Er hat dank dem Kochen den Weg zurückgefunden

Reto Frey ist nach einem schweren Unfall sehbehindert. Er arbeitet wieder als Koch und hat einen grossen Traum.

Der gelernte Koch Reto Frey ist sehbehindert. Mit seinem Verein Blind Chefs setzt er sich für Menschen mit Seh- und anderen Beeinträchtigungen ein. (Daniela Oegerli)

Für Reto Frey gibt es ein Leben vor und nach seinem Unfall. Davor hat er im «Rössli» Illnau/ZH eine Lehre als Koch absolviert. Später arbeitete er in verschiedenen Betrieben. «Und im Militär war ich Küchenchef und später Fourier.» Danach war er unter anderem in der Weinhandlung Delinat tätig und arbeitete drei Jahre lang in Singapur, wo er sich auf die asiatische Küche spezialisierte. Später absolvierte er eine Weiterbildung in Betriebsökonomie und gründete eine Marketing-Firma.

«Wieder einmal in einem Restaurant zu arbeiten, ist mein Traum.»

Reto Frey, Blind Chefs

Der Schnitt passierte vor elf Jahren, als Reto Frey einen Suizidversuch unternahm. Er erlitt schwere Kopfverletzungen. In der Reha lernte er wieder gehen und sprechen, geblieben ist eine schwere Sehbehinderung mit drei Prozent Sehkraft, die ihn nur dunkel und hell erkennen lässt.

«Nach der Reha hatte ich das Bedürfnis zu kochen», sagt der 54-Jährige. Im Mobile in Zürich, einem Wohnheim der Stiftung Mühlehalde für blinde und sehbehinderte Menschen, konnte er in der Küche arbeiten. «Das half mir, mich auf das Leben als sehbehinderter Mensch vorzubereiten.» Danach arbeitete er sieben Jahre lang im Bildungs- und Begegnungszentrum des Schweizerischen Blindenverbands in Dietikon/ZH. «Dort kochte ich zweimal pro Woche für 20 bis 40 Gäste.» 2020 meldete er sich beim Treffpunkt Nordliecht an der Zürcher Nordstrasse. Dort kocht er zweimal wöchentlich für Menschen mit psychischen Schwierigkeiten.

Wenn man sieht, wie sicher sich der gelernte Koch in der Küche bewegt, würde man nicht vermuten, dass er kaum etwas sieht. «Ein paar Hilfsmittel habe ich schon.» Er holt «Heidi», die sprechende Waage, hervor. Um Gewürze zu erkennen, benutzt er einen Penfriend – einen Markierungsstift mit Sprachausgabe. «Aber wenn du einmal kochen gelernt hast, dann kannst du es.» Eine grosse Hilfe für ihn ist sein Arbeitskollege Thomas Spicker. Er unterstützt ihn beim Rüsten oder beim Telleranrichten. «Thomas ist mein Auge in der Küche, denn das Anrichten als Blinder ist etwas schwierig», erklärt Reto Frey.

Heute denke er oft, dass er nie von der Gastronomie hätte weggehen sollen. Er wäre als Koch sicher erfolgreich gewesen. «Kochen ist meine grosse Leidenschaft.» Er würde gerne wieder in einem Restaurant oder Hotel arbeiten. Realistisch wäre, in einer Produktionsküche tätig zu sein. «Mein Traum ist, bei einem der grossen Köche in der Schweiz ein Praktikum zu absolvieren.» Er sei sich bewusst, dass er nicht mehr so schnell sei wie früher. Aber die Atmosphäre in einem Restaurant- oder Hotel­betrieb sei einmalig. «Und die vermisse ich sehr.»

(Daniela Oegerli)


Blind Chefs

Den Verein Blind Chefs hat Reto Frey vor sieben Jahren gegründet. Die Mitglieder kochen zweimal pro Jahr fürs Publikum. Am 14. Oktober findet der nächste Anlass statt. Der Nettoerlös kommt einer Blinden­schule in Gambia zugute. Anmeldungen per Mail.

Mehr Informationen unter:

blindchefs(at)gmail.com