalb der Stadt geht es nicht.

Welche weiteren Herausforderungen gab es?

Die allgemeinen Terrorlagen im Jahr 2019 haben deutlich mehr Anstrengungen und Ressourcen beim Thema Sicherheit notwendig gemacht. Eine weitere Kraftanstrengung: Es sollte ein Fest der kurzen Wege mitten in der Innenstadt werden – und wurde es dann auch. Dafür wurde der Stadtring Bad Hersfeld für über zwei Wochen als Veranstaltungsfläche für den Verkehr gesperrt. Es mussten zahlreiche Alternativen für Besucher, Berufspendler und lokale Bevölkerung im Hinblick auf Mobilität entwickelt werden.

Mit welcher Agentur haben Sie in Sachen Sicherheit und Veranstaltungen zusammengearbeitet?

Mit keiner. Die letztendlichen Sicherheitsdienstleistungen wurden ausgeschrieben.

Wie hoch ist das Defizit ausgefallen?

Es gab kein „Defizit“. Wir sind unter dem von der Stadtpolitik festgelegten Ausgabenbudget von 2,5 Millionen geblieben (tatsächlich 2,35 Millionen Euro). Den Einnahmen von 7,34 Millionen Euro standen Ausgaben von 9,69 Millionen Euro beim Hessentag 2019 entgegen.

Was waren die Kostentreiber?

Die größten Ausgabenanteile: gesamtes Veranstaltungsprogramm 3,71 Millionen Euro. Herstellung Flächen und Infrastrukturen 2,97 Millionen Euro. Sicherheit und Verkehr (je etwa 50 Prozent) für 1,94 Millionen Euro.

Wie wesentlich waren die Veranstaltungen auf der größten Bühne (Arena) für den Erfolg?

Die Konzerte hatten großen Anteil an dem landesweiten Marketing-Schub, die ein Hessentag für die Veranstalter-Stadt bringt. Printmedien, die wochen- und monatelange Sendung von Radiospots und Fernsehsendungen, die Unterstützung durch das Land, die Hunderttausende Nutzer der Webseiten, der Hessentags-App und in den sozialen Medien haben eine sehr große Aufmerksamkeit zur Folge. Hätte man das in einer eigenen Standort-Kampagne starten wollen, hätte das sicher einen siebenstelligen Betrag gekostet.

Was würden Sie den Ausrichtern einer künftigen Hessentagsstadt als Tipp mit auf den Weg geben?

Man sollte die Erfahrungen der Vorgängerstädte mitnehmen – und dann selbstbewusst den eigenen Weg gehen und sich nicht beirren lassen.

Hat sich schon jemand aus Fritzlar nach den Bad Hersfelder Hessentags-Erfahrungen erkundigt?

Ja, Bürgermeister Spogat und ich kennen uns, wir haben uns über den Hessentag ausgetauscht.

Würde Bad Hersfeld noch einmal einen Hessentag ausrichten?

Ja! Das Fest hat die Bürger zusammengeschweißt! Viele Kooperationen sind entstanden. Dass uns die Erntezeit im Folgejahr 2020 – 80 Prozent der Hessentagsgäste besuchen die jeweilige Stadt danach nochmals – leider durch die Corona-Pandemie genommen wurde, ist eine andere Geschichte. Dagegen spräche vor allem, dass seit der Corona-Pandemie die kommunalen Finanzspielräume deutlich zurückgegangen sind. (Maja Yüce)

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