60 Jahre Bundesliga – warum eigentlich wir nicht?

Im Frühjahr 1963 hoffte man in Kiel noch auf eine Teilnahme an der Bundesliga.

Der 24. August 1963 ist ein historisches Datum für den deutschen Fußball: Nach jahrzehntelangen Vorbereitungen rollte an diesem Tag erstmals in einer einheitlichen deutschlandweiten obersten Spielklasse der Ball: Die Bundesliga war geboren – und wurde zum einmaligen Erfolgsprodukt des deutschen Fußballs. An der Kieler Förde wartet man auch 60 Jahre nach der Einführung der eingleisigen, höchsten Spielklasse noch auf das erste Bundesligaspiel. Dass Holstein Kiel viermal haarscharf am großen Wurf vorbeischrammte und trotz vehementer Proteste auch am 24. August 1963 nicht dabei war, hatte vielschichtige und vor allem nicht nur sportliche Gründe.

Bundesliga ohne Schleswig-Holstein

Als der DFB Anfang der 1960er-Jahre beschloss, die fünf erstklassigen Oberligen Nord, West, Südwest, Süd und Berlin abzuschaffen und eine eingleisige Bundesliga einzuführen, wollte man bei den Vertretern auf eine ausgewogene regionale Verteilung achten. Von den insgesamt 74 Bewerbern standen nur 16 Plätze in der neuen Spielklasse zur Verfügung. So ist zu erklären, dass zum Beispiel der FC Bayern München nicht in die Bundesliga aufgenommen wurde, weil die damals erfolgreicheren Vereine 1860 München und 1. FC Nürnberg als bayerische Vertreter gesetzt waren. Aber auch für ruhmreiche Clubs wie Kickers Offenbach, Alemannia Aachen und auch Holstein Kiel blieb die Tür 1963 verschlossen. Zehn Bundesländer bekamen damals ihren Bundesligisten – einzig Schleswig-Holstein fiel unter den Tisch. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Vereine wie Holstein Kiel oder der VfB Lübeck schafften nie den Sprung. Chancen dafür gab es mehrere.

Die Fans auf dem Holsteinplatz hofften in den 60er Jahren auf die Bundesliga.

Proteste und Wut

In Kiel erhitzten sich über die Entscheidung die Gemüter. Der große Traditionsclub, der immerhin dreimal am Endspiel um die Deutsche Meisterschaft teilgenommen hatte, 1912 als erster norddeutscher Verein den Titel gewinnen konnte und hinter dem Hamburger SV stets zu den besten Nordclubs gehörte, musste – genau wie Hannover 96, der FC St. Pauli und auch Osnabrück – die bittere Pille schlucken. Vor allem die Saison 1962/63 machte den Kielern einen Strich durch die Rechnung. Die beiden Niederlagen gegen den Landesrivalen VfR Neumünster sowie eine durchwachsene Oberliga-Rückrunde brachte nur Platz 5 in der Endabrechnung. Am Ende sorgte aber vor allem die DFB-Argumentation bei der Qualifizierung für Unmut. „Bei gleichen oder nicht wesentlich unterschiedlichen Ergebnissen weist Eintracht Braunschweig gegenüber Ihrem Verein die besseren wirtschaftlichen Voraussetzungen auf“, so der DFB. KSV-Vorstandsmitglied Pim Feigel wetterte: „Die wirtschaftlichen Verhältnisse Holsteins sind absolut gesund und gut. Auch die fertigen Pläne zum Ausbau des Holsteinplatzes auf 35.000 Zuschauer sowie Sachwerte in Höhe von 200.000 DM warfen die Störche in die Waagschale. Holstein zahlte die Beschwerdegebühr von 300 DM und legte wie zwölf andere Clubs Protest ein – ohne Erfolg.

Ausgerechnet gegen Neumünster setze es im letzten Qualifikationsjahr zwei Niederlagen.
Holsteins Bundesliga-Träume zerplatzten 1963 erstmals.

