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Grünbrücke Luckenwalde © Schaffitzel Miebach

Unten Lärche, oben Wild

Ein Artikel von DI Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 10.10.2012 - 13:26
Autobahnen und Bundesstraßen sind praktisch, keine Frage. Doch für das Wild bilden sie oft eine unüberwindbare Barriere. Wanderrouten sind damit zerschnitten. Populationen werden immer kleiner, was für die längerfristige Fortpflanzung ein genetisches Problem darstellt. Die Lösung dafür sind Grünbrücken. Das sind mächtige Bauwerke mit mehr als 20 m Breite, da das Wild einen schmalen Streifen nicht akzeptieren würde.
„Hier öffnet sich ein großes Potenzial für die Holzindustrie“, ist Frank Miebach, Geschäftsführer des Holzbrückenspezialisten Schaffitzel+Miebach, Lohmar/DE, sicher. Richtig umweltfreundlich seien diese Bauwerke nämlich erst dann, wenn sie nachhaltig ausgeführt werden. Das jüngste Projekt von Schaffitzel+Miebach ist ein Musterbeispiel für diesen Gedanken. Über die B 101 spannt seit Kurzem eine hölzerne Wildbrücke. Die Ausmaße beeindrucken: 520 m3 Lärchen-Brettschichtholz und 1820 m2 Brettsperrholz. In der Konstruktion sind 500 t CO2 gespeichert.

Dreigelenkbogen mit 32 m Stützweite

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Grünbrücke Luckenwalde © Schaffitzel Miebach

Die B 101 verbindet Südbrandenburg mit der A 10 „Berliner Ring“. Nahe Luckenwalde führt eine Grünbrücke über die vierstreifige Fahrbahn. Das Bauwerk ist 40 m lang, hat eine Stützweite von 32 m und überbrückt die Fahrbahn mit einer lichten Höhe von bis zu 7,5 m. Das statische System besteht aus BSH-Bindern als Dreigelenkbogen und wird über Stahlgelenke auf den Widerlagern und im First ausgebildet. Je zwei Binder wurden als Montageeinheit bei der Schaffitzel Holzindustrie in Schwäbisch Hall vorgefertigt. 60 solcher Einheiten traten die Reise nach Brandenburg an.

Lärchen-BSH mit BSP geplankt

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Richtspruch unter Lärchen-BSH - danach wurden die Binder mit BSP-Platten beplankt, wurzeldicht beschichtet und mit Erdreich überzogen © Legrand

Das Interesse an der Grünbrücke in Holz ist riesig. Das wird als Argument immer wichtiger. Internationale Experten haben die Brücke schon in Augenschein genommen. Die Montage vor Ort erfolgt mit vier Autokränen (s. Bild oben). Die gegenüberliegenden Binderpaare wurden jeweils zuerst auf den Widerlagern fixiert und dann durch Absenken im First zusammengeführt. Abgedeckt werden die Binder mit 14,6 cm starken Brettsperrholzplatten. Edelstahlschrauben verbinden BSH mit BSP. Darauf wurden eine Abdichtung und ein Schutz gegen Durchwurzelung aufgebracht. Das ist nötig, weil die gesamte Fläche mit Erde überschüttet wurde. Das Gelände wird mit Rasen und Buschwerk bepflanzt, um eine möglichst natürliche Umgebung zu simulieren. Um den Autolärm und die Scheinwerfer abzuschwächen, sind entlang der Brücke und längs der Bundesstraße 2 bis 3,8 m hohe Irritationsschutzwände angeordnet.

Doppelt gebogene Leimbinderfertigung

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Verzwickte Verleimung: In den Werkshallen der Schaffitzel Holzindustrie wird der zweifach gekrümmte Portalbogen verleimt © Schaffitzel-Miebach

Eine besondere Herausforderung war die Fertigung der Portalbögen. Diese sind in zwei Ebenen gebogen. Schaffitzel baute dafür zuerst ein passendes Pressbett und legte die beleimten Lamellen auf. Als Klebstoff wurde ein Melaminsystem mit langer offener Zeit gewählt. Der Pressdruck wurde nämlich händisch aufgebracht (s. Bild li. unten). Das sieht in der Produktion aufwändig aus, ist in Realität aber einfach nur beeindruckend. Verschalt sind diese Portalbögen mit über 100 m2 Accoya. Dieses acetylierte Pinus Radiata-Holz ist dermaßen dauerhaft (Dauerhaftigkeitsklasse 1), dass kein konstruktiver Holzschutz nötig ist. Bei den Bindern kam Lärchen-Kernholz zum Einsatz. Die Werkshallen der Schaffitzel Holzindustrie waren während der Vorbereitungszeit voll ausgelastet. Das heimische Nadelholz ist aber perfekt geeignet, um langfristige Dauerhaftigkeit zu gewährleisten. Die Binder bleiben im eingebauten Zustand sichtbar. Nicht zu verachten ist hier der Werbewert. Knapp 10.000 Autofahrer passieren das Bauwerk täglich. Und verglichen mit einer 40 m langen Betonhöhle, sieht ein Lärchen-BSH-Dreigelenkbogen ungleich schöner aus. „Das Interesse an Wildbrücken aus Holz ist groß. Oft befinden sich diese mitten im Wald. Da macht es Sinn, das gleiche Material für die Konstruktionen zu verwenden“, ist Miebach überzeugt.

Grünbrücke Luckenwalde – Facts

Projektleitung: Schaffitzel+Miebach, Lohmar/DEAusführung: Schaffitzel Holzindustrie, Schwäbisch Hall/DEPlaner: Schwesig & Lindschulte, RostockAusmaße: 32 m Stützweite, 38,9 m langHolzmenge: 520 m3 Lä-BSH, 1820 m2 BSP, 100 m2 Accoyaverkleidung Konstruktion: erdüberschüttetes Bogentragwerk aus Lä-BSH mit BSP-Decke und mehrlagigem Abdichtungs-Sonderaufbau