Titelthema

Auf dem Weg zur digitalen Gießerei

Die Gießerei-Industrie ist energieintensiv – und wird es auch bleiben, wenn die Energiewende eines Tages vollzogen sein sollte. Zum Schmelzen von Rohstoffen wie Aluminium ist zwangsläufig ein hoher Energieeinsatz nötig.
Gießerei PINTER GUSS GmbH
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Doch die zweite Seite der Medaille darf nicht in Vergessenheit geraten. Für die Energiewende werden zwangsläufig hochwertige Guss-Komponenten benötigt, die schließlich irgendwo produziert werden müssen. „Wir helfen schon jetzt mit unseren Produkten, die Energie- und Mobilitätswende voranzutreiben“, betonen die Geschäftsführer Felix Jaruszewski und Stefan Bredl. So kommen Gussteile aus Deggendorf unter anderem im Bereich Windkraft zum Einsatz. Auf diesem Beitrag möchte sich PINTER GUSS allerdings nicht „ausruhen“. Seit vielen Jahren bestehen interdisziplinäre Kooperationen mit renommierten Forschungseinrichtungen aus Deutschland und Europa. In Forschungsprojekten wird beispielsweise an praktikablen Konzepten für das energiesparende Schmelzen von Aluminium und die Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks gearbeitet. Nicht zuletzt die Energiekrise in Folge des Kriegs in der Ukraine verdeutlicht, wie wichtig derartige Grundlagenarbeit ist. „Größter Energieträger ist bei uns Erdgas. Dafür gibt es derzeit keine ad hoc-Substitution“, stellt Bredl heraus. Die Hände in den Schoß legen und warten, bis andere eine Lösung für das Problem finden, kommt für das 1907 gegründete Unternehmen nicht in Frage. Das Engagement in Forschung und Entwicklung soll weiter intensiviert werden. Daneben erweitert das Unternehmen stetig die eigenen Kernkompetenzen. PINTER GUSS hat sich zum Systemanbieter entwickelt. Das Gießen selbst erfolgt am Standort in Deggendorf. Für die Zerspanung ist das Tochterunternehmen JUNG GmbH & Co. KG aus Vilshofen zuständig, das 2018 übernommen wurde. „Für die Kunden wird es immer wichtiger, ein einbaufertiges Teil zu bekommen. Sie möchten nicht auf verschiedene Lieferanten zurückgreifen“, betont Stefan Bredl.

Neue Wege gehen

Neben Forschung und Kompetenzerweiterung lautet die wohl wichtigste Antwort auf die Frage, wie es gelingt, aus einer klassischen mittelständischen Gießerei ein modernes Unternehmen mit Zukunft zu machen: Die Digitalisierung als zentrales Hilfsinstrument erkennen und nutzen. Das Gießen und die Nachbearbeitung von Gussteilen sind handwerkliche Prozesse. Hier digital gestützt zu arbeiten, ist in der Branche noch selten.
Wir bleiben eine Gießerei. Doch in Zusammenhang mit der Digitalisierung ändern sich die Abarbeitung von Kernprozessen und Kernprozesse selbst,
stellt Bredl klar. In der Gießerei arbeiten bereits einige automatisierte Anlagen. Nach und nach sollen weitere Maschinen „sprechend“ gemacht und vernetzt werden, um die Effizienz in den Produktionsabläufen zu steigern. In mehreren Fachabteilungen wurde zudem bereits ein digitales Betriebsdatenerfassungssystem eingeführt. Mittels Touch-Panels an den Produktionsanlagen erhalten die Mitarbeiter schnell und unkompliziert Auskunft rund um Auftrag, Produktionsstatus sowie Qualitäts- und Schulungsthemen. Mittelfristig betrachtet sollen das gesamte Firmenwissen und sämtliche Abläufe digitalisiert werden, bis im Unternehmen an keiner Stelle mehr Papier nötig sein wird. Doch wie gelingt datengestützter Wissensaufbau? Welche ersten Schritte leiten einen solchen Prozess ein? Bei der Einführung von „Softwareprodukten von der Stange“ besteht immer die Gefahr, dass sie nicht zu den individuellen Prozessen und Abläufen eines Unternehmens passen. Das kann Akzeptanzprobleme bei den Mitarbeitern erzeugen, wenn ihre Arbeit dadurch sogar erschwert wird. So reifte bei PINTER GUSS der Wunsch nach einer agilen Lösung, die auf die eigenen Rahmenbedingungen angepasst und gemeinsam mit dem gesamten Team stetig weiterentwickelt werden kann. Vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der kleinen und mittelständischen Unternehmen in Bezug auf Digitalisierung und erste Schritte ähnliche Probleme und Herausforderungen haben, wurde 2021 die LEANIO GmbH mit Sitz in Passau als eigenständiges Unternehmen aus der Taufe gehoben. Die Digitalschmiede wird von Dr. Björn Kesper und Stefan Bredl geführt und ist auf maßgeschneiderte Softwareapplikationen im Produktionsumfeld der Industrie spezialisiert. LEANIO bedient neben PINTER GUSS und JUNG mittlerweile viele mittelständische Unternehmen mit Produktionsanwendungen in den unterschiedlichsten Branchen. Das Team umfasst bereits zehn Mitarbeiter –
Tendenz steigend. 

Interaktive Infoboards

Geschäftsführer der PINTER GUSS GmbH
Die Geschäftsführer Stefan Bredl (links) und Felix Jaruszewski führen PINTER GUSS zu einer digitalen Gießerei. Das Unternehmen liefert jährlich rund 1.500 Tonnen Gussteile. © www.khablo-photo.com
Mit Unterstützung von LEANIO schreitet der Digitalisierungsausbau bei PINTER GUSS nun kontinuierlich voran. Ein Beispiel aus der Praxis: Auf dem Firmengelände wurden interaktive Boards installiert, die als Kommunikationskanal für interne Informationen aber auch als Diskussionswerkzeug mit Kunden, Lieferanten und Gästen dienen. Die digitalen Boards bieten außerdem die Möglichkeit, die Steuerung der Fertigungs- und Wertschöpfungsprozesse in unmittelbarer Produktionsnähe durchzuführen. Hier können regelmäßig Auftragsplanungen, Qualitätsthemen und Schlüsselkennzahlen diskutiert werden. Grundsätzlich handelt es sich bei sämtlichen Maßnahmen zur Digitalisierung um einen laufenden Prozess. Die Abarbeitung einzelner Meilensteine steht nicht im Fokus. „Man muss immer wieder neu bewerten, wo die digitalen Stärken und Schwächen des Unternehmens liegen. Was sind die Themen, die uns und die Mitarbeiter am meisten voranbringen?“, führt Felix Jaruszewski aus. Gerade die Möglichkeit, Prozesse in der Fertigung voranzutreiben, weil anhand von validen Daten Verbesserungen sichtbar werden, sei wertvoll – ebenso wie der Input der Mitarbeitenden selbst. „Oftmals entstehen dabei organisatorische und technische Ideen, von denen das ganze Unternehmen profitieren kann“, sagt Jaruszewski.  
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