Rekordspieler Peter Ehlers

Holsteins ewiger Rekordspieler Peter Ehlers sah einige Jahre später das Verpassen der Bundesliga etwas gelassener: „Im letzten Qualifikationsjahr vor der Gründung haben wir ganz schlecht abgeschnitten. Einige unserer Nachwuchskräfte waren vielleicht noch nicht so weit. Aber die wirtschaftlichen Grundlagen für Bundesliga-Fußball waren auch nicht unbedingt gegeben. Leute wie Hermann Langness und Gerhard Lütje waren damals weit und breit nicht zu finden. Es fehlte trotz der starken Mannschaft im Umfeld einfach die Struktur. Außerdem waren die meisten Stammspieler schon über 30 Jahre alt und gingen geregelten Berufen nach. Ich selbst hätte vielleicht einen Vertrag mit geringerer Trainingsverpflichtung für die Bundesliga aushandeln können, aber nicht nur die weiten Fahrten wären eine große Belastungsprobe geworden.“

Bundesliga-Aufstiegsrunde 1965

Zwei Jahre später war dann die nächste Chance für die Störche, ins Fußball-Oberhaus einzuziehen. Als souveräner Regionalliga Nordmeister zogen die Störche vor dem FC St. Pauli und Altona 93 in die Aufstiegsrunde zur 1. Bundesliga ein. Die Störche um „Wundersturm“ Franz-Josef Hönig, Gerd Koll und Gerd Saborowski hatten in der Regionalliga-Saison 1964/65 stolze 94 Treffer erzielt und man traute der KSV den großen Wurf zu. Kurz vor der Aufstiegsrunde trennten sich die Störche von Trainer Helmut Ullmann. Ex-Holstein-Trainer Helmuth Johannsen sprang für die Aufstiegsrunde als Trainer ein. Doch Borussia Mönchengladbach hatte am Ende die Nase vorn. Hennes Weisweilers Fohlen-Elf um Günter Netzer, Jupp Heynckes, Bernd Rupp und Herbert Laumen bezwang die Störche im vorentscheidenden Spiel vor 30.000 Zuschauern am Bökelberg durch einen Treffer von Milder in der Nachspielzeit mit 1:0. KSV-Kapitän Peter Ehlers kassierte in Gladbach die einzige Rote Karte seiner langen Laufbahn. In der Aufstiegsrunden Gruppe 2 sicherte sich der FC Bayern München den Aufstieg. In den nächsten beiden Saisons fehlte den Störchen jeweils nur ein einziges Tor für die erneute Teilnahme an der Bundesliga-Aufstiegsrunde. Und Landesrivale VfB Lübeck scheiterte in der Bundesliga-Aufstiegsrunde 1969 ohne Sieg sang- und klanglos.

Tickets für die Bundesliga-Aufstiegsrunde kosteten eine DM.
Mit unserem ewigen Rekordtorjäger Gerd Koll scheiterte die KSV in der Bundesliga-Aufstiegsrunde.

Relegation 2018 und 2021

Nach dem Aufstieg aus der 3. Liga brachte Holstein, damals mit Markus Anfang an der Seitenlinie, 2017/2018 eine starke Saison im deutschen Unterhaus aufs Parkett und sicherte sich am Ende mit dem Relegationsplatz die Chance auf den direkten Durchmarsch in die Bundesliga. In der Relegation gegen den VfL Wolfsburg mussten sich unsere Störche allerdings schon im Hinspiel mit 1:3 geschlagen geben. Und auch vor heimischer Kulisse reichte es am Ende mit 0:1 nicht. Die Wolfsburger verhinderten so zum zweiten Jahr in Folge durch die Relegation den Abstieg. Das nächste Mal klopfte die KSV dann in der Saison 2020/2021 an der Bundesliga an. In dieser besonderen Spielzeit fanden aufgrund der Corona-Krise eine Großzahl der Spiele ohne Zuschauer oder mit begrenzten Kapazitäten statt. Unsere Störche lieferten ihren Fans jedoch eine enorm starke Saison, in der Sie auch die Bayern aus dem DFB-Pokal kegelten und am Ende der Liga erneut auf dem Relegationsplatz landeten. Es wartete der 1. FC Köln. Im Hinspiel gelang im RheinEnergie Stadion in Köln sogar ein knapper 1:0-Auswärtssieg. Entsprechend groß war die Euphorie vor dem Rückspiel im Holstein-Stadion. Hier ließ der dreimalige Deutsche Meister unseren Kielern jedoch kaum eine Chance, sodass zur Pause bereits ein 1:4-Rückstand auf der Anzeigetafel stand. Am Ende reichte es wieder nicht ganz für den Sprung in die Erstklassigkeit.

Maximilian Arnold gegen Kiels Rafael Czichos im Relegations-Hinspiel 2018.
Halbzeitstand im Relegations-Rückspiel 2021.
Große Enttäuschung bei Fabian Reese und Alexander Mühling nach dem Spiel.

